Erdkern: Das Herz unseres Planeten schlägt anders als gedacht
Mobiler als gedacht: der Erdkern. Bild: pixelsch oen/ Shutterstock.com
Tief im Erdinneren gibt es eine Überraschung. Der metallische Kern verhält sich anders als bisher gedacht. Neue Daten zeigen: Er verformt sich sogar.
Tausende Kilometer unter unseren Füßen regt sich etwas: Der innerste Kern unseres Planeten, ein, wie man bisher annahm, fester Ball aus Metall, scheint sich nicht nur anders zu drehen als bisher angenommen. Offenbar verändert er sogar seine Form. Das haben Geowissenschaftler der University of Southern California (USC) herausgefunden.
"Im Zuge dieser Studie haben wir wohl zum ersten Mal beobachtet, dass der äußere Kern den inneren Kern beeinflusst", erklärt der leitende Wissenschaftler der Studie, der US-amerikanische Seismologe John Vidale. Bisher galt der innere Erdkern, der von einem flüssigen äußeren Kern umgeben ist, als feste Kugel. Doch die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich seine Oberfläche sehr wohl verformt.
Die an der Untersuchung beteiligten Forscher hatten Daten von 121 Erdbeben ausgewertet, die sich über 33 Jahre hinweg nahe der Südlichen Sandwichinseln in der Antarktis ereigneten. Die seismischen Wellen dieser Beben wurden von Messstationen in Alaska und Kanada aufgezeichnet. Bei der Analyse fiel den Forschern ein Datensatz auf, der sich merklich von den anderen unterschied.
"Zuerst hat mich die Datenreihen verwirrt", zitiert der Pressedienst der USC den Studienleiter Vidale. Erst als sein Team die Auflösungstechnik verbesserte, wurde klar, dass die seismischen Wellenformen zusätzliche physikalische Aktivitäten des inneren Kerns darstellten. Die plausibelste Erklärung dafür sind vorübergehende Veränderungen in der Form des inneren Kerns.
Diese physikalische Aktivität wird, so die Vermutung, durch eine Wechselwirkung zwischen innerem und äußerem Kern verursacht. „Der geschmolzene äußere Kern ist für seine heftigen Bewegungen bekannt, aber es wurde bisher nicht beobachtet, dass seine Turbulenzen seinen Nachbarn, den inneren Kern, in einem für Menschen relevanten Zeitraum beeinflussen“, so der Geowissenschaftler: „In dieser Studie konnten wir zum ersten Mal beobachten, dass der äußere Kern den inneren Kern verändert.“
Diese Entdeckung eröffne den Blick auf bisher nicht bekannte Prozesse tief im Inneren der Erde und könne zu einem besseren Verständnis des Wärme- und Magnetfelds unseres Planeten führen. "Es ist, als würden wir erstmals unter die Motorhaube der Erde schauen", sagt Vidale, um die Erkenntnisse für Laien zu veranschaulichen.
Schon früher: Erkenntnisse zur Rotation des Erdkerns
Bereits Ende Juni vergangenen Jahres hatten Vidale und sein Team weitere Erkenntnisse zur Rotation des Erdkerns präsentiert. Eine damalige Studie, die schon im Juni 2023 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht worden war, lieferte damals Hinweise darauf, dass sich die Rotation des inneren Erdkerns relativ zum Mantel und zur Erdoberfläche verlangsamt und möglicherweise sogar umgekehrt hat.
Der US-Geowissenschaftler und sein Forschungsteam hatten schon damals die Erdbebendaten aus Jahrzehnten nahe der Südlichen Sandwichinseln analysiert. Durch den Vergleich der Wellenformen, die von seismischen Wellen dieser Beben erzeugt wurden, fanden sie überzeugende Belege dafür, dass der innere Kern seine Rotation relativ zum Mantel um 2008 umkehrte und sich seitdem mit weniger als der halben Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung dreht.
Schon damals Verdacht zur Verformung des Erdkerns
Vidale mutmaßte damals in seiner Präsentation auf einer Fachkonferenz damals, dass diese langsamere Rückwärtsbewegung darauf hindeuten könnte, dass der innere Kern durch die Schwerkraft des Mantels verformt wird. Dichtere Taschen des Mantels könnten den inneren Kern bei seiner Rotation verformen und die Schwingung verzerren, erklärte er.
Die Präsentation von Vidale auf der geophysikalischen Konferenz Ende Juni 2024 hat die wissenschaftliche Gemeinschaft nachhaltig beeindruckt und die Diskussion über die faszinierenden Eigenschaften und Dynamiken des Erdkerns neu entfacht. Seine Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse, die unser Verständnis des Erdinneren erweitern und den Weg für künftige Forschungen ebnen.