Erdgas: Habeck ruft Alarmstufe des Notfallplans aus (Update)
Seite 2: Mehr Kohlekraftwerke am Netz
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Am Wochenende veröffentlichte Habecks Ministerium einen entsprechenden Plan, wie das "Armdrücken" gewonnen werden soll. "Wir werden den Gasverbrauch im Strombereich und der Industrie senken und die Befüllung der Speicher forcieren. Je nach Lage werden wir weitere Maßnahmen ergreifen", so Habeck.
Gaskraftwerke sollen stillgelegt werden – dafür sollen Kohlemeiler wieder ans Netz gebracht werden. Damit lassen sich etwa zehn Prozent des Gasverbrauchs sparen.
Dieser Vorschlag erntete große Zustimmung und die Industrie macht Druck, dass schnell zur Tat geschritten wird. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt". Gasmangel könne schließlich zum Stillstand von Betrieben führen. Deshalb müssten Kohlekraftwerke schnell wieder aus der Reserve geholt werden.
Auch nach Ansicht der Energiewirtschaft könnten Kohlekraftwerke helfen, den Gasverbrauch in Deutschland zu senken. Die in Reserve stehenden Braunkohlemeiler könnten in einem relativ überschaubaren Zeitraum wieder angefahren werden, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), im ARD-Morgenmagazin.
Bei Steinkohle ginge es dem Grundsatz nach auch, nur dass diese eingeführt und bevorratet werden müsste. Zwar steige der Ausstoß von Kohlendioxid wieder an – das Ziel sei aber, den Gasverbrauch zu senken.
Industrie sieht kaum eigenes Potenzial zum Einsparen
Die Industrie geht allerdings nicht mit demselben Elan voran, den sie von anderen fordert. Der Anteil der Unternehmen am Gasverbrauch macht mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Verbrauchs aus. Doch das eigene Einsparpotenzial schätzt die Industrie auf nur etwa acht Prozent ihres Verbrauchs.
Damit das Engagement der Betriebe größer wird, soll künftig über Auktionen geklärt werden, welches Unternehmen wie viel Gas bekommt. Doch beim sogenannten Mittelstand macht sich die Sorge breit, am Ende ohne Gas dastehen zu müssen.
Man befürchte, "bei der Energieversorgung zwischen den warmen Wohnzimmern von Privatverbrauchern und dem Rohstoffbedarf der Großindustrie den Kürzeren zu ziehen", sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Habecks Vorhaben könne bedeuten, dass kleine und mittlere Unternehmen beim Bieten nicht mehr mithalten können.
Kältere Wohnungen im Gespräch
Aber auch die Bürger, die Verbraucher, werden voraussichtlich gefordert werden, obwohl sie bislang im nationalen Notfallplan als "besonders geschützte Kundengruppe" galten. Die Welt berichtete am Wochenende, dass die Bundesnetzagentur bereits prüft, ob Vermieter zur Absenkung der Mindesttemperatur in Wohngebäuden verpflichtet werden könnten.
Der Deutsche Mieterbund (dmb) läuft dagegen Sturm. "Wir wissen nicht, wer die Bundesnetzagentur auf diese Schnapsidee gebracht hat", erklärte dmb-Präsident Lukas Siebenkotten. Es wirke so, als habe das vorgesetzte Wirtschaftsministerium mal austesten lassen wollen, woher der Wind wehe.
"Wenn man zuallererst bei den Mieterinnen und Mietern mit einem staatlich verordneten ‚Wärmedeckel‘ ansetzt, könnte man dahinter auch die Unterstellung vermuten, sie würden Energie verschwenden", so Siebenkotten weiter. Aber das sei grundfalsch, denn Mieter achteten schon allein deshalb auf ihre Energiebilanz, "weil ihre Energiekosten sonst allein aufgrund der durch die Decke schießenden Preise immer weiter steigen".
Bislang äußerte sich die Bundesregierung allerdings nicht dazu, ob sie auch beabsichtigt, den Gasfluss in andere EU-Länder zu stoppen, bis die eigenen Speicher gefüllt sind. Polen wird zum Beispiel über die Jamal-Pipeline mit Erdgas aus Deutschland versorgt. Bis Dezember 2021 floss über diese Leitung westsibirisches Gas nach Deutschland. Doch seitdem pumpt die Leitung in umgekehrter Richtung.