Erfolgreiche Klage im Abgasskandal
Protest vor dem Kanzleramt im Zuge des Diesel-Skandals. Bild: Jakob Huber / CC BY-NC 2.0
Energie und Klima – kompakt: Diesel-Autos fahren weiter mit illegalen Abschalteinrichtungen. Das stellte das Verwaltungsgericht Schleswig nun fest. Was daraus folgt.
Sieben Jahre nach dem Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals hat die Deutsche Umwelthilfe am Montag vor Gericht einen bedeutenden Sieg errungen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hob mit seinem Urteil den Freigabebescheid für ein VW-Golf-Modell mit dem Motor EA 189 auf, den das Kraftfahrtbundesamt 2016 erteilt hatte. Der Motor EA 189 sollte angeblich die Vorgaben der Abgasnorm Euro 5 erfüllen.
Im Jahr 2015 war bekannt geworden, dass in Dieselfahrzeugen verschiedener Hersteller der Abgasnorm 5 Abschalteinrichtungen eingebaut worden waren, wodurch der Schadstoffausstoß von Stickoxiden im Realbetrieb erheblich höher war als der auf dem Prüfstand und damit auch zulässige Grenzwerte weit überschritt.
2016 erlaubte das Kraftfahrt-Bundesamt jedoch den Weiterbetrieb der betroffenen Fahrzeuge, wenn sie mit einem Software-Update ausgestattet würden, wie die DUH schreibt, "obwohl weiterhin illegale Abschalteinrichtungen vorhanden waren".
Auch mit dem Update wurde ein sogenanntes Thermofenster gesteuert, das heißt, es gibt einen Temperaturbereich, in dem die Abgasreinigung abgeschaltet wird. Der Volkswagen-Konzern hatte stets argumentiert, dass das Thermofenster notwendig sei, um Motorschäden zu verhindern.
Die Abgasreinigung wurde bereits ab Temperaturen von zehn Grad Celsius heruntergeregelt, die im gemäßigten Klima Europas durchaus normal sind. Volkswagen argumentierte auch vor Gericht, dass die Abschalteinrichtungen notwendig seien, um Motorschäden bis hin zum Risiko eines Fahrzeugbrands zu vermeiden.
Wie der NDR berichtet, wurde die Abgasreinigung auch unter weiteren Bedingungen heruntergefahren: Ab einer bestimmten Höhe und entsprechend niedrigerem Luftdruck oder etwa wenn sich der Diesel für mehr als 15 Minuten im Leerlauf befand.
Die DUH hatte gegen das Kraftfahrtbundesamt als zulassende Behörde der betreffenden Golf-Modelle geklagt. Das jetzt ergangene Urteil sieht man dort als grundlegend, denn weitere Verfahren gegen 118 Freigabebescheide für diverse Modelle unterschiedlicher Hersteller seien anhängig. Bis zu zehn Millionen Autos in Deutschland könnten betroffen sein, wenn die Freigaben zurückgenommen würden.
Dieses Urteil hat grundlegende Wirkung, denn es ist direkt übertragbar auf alle anderen Fahrzeuge mit temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen. Wir fordern das Kraftfahrt-Bundesamt deshalb auf, die betroffenen Pkw aller Hersteller zurückzurufen und nachrüsten zu lassen. Andernfalls werden wir in allen Fällen Klage erheben,
… sagte Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertritt.
Nachrüstungen wie in den USA
Das jetzige Verfahren lief bereits seit Jahren. 2019 hatte das Verwaltungsgericht Schleswig zwei Fragen zunächst an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Dabei ging es um die Klageberechtigung der DUH und um die Frage, ob Abschalteinrichtungen unter bestimmten Umständen legal sein könnten.
Der Europäische Gerichtshof hatte im November 2022 sowohl die Klageberechtigung der DUH bestätigt als auch klargestellt, dass die Abgasreinigung auch bei niedrigen Temperaturen funktionieren müsse.
Nun wird sich zeigen, wie das Kraftfahrtbundesamt und Volkswagen auf das Urteil reagieren werden. Das Gericht hat eine Berufung gegen das Urteil zugelassen. Die DUH fordert derweil von Verkehrsminister Volker Wissing, das Kraftfahrtbundesamt anzuweisen, das Urteil zu akzeptieren und die Fahrzeuge mit Betrugssoftware amtlich zurückrufen zu lassen.
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, würde ein ähnliches Vorgehen wie in den USA wahrscheinlich. Dort hatte es von Anfang an einen sehr viel strikteren Umgang in Bezug auf Dieselfahrzeuge mit Betrugssoftware gegeben. Die Hersteller hatten sie entweder von den Fahrzeughalter:innen zurückkaufen oder technisch, das heißt mit einer entsprechenden Hardware und nicht nur mit neuer Software wie in Deutschland, nachrüsten müssen.
Die Nachrüstung erfolgte unter anderem mit speziellen Katalysatoren. Angesichts der Verkehrspolitik in Deutschland, die den Interessen der Autohersteller in den meisten Fällen gewogen ist, kann damit gerechnet werden, dass das Kraftfahrtbundesamt in Berufung gehen wird.
Durch eine weitere Verzögerung eines Urteils würde sich das Problem zum Teil auf eine eher natürliche Art und Weise lösen. Denn immer mehr betroffene Fahrzeuge werden aufgrund ihres Betriebsalters nach und nach von den Straßen verschwinden.