Erneuerbar statt Fossil: "Schnelle Unabhängigkeit von russischem Gas möglich"
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Wir kommen durch den Winter, auch ohne neues Gas, sagt Studienautor Ingo Stuckmann. Forscher zeigen, wie eine Energiewende-Offensive eine Win-Win-Situation schafft.
Zum Abschluss des G-7-Treffens auf Schloss Elmau veröffentlichte die Denkfabrik Zero Emission Think Tank eine Studie, die zeigt, dass sich Deutschland schnell von russischem Gas und Öl unabhängig machen kann. Die G-7-Staaten hatten beschlossen, gegen ihr Versprechen vom Klimagipfel in Glasgow, nun doch neue Gasfelder zu erschließen.
Das ist nach Ansicht der Autoren der Zero-Studie – darunter auch der renommierte Forscher Prof. Eike Weber, langjähriger Direktor am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme – nicht notwendig. Sie haben ein durchgerechnetes Szenario vorgelegt, nach dem Deutschland auch ohne fossile Substitutionen bis zum Herbst inländisch die Energielücke füllen kann, die durch ein Russland-Embargo entstehen würde.
Ihr Vorschlag besteht im Kern aus: Biogas, Wärmepumpen- und Windkraft-Offensive, Dämmen von Wohnungen und Weiterführung des 9-Euro-Tickets. Das würde nicht nur die Energiewende stärken, Emissionen senken (und Deutschland so erstmalig auf einen 1,5-Grad-Pfad bringen) sowie Energiesicherheit garantieren, sondern, gepaart mit gezielten Prämien, Kosten sparen und sozialen Ausgleich schaffen.
Im Vorwort schreibt Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group:
Die vorliegende Untersuchung macht Vorschläge und liefert Argumente, wie die Bundesregierung einen Sofort-Boykott russischer Energielieferungen beschließen kann, ohne unerträgliche Notstände für die Bevölkerung, vor allem ohne massive Produktionseinbrüche und soziale Verwerfungen in der Heizsaison im kommenden Winter.
Im Interview mit David Goeßmann von Telepolis macht der Co-Autor der Studie und Direktor der Denkfabrik "Zero Emission Think Tank" Ingo Stuckmann klar, warum wir alle von einer entschlossenen Energiewende vor dem Hintergrund der fossilen Preisrally profitieren würden.
Was sind die zentralen Ergebnisse der Studie? Und worin unterscheidet sich der Ansatz der Untersuchung von anderen Szenarien wie dem des Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) oder auch von Wirtschaftsminister Robert Habeck?
Ingo Stuckmann: Es gibt zwei zentrale Ergebnisse der Studie. Wir haben erstens herausgefunden, dass die schnelle Unabhängigkeit von russischem Gas möglich ist. Die Untersuchung zeigt, wie Deutschland sofort über nur drei Maßnahmen russisches Gas ersetzen kann.
Ein Drittel kommt vom Anschluss bestehender Biogasanlagen ans Gasnetz. Das nächste Drittel wird erbracht vom Austausch von Gasheizungen durch 330.000 Wärmepumpen für 3,3 Millionen Haushalte sowie – ganz wichtig – typenoffene Genehmigungen für bereits genehmigte, aber noch zu errichtende Windräder (das bedeutet im Idealfall von typenoffenen Genehmigungen plus 50 Prozent mehr Strom für die Wärmepumpen!). Und das letzte Drittel kommt dann von der Innendämmung von 4,8 Millionen Haushalten durch ein einfaches Baumarktsystem.
Die Studie zeigt, dass der Ersatz aller russischen Energielieferungen bis zum Herbst möglich ist.
Es ist zudem die erste Lösungsstudie mit "Win-Win"-Ansatz. Bisherige Studien zeigen, wie russische fossile Energien durch Flüssiggas (LNG) und fossile Importe aus anderen Quellen ersetzt werden können, die jedoch auf angespannten Weltmärkten zu erheblichen Mehrkosten beschafft werden und weiterhin Treibhausgasemissionen verursachen ("Loose-Loose"-Ansatz).
Im Gegensatz dazu zeigt unsere Lösungsstudie über einen "Win-Win"-Ansatz auf, wie durch günstige Erneuerbare Energien und Energieeinsparungen bereits im ersten Jahr massive Kostensenkungen wesentlich günstiger werden ("Win"). Das spart alleine den privaten Haushalten jedes Jahr sofort etwa zehn Milliarden Euro ein, und zwar für immer!
Ebenso werden die CO2-Emissionen Deutschlands in einem Jahr um ein Drittel gesenkt. Das ist das zweite "Win", daher ist es eine "Win-Win"-Situation.
Damit könnte Deutschland wieder auf den 1,5-Grad-Pfad kommen, der im Abkommen von Paris festgelegt und vom Bundesverfassungsgericht als Rahmen für den deutschen Klimaschutz eingefordert wurde.