Erneuerbare Energien: Experten sehen Weg zur Klimaneutralität bis 2045
Experten: Klimaneutralität bis 2045 möglich. Erneuerbare Energien spielen dabei die Hauptrolle. Doch ein Hindernis könnte alles zunichtemachen. Ein Gastkommentar.
Erneuerbare Energien sind überall auf der Erde als Umgebungsenergie vorhanden, ersparen uns weite Transportwege und sind mit ungefährlicher Technik einsetzbar: Atomar-fossiler Strom wird in wenigen Großkraftwerken produziert. Strom aus erneuerbaren Quellen hingegen an vielen Standorten in kleinen Produktionseinheiten. Bürgerinnen- und Bürger-Strom statt Konzern-Strom.
Das Problem der Konzerne: Sie konnten sich lange Zeit dezentrale erneuerbare Energieversorgung nur als Ersatz und Ergänzung zu ihrem eingespielten, zentralisierten und in ihrem Sinne bewährten, weil auch sehr profitablem Energiesystem vorstellen.
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Die alte Energiewirtschaft hatte das Energie-Monopol und war die stärkste Macht der Welt. Deshalb blieben oder bleiben die alten Energieversorger Gefangene ihres eigenen Systems. Das muss jede und jeder wissen, der oder die dieses kapitalstarke und mit der Politik und dem Großkapital verbandelte System infrage stellt.
Und die Zukunft der Kernfusion?
Dafür ist es beim Klimawandel zu spät. Entsprechende Reaktoren könnten allenfalls in 40 Jahren ans Netz. Diese Zeit haben wir nicht und das Geld sollten wir für den heute möglichen Umstieg auf erneuerbare Energien einsetzen, anstatt auf Wundermittel in ferner Zukunft zu hoffen. Utopisches Wunschdenken sollten wir uns nicht leisten.
Nach heutiger Erfahrung haben Fusionsreaktoren nur wenige Minuten funktioniert. Und dafür mussten Milliarden US-Dollar und Euro investiert werden: Wir haben Besseres und entschieden preiswerteres – erneuerbare Energien sind längst erforscht und erprobt und in großem Stil umsetzbar.
Bis wann kann die Welt erneuerbar werden?
Claudia Kemfert Klimaexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, schreibt:
Die Energiewissenschaft ist sich nicht nur weitgehend einig, was die Erreichbarkeit der Ziele angeht, sondern prinzipiell auch darüber, wie mögliche Wege zur Treibhausgasneutralität bis 2045 aussehen: hauptsächlich durch höhere Energieeffizienz (mit dem Effekt einer drastischen absoluten Reduzierung der Primärenergie) und erneuerbare Energien, Elektrifizierung, Wasserstoff sowie Speicherung von Resttreibhausgasen.
Dieser Konsens ist angesichts der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kämpfe um die Energiewende seit den 1980-Jahren erstaunlich. Dies gilt auch im internationalen Vergleich: In den USA, Japan oder einigen europäischen Ländern wie Frankreich oder Polen hält etwa der wissenschaftliche und gesellschaftliche Streit über die nationalen Dekarbonisierung-Strategien und über die Rolle der Atomenergie weiter an.
Wissenschaftler des Wuppertal-Instituts meinen allerdings, dass dieses Ziel schon 2035 oder 2040 erreicht werden sollte. Auch der UNO-Generalsekretär drängt mit drastischen Worten auf das frühestmögliche Ziel.
Guterres warnt vor "Klimahölle"
In einer Rede, wie sie noch nie zuvor von einem führenden Weltpolitiker gehalten wurde, sagte UNO-Generalsekretär António Guterres am 1. Dezember 2020: "Frieden mit der Natur zu schließen, ist die entscheidende Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Sie muss für alle und überall oberste Priorität haben."
Nach den jüngsten alarmierenden Berichten des Weltklimarats erklärte Guterres: "Diese Berichte müssen die Todesglocke für Kohle und fossile Treibstoffe läuten, bevor sie unseren Planeten zerstören. Wenn wir jetzt alle Kräfte bündeln, können wir die Klimakatastrophe noch abwenden."
Mitte 2024 warnte der UNO-Generalsekretär vor der "Klimahölle": "Wir spielen mit unserem Planeten russisches Roulette … Wir brauchen eine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle."
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Der Mai 2024 war der zwölfte Monat in Folge, in dem die globale Durchschnittstemperatur einen Rekordwert für den jeweiligen Monat erreichte, wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus mitteilte. Angesichts dieser Warnungen rief António Guterres zu einem Finanzierungs- und Werbeboykott der Gas-, Kohle- und Ölindustrie auf.
Regierungen sollten die Werbung der gesamten fossilen Industrie verbieten, ähnlich wie Tabakwerbung. Finanzinstitute sollten stattdessen in erneuerbare Energien investieren.
Die fossile Energiewirtschaft nannte Guterres "Paten des Klimachaos" und Vertreter des "Wahnsinns". Sie hätten jahrzehntelang Fortschritte in Richtung klimafreundlicher Energie blockiert.
"Milliarden von Dollar wurden dafür aufgewendet, die Wahrheit zu verdrehen, die Öffentlichkeit zu täuschen und Zweifel zu säen", sagte der ranghöchste Politiker der Welt. Zugleich regte er die Einführung von Abgaben bei Schifffahrt, Luftverkehr und Brennstoffindustrie an.
"Viele in der fossilen Industrie haben schamlos Greenwashing betrieben und versucht, Klimaschutz hinauszuzögern – mit Lobbyismus, juristischen Drohungen und gigantischen Werbekampagnen … Wir können eine Zukunft nicht akzeptieren, in der die Reichen in klimatisierten Blasen geschützt sind, während der Rest der Menschheit von tödlichem Wetter in unbewohnbaren Ländern heimgesucht wird", so Guterres.
Nach seiner Rede sagte Guterres, jeder Einzelne müsse sich engagieren: bei Wahlen, um Politikerinnen und Politiker an die Macht zu bringen, die es mit dem Klimawandel ernst meinten und durch eigenes Engagement für mehr Klimaschutz. Er bedankte sich bei jungen Leuten, die dies täten. "Ihr steht auf der richtigen Seite der Geschichte", sagte er. "Macht weiter."
Eine Verdreifachung der Erneuerbaren bis 2030
Die 28. Weltklimakonferenz 2023 in Dubai hat eine globale Verdreifachung der erneuerbaren Energien von 2023 bis 2030 beschlossen. Die Welt ist dabei, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, sagt die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris. Zurzeit erleben wir einen nie gekannten Boom der erneuerbaren Energien in der ganzen Welt, mit China und Indien als Vorreiter.
China transformiert seine Energiepolitik am meisten, Indien am schnellsten. Vom 11. bis 22. November 2024 findet in Aserbaidschan die 29. Weltklimakonferenz, die COP29 in Baku statt. Hier wird erwartet, dass die reichen Länder endlich die finanzielle Voraussetzung schaffen, die solare Energiewende in den armen Ländern des Südens zu finanzieren und damit zu organisieren.
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