Es gibt ein Leben nach der Präsidentschaft

Die Universität Boston will Diktatoren mit einem Stipendium von der Macht weglocken

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Seit neuestem können sich Afrikas ehemalige Autokraten um ein Forschungsstipendium am African Presidential Archives and Research Center (APARC) an der Universität Boston bewerben. Einzige Bedingung: Sie müssen Reformen in ihrem Land eingeleitet und freiwillig die Macht abgegeben haben. Dafür könne sie dann im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nach Herzenslust forschen und studieren.

Was sich zunächst wie ein schlechter Scherz anhört, ist durchaus ernst gemeint. Bis zu zwei Jahre lang können die ehemaligen Machthaber an der Universität arbeiten und ihre Erkenntnisse über Politik und Wirtschaft ihrer Länder mit den Studierenden und Dozenten in Boston teilen. Im Rahmen des Programms "President-in-Residence" bekommen sie in Boston ein Haus, das nötige Kleingeld sowie Bodyguards.

"Es gibt ein Leben nach der Präsidentschaft" - das ist es, was Rev. Charles Stith, der das Programm ins Leben gerufen hat, vermitteln will. Stith war unter Clinton Botschafter in Tansania und ist Präsident der Organization for a New Equality (O N E, die er 1985 als Bürgerrechtsorganisation gegründet hat. "Als Botschafter habe ich gesehen, wie wichtig es für die Führer und Bürger einer Nation ist, diejenigen der anderen zu verstehen, um solide und produktive Beziehungen aufzubauen", begründete Stith sein Universitätsprojekt.

Finanziert wird "President-in-Residence" von der Balfour Foundation aus Massachusetts, die eine Millionen Dollar gespendet hat. CNN International wiederum hat eine komplette Bibliothek mit Aufnahmen seines Programms Inside Africa zur Verfügung gestellt. Die Fluglinie Delta Air Lines spendierte zwölf Erste-Klasse-Tickets, die die Ex-Präsidenten etwa für Vortragsreisen durch die Vereinigten Staaten nutzen können.

Als erster in den Genuss eines Stipendiums gekommen ist Kenneth Kaunda. Der 1924 geborene Kaunda wurde 1953 Generalsekretär des African National Congress von Nordrhodesien, dem späteren Zambia, wo er eine antikolonialistische Linie vertrat. Als Präsident von Zambia hat er das Land seit der Unabhängigkeit 1965 mit einem Ein-Parteiensystem regiert, bis er 1990 freie Wahlen zuließ und nach seiner Niederlage die Macht abgab.

"Er ist die lebende Verkörperung von Afrikas vergangenen Kämpfen gegen den Kolonialismus, und sein Einsatz für Demokratie und marktwirtschaftliche Reformen macht ihn zu einem Symbol für Afrikas gegenwärtige und zukünftige Herausforderung, mit der Globalisierung zu leben", würdigte Stith den Ex-Präsidenten, der inzwischen sein Stipendium in Boston begonnen hat.

Angeblich hat Ex-Botschafter Stith bereits eine Liste mit weiteren möglichen Programm-Teilnehmern aufgestellt. Yoweri Museveni, Präsident von Uganda, hat demnach gute Chancen auf ein Stipendium, voraisgesetzt, er tritt 2006 zurück. Daniel arap Moi, Herrscher in Kenia, Ketumile Masire (Botswana), Nicéphore Soglo (Benin), Antônio Mascarenhas Monteiro (Cape Verde) sowie Jerry Rawlings (Ghana) gelten ebenfalls als mögliche Kandidaten.

Auch Robert Mugabe, der seit 1980 in Zimbabwe regiert und gerade die weißen Farmer enteignet, könnte eines Tages in das Programm aufgenommen werden. "Es hängt davon ab, was sich Präsident Mugabe entscheidet zu tun. Wenn er beispielsweise abtritt bei einer ordentlichen und rechtmäßigen Wahl, werden wir sicher einen Blick darauf werfen", sagte Stith laut Guadian.

Absichtliche Leichtgläubigkeit

Das President-in-Residence-Programm ist zwar das erste seiner Art, aber auch schon früher kam es vor, dass ehemalige afrikanische Herrscher an westlichen Universitäten studierten. So berichtet der "Guardian", die Universität Warwick habe in den 80ern den nigerianischen General Yakubu Gowon aufgenommen. "Er sagte seinen Kommilitonen, sie sollten ihn Jack nennen, und er promovierte mit einer Arbeit zur Ökonomischen Integration Westafrikas."

Peter W. Wood, Außerordentlicher Professor in Boston, verwies darauf, dass das Programm seiner Universität nicht die erste Ehrung westlicher Universitäten für "ausländische Würdenträger mit zweifelhafter Einstellung zur Demokratie" sei. So habe zum Beispiel Mugabe u.a. 1983 am Morehouse College, 1984 an der Edinburgh University und 1998 an der California State Polytechnic University Ehrentitel verliehen bekommen. Die Georgetown University wiederum freute sich seinen Angaben zufolge 1977 über eine Spende von 750.000 Dollar - vom libyschen Staatschef Muhammad al Gaddafi, der das Geld für einen Lehrstuhl am Center for Contemporary Arab Studies spendete. Georgetown habe das Geld schließlich zurückgegeben.

Als Kollege Stiths an der Universität Boston plädierte Wood aber trotzdem dafür, dem Programm eine Chance zu geben. Allerdings sei schon eine "absichtliche Leichtgläubigkeit" nötig, um an den Erfolg zu glauben, räumte er ein. "Das ganze 'African President-in-Residence'-Programm der BU mag sich doch mehr als Show erweisen anstatt Wirkung zu zeigen. Dennoch scheint es eine Chance zu bieten, die es wert ist, ergriffen zu werden. Es wird das politische Leben Afrikas kaum schlechter machen, und vielleicht wird es sogar ein bisschen besser."

Das wirtschaftsliberale "Wall Street Journal" hingegen zeigt wenig Vertrauen in die Bostoner Universität und befürchtet, dass sich amerikanische Studenten und Dozenten vom Gedankengut der Diktatoren anstecken lassen.

"Es ist unklar, ob das Hauptziel des Programms ist, die ehemaligen Staatsoberhäupter auszubilden, oder von ihnen ausgebildet zu werden. Viele der Herrscher in der Region sind durchdrungen von einer rückwärtsgewandten Lehre vom "Wirtschaftsimperialismus", die auch immer noch unter manchen Akademikern populär ist."

Als Beispiel führt das Blatt ausgerechnet den demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas an: "Beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung diese Woche in Johannesburg sagte Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der Westen sei verantwortlich für ein System der 'globalen Apartheid'."

Die Befürchtungen des "Wall Street Journal" scheinen sich zu bestätigen. Bei einem Business Forum an der University of South Florida in Tampa City kritisierte Kenneth Kaunda Ende November, die weltweiten Handelsbedingungen würden Afrika benachteiligen. "Wenn Käufer und Investoren unsere Rohstoffe bekommen, verdienen sie damit Geld für sich selber und lassen Afrika fast nichts übrig. Protektionismus gegen uns ist weit verbreitet."