Erdoğan: "Dieses eine Mal will ich (nicht) vergeben"

Der türkische Präsident kündigt an, alle Anzeigen gegen Beleidigungen und Respektlosigkeiten zurückziehen; Ausnahme: Jan Böhmermann

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Bei einer Gedenkveranstaltung zu den Opfern des Putschversuchs am 15.Juli verspürte der türkische Präsident Erdoğan das "Gefühl einer Einheit", wie Hurriyet Daily News berichtet. Das regte ihn zu einer Geste an, die einen Neubeginn dokumentieren soll, so die englischsprachige türkische Zeitung:

Dieses eine Mal will ich vergeben und alle Anzeigen gegen die vielen Respektlosigkeiten und Beleidigungen, die gegen mich ausgerichtet wurden, zurückziehen.

Laut dem türkischen Strafgesetz sind auf Präsidentenbeleidigung Freiheitsstrafen von einem bis vier Jahre ausgesetzt. Seit seinem Amtsantritt 2014 sollen mehr als 2.000 Personen - darunter, so Hurriyet, Berühmtheiten, Journalisten und Schüler - wegen Beleidigung Erdoğan angezeigt worden sein.

In deutschen Medien wurde am Samstagmorgen darüber spekuliert, ob Erdoğan auch die Strafanzeige in Deutschland gegen Jan Böhmermann (siehe dazu "Sackdoof, feige und verklemmt ..." und Link auf 47968) fallen lassen würde. Doch der Anwalt, der Erdoğan in Deutschland vertritt, Ralf Höcke, stellte bald klar, dass sich dessen Ankündigung nur auf die Türkei beziehe. "In Deutschland ändert sich vorerst nichts", wird der Medienanwalt zitiert. "Vorerst"... ein bisschen Raum für Spiel und Spannung?

In den Medienberichten, wird die Aussage des Anwalts mit Äußerungen des türkischen Präsidenten ergänzt, wonach sich die EU und die USA "um ihre eigenen Angelegenheiten" zu kümmern hätten, statt seinem Land Ratschläge zu erteilen.

Ähnliche Töne waren schon früher zu hören. Als die Verhandlungen zwischen der Türkei und der EU über die Visumserleichterungen stoppten, weil sich die türkischen Vertreter weigerten, die Terrorgesetze zu ändern, beschied Erdogan der EU: "Wir gehen unseren Weg, geh Du Deinen Weg."

Das war Anfang Mai dieses Jahres. Anfang Juni hieß es, dass die türkische Regierung das Rücknahmeabkommen mit der EU für illegal in die EU eingereisten Flüchtlinge suspendiert habe. EU-Kommissionspräsident Junckers schätzt das Risiko eines Scheiterns des Flüchtlingsdeals mit der Türkei im Augenblick als "groß" ein. Der bisherige Erfolg des Paktes sei fragil, sagte er in einem aktuellen Interview.