Erdoğan und PKK: Auge um Auge!?

Seite 2: PKK übernimmt Verantwortung für Anschläge

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Bereits im August gab es einen Anschlag auf eine Militär- und Polizei-Station in der Provinz Dersim, zu der die bewaffneten Einheiten sich bekannten. Das berichtete die Informationsstelle Kurdistan (ISKU):

In Qisle (Nazimiye) in der Provinz Dersim wurde heute Früh die Polizei- und Militärstation mit Raketenwerfer und Mörsern von der Guerilla der Volksverteidigungseinheiten HPG (bewaffneter Arm der PKK, Anm. d. Verf.) angegriffen.

Laut örtlichen Quellen war die Aktion so heftig, dass eine Stunde lang die zahlreiche Gefechte zu hören waren. Mehrere Detonationen und Gefechtslärm konnte vernommen werden. Hubschrauber und Krankenwagen kamen zum Ort des Angriffs, um die Toten und Verletzten zu bergen. Genauere Informationen liegen noch nicht vor, staatliche Medien berichteten von einem toten Soldaten und acht zum Teil schwerverletzten Sicherheitskräften.

ISKU

Am vergangenen Sonntag detonierte an einem Kontrollposten im Südosten des Landes eine Autobombe. Dabei kamen zunächst 18 Menschen ums Leben, eine Person erlag später den schweren Verletzungen. Offiziellen Meldungen zufolge handelt es sich dabei um 10 Soldaten, 8 Zivilpersonen und den Fahrer des Wagens. Die PKK wurde beschuldigt, dieses Selbstmordattentat verübt zu haben.

Die kurdische Guerilla bekannte sich zu der Tat, sprach ihrerseits von 32 getöteten Soldaten.

Bereits im September 2016 wurde eine Bombe vor dem Gouverneursgebäude in Van zur Detonation gebracht. Dabei kamen 18 Menschen ums Leben. Auch dazu bekennt sich die HPG. Die Bombe sei eine Fassbombe, die vom türkischen Militär auf kurdischem Gebiet abgeworfen worden, allerdings nicht explodiert sei, heißt es in einer von der ISKU verbreiteten Erklärung:

Aufgrund der ununterbrochenen Bombardements durch Kampfflugzeuge in Kurdistan, haben wir mit einer Fassbombe, die auf Kurdistan geworfen wurde, jedoch nicht explodierte, geantwortet. Dazu luden wir den Sprengkörper in ein Fahrzeug und platzierten es vor dem Gouverneursgebäude in Wan. Die Bombe wurde zur Explosion gebracht, als sich eine größere Menge Polizisten vor dem Gebäude aufhielt.

Dies war eine Antwort auf die von der AKP konsequent durchgeführten Razzia in Wan, auf die Ermordung von kurdischen Jugendlichen und auf die Besatzung der Regionen durch Treuhändler, da der Wille der kurdischen Bevölkerung durch den Putsch nicht gebrochen werden konnte.

ISKU

Das regierungsnahe Internetmagazin Son Dakika (letzte Minute) berichtete am vergangenen Freitag von 5 Anschlägen auf Militärfahrzeuge und eine Polizeistation in den Bezirken Diyarbakir und Van, bei denen 3 Soldaten getötet, und weitere verletzt wurden. Diese Anschläge werden der PKK angelastet. Es seien "Luft-Operationen gestartet" worden, um die "fliehenden Terroristen zu verhaften". Eine Erklärung, inder die PKK die Verantwortung dafür tatsächlich übernimmt, gibt es bis dato nicht.

Murat Karayilan, einer der ranghöchsten Kommandeure der HPG, bezog im Fernsehsender Kurdsat News Stellung zu den Morden an echten oder vermeintlichen AKP-Politikern. Er sagt: "Die AKP benutzt die Menschen für die Kontra-Organisation*. Diejenigen, die die Guerilla angreifen, sind in Kontra-Aktivitäten involviert. Es sind keine Politiker. Es sind Personen, die sich persönlich am Massaker an den Kurden beteiligen, die mitwirken an der Zerstörung der Städte und der Ermordung von Menschen. Sie sind ein Anhängsel des türkischen Staates. Ab jetzt wird die Guerilla diesen Menschen nicht mehr verzeihen. Das sollte unserem Volk bewusst sein. (...) Unsere Aktionen gegen Personen, die im Schatten der AKP als vermeintliche Politiker Kontra-Aktivitäten betreiben, werden weiter gehen."

*Mit Kontra-Organisation sind paramilitärische Strukturen gemeint, zum Beispiel auch die der bewaffneten Dorfschützer, die für die AKP-Regierung in den Dörfern Nordkurdistans an der Seite türkischer Soldaten gegen die PKK kämpfen.

Kerem Schamberger

Das klingt nach Kriegserklärung. Die PKK schickt die Bodentruppen in die kurdischen Gebiete. Bis dato wurden dort Kampfhandlungen, bis auf vereinzelte Anschläge und Barrikaden-Kampf kurdischer Jugendlicher in den belagerten kurdischen Städten im Frühjahr und Sommer 2016, vermieden.

Auch wenn es sich zunächst weiterhin um vereinzelte Anschläge handeln sollte, bedeutet das letztendlich nichts anderes als die Ausweitung der militärischen Auseinandersetzung in den unbesiedelten Berggebieten auf die besiedelten kurdischen Gebiete im Inland.

Die Meldung des Internetmagazins Son Dakika spricht allerdings gegen vereinzelte Anschläge. Allerdings ist die Nachricht mit Vorsicht zu genießen. Mangels alternativer und oppositioneller Medien kann die türkische Regierung ihre - zumeist geschönte - Weltsicht unwidersprochen verbreiten.