Erneuerbar statt Fossil: "Schnelle Unabhängigkeit von russischem Gas möglich"
Seite 2: Entlastung für niedrige und mittlere Einkommen von Personen in Mietwohnungen
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Oft wird ein ökonomisches Argument vorgebracht: Die Knappheit von Öl und Gas sowie die steigenden Preise für fossile Energien (insbesondere steigende Gaspreise) drohen in einer Rezession zu enden. Das würde Firmenpleiten nach sich ziehen, so auch Wirtschaftsminister Habeck. Daher müssten wir alles tun, um andere Quellen und Lieferanten von fossilen Energien in den nächsten Monaten zu finden. Wie beurteilen Sie das Argument und was stellen Sie dem entgegen?
Ingo Stuckmann: Minister Habeck hat bisher alles richtig gemacht, um überhaupt die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Allerdings wünschen sich die Autoren jetzt ein Einschwenken der Bundesregierung auf einen Lösungsweg, also auf günstige Erneuerbare Energien und massive Energie-Kosteneinsparungen, und das für alle Zeiten.
Neben der Argumentation der Bundesregierung, mehr fossile Energien einzukaufen, sollten die Gaspreise auch dann sinken, wenn die Nachfrage sinkt. Die Bundesregierung sollte jetzt den Kurs korrigieren und auf eine sinkende Nachfrage setzen. Die Studie beschreibt hierzu effektive Maßnahmen (Innendämmung und Wärmepumpen). Durch diese Maßnahmen kann der Gasverbrauch um 40 Prozent sinken, was den bisherigen russischen Importen entspricht.
Die gleiche Strategie, die Nachfrage zu senken, schlagen die Autoren auch für den Ölverbrauch vor.
Insgesamt können fossile Hochpreis-Energiekrisen nur durch einen Umstieg auf 100 Prozent heimische und günstige Erneuerbare Energien vermieden werden, wie in der Studie am Ende diskutiert wird.
Ein Vorschlag der Studie ist, dass Haushalte und Verbraucher stärkere Einsparungen vornehmen sollen. Welche sind das? Und wie soll gewährleistet werden, dass gerecht, sozial fair gespart wird – also die wohlhabenderen Schichten mit hohem Energieverbrauch ihren proportionalen Anteil leisten?
Ingo Stuckmann: Die Studie schlägt ein bundeseinheitliches "Rundum-Sorglos-Paket – Heizen zum 1/2 Preis" sowie eine "5.000 Euro Innen-Dämm-Prämie" vor, aus der alles bezahlt wird. Die Innendämmung spart in etwa drei Jahren 5.000 Euro Gaskosten ein.
Eine einfache Innendämmung von 4.8 Millionen Haushalten kann über "Energieunabhängigkeitswochen" von Schüler:innen, Azubis, Studen:innen, Rentner:innen und Freiwilligen (analog des freiwilligen sozialen Jahres) – gegen eine pauschale Aufwandsentschädigung, zur Aufbesserung der Haushaltskasse organisiert werden, bezahlt aus der Innen-Dämm-Prämie. Damit könnte alles bezahlt und organisiert werden.
Folgende Energie-Einsparungen werden in der Studie vorgeschlagen. Erstens: Im Wärmesektor werden "zwei Grad weniger" beim Heizen und das Dämmen von "jeder vierten Wohnung" vorgeschlagen. Die Kosten für die Innendämmung sollen über eine 5.000 Euro Prämie aufgefangen werden. Weiterhin ist das Ziel, "jeden sechsten Gasanschluss" zu kappen und dafür mit Wärmepumpen zu heizen.
Zweitens könnte im Verkehrssektor "jede fünfte Fahrt" eingespart werden, etwa durch einen Tag pro Woche Homeoffice, Fahrgemeinschaften, Fahrradfahren oder ÖPNV-Nutzung mit dem 9-Euro-Ticket. Weiterhin sollten kurze Wege mit Fahrrad und E-Bike zurückgelegt werden, wozu die Autoren vorübergehende Pop-Up-Radwege auf existierenden Straßen vorschlagen, insbesondere in den Innenstädten. Zudem sollte ein Umstieg auf das E-Auto erfolgen.
Insgesamt führen insbesondere die Einsparungen beim Gasverbrauch durch eine Innendämmung und durch Wärmepumpen zu einer Entlastung der Verbraucher:innen. Eine faire Verteilung der Lasten ist durch die vorgeschlagene 5.000 Euro Innen-Dämm-Prämie gegeben, die die Kosten für eine Wohnung abdecken sollte. Für größere Häuser werden zusätzlich Eigenmittel bzw. Kredite benötigt, da die 5.000 Euro nicht ausreichen.
Für die Wärmepumpen ist der Anreiz über eine weitere 5.000 Euro Energieunabhängigkeitsprämie gegeben, den Gasanschluss zu kappen. Auch hier wirkt der gleiche Mechanismus wie beim Dämmen.
Für ein Mietshaus mit mehreren Parteien können mehrere 5.000 Euro umfassende Energieunabhängigkeitsprämien die Wärmepumpe komplett bezahlen. Bei größeren Häusern reicht eine Prämie nicht. Dafür können weitere Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch genommen werden. Immerhin gibt es auch noch Förderungen für die Wärmepumpe durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Insgesamt sind die beiden 5.000 Euro Prämien Entlastungspakete, die vor allem niedrige und mittlere Einkommen in Mietwohnungen entlasten. Für alle Eigenheimbesitzer ist der Anreiz über diese Prämien ebenfalls groß, aber sie müssen zusätzlich Eigenanteile bzw. KfW-Kredite nutzen.