Eskalation an der Grenze: Nordkorea sprengt Straßenverbindungen zum Süden
Nordkorea sprengt Straßen entlang der Grenze. Südkoreas Militär reagiert mit Warnschüssen. Wächst das Risiko einer militärischen Eskalation?
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel nehmen zu: Nordkorea hat nach Angaben des südkoreanischen Militärs eigene Straßenabschnitte in Richtung Süden gesprengt. Die Aktion geschah offenbar am Dienstagnachmittag (Ortszeit), und wurde von den südkoreanischen Streitkräften in einer Mitteilung an die Medien bestätigt.
Sprengung mit Ankündigung
Die Sprengungen fanden an Straßenabschnitten nördlich der militärischen Demarkationslinie zwischen den beiden Ländern statt. Südlich der Demarkationslinie, die entlang des 38. Breitengrads verläuft, habe das südkoreanische Militär Warnschüsse abgegeben.
Bereits am Montag hatte Seoul über die Vorbereitungen für die Sprengungen berichtet, die von Nordkorea im Vorfeld angekündigt worden waren, um eventuelle Verwechslungen mit einem Artillerieangriff zu vermeiden.
Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium verurteilte die Sprengungen als Verstoß gegen ein innerkoreanisches Abkommen und bezeichnete sie als "sehr ungewöhnliche" Handlung.
Reaktion auf südkoreanische Drohnen
Hintergrund der Aktion ist ein Zwischenfall mit Drohnen. Nordkorea wirft dem Süden vor, im Laufe dieses Monats wiederholt regimefeindliches Propagandamaterial mittels Drohnen über der Hauptstadt Pjöngjang abgeworfen zu haben.
Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete, dass die Flugblätter mit "hetzerischen Gerüchten und Unsinn" gefüllt waren, während das Außenministerium erklärte, dass der Verstoß gegen den Luftraum von Pjöngjang "als militärischer Angriff angesehen werden könnte".
Der südkoreanische Verteidigungsminister bestritt zunächst die Behauptungen Pjöngjangs. Später erklärten die Stabschefs, dass sie "nicht bestätigen können, ob die nordkoreanischen Behauptungen wahr sind oder nicht".
Südkorea veröffentlicht Videomaterial
Südkorea hat inzwischen Videomaterial von den Sprengungen veröffentlicht. Darin ist zu sehen, wie nordkoreanische Soldaten offenbar Kameras auf Stativen aufstellen, bevor eine gewaltige Explosion Teile der westlichen Gyeongui-Verbindungsstraße in der Nähe der Grenzstadt Paju zerstört.
Weitere Aufnahmen zeigen Baggerarbeiten und nordkoreanische Soldaten in der Nähe der Sprengorte. Zudem wird die Zerstörung eines Abschnitts der Donghae-Straße an der Ostküste dokumentiert.
Die Sprengungen erfolgten einen Tag, nachdem Nordkoreas Anführer Kim Jong-un eine Sitzung mit seinen höchsten Militär- und Sicherheitsbeamten zum Thema Drohnen abgehalten hatte.
Dabei habe er die Drohnenflüge als "ernste Provokation des Feindes" bezeichnet und nicht näher spezifizierte Aufgaben im Zusammenhang mit "sofortigen militärischen Maßnahmen" und dem Einsatz seines "Kriegsabschreckungssystems" zur Verteidigung der Souveränität des Landes angeordnet, berichteten die nordkoreanischen Staatsmedien am Dienstagmorgen.
Nordkorea hatte zuvor Artillerie- und andere Armeeeinheiten in Bereitschaft versetzt, um im Falle weiterer südkoreanischer Drohnenangriffe Vergeltung zu üben.
Im Jahr 2020 sprengte Nordkorea bereits das leere Verbindungsbüro der beiden Koreas und signalisierte damit das Ende einer Entspannungsphase. Im November letzten Jahres kündigte Pjöngjang an, mehr Truppen und militärisches Gerät an die Grenze zu verlegen und sich nicht mehr an ein gemeinsames Militärabkommen von 2018 zu halten, nachdem Seoul als Reaktion auf den Start eines nordkoreanischen Militärsatelliten Teile des Abkommens ausgesetzt hatte.
Südkoreanische Regierungsvertreter berichteten, dass Nordkorea Anfang des Jahres begonnen habe, Panzersperren zu errichten und Minen entlang der Grenze zu verlegen.
Nordkoreas Kurswechsel
Obwohl die beiden Straßen bereits seit Längerem geschlossen sind, wird die Sprengung der symbolisch aufgeladenen Straßenverbindungen zwischen beiden Ländern von politischen Beobachtern als klares politisches Signal aus dem Norden gewertet, nicht mehr an politischen Verhandlungen mit Südkorea interessiert zu sein.
Nordkorea bezeichnete Südkorea Anfang des Jahres als "feindlichen Staat" – eine deutliche Wende im Verhältnis beider Länder, zwischen denen seit dem 27. Juli 1953 ein Waffenstillstand gilt. Seither strebten beide Koreas eine Wiedervereinigung an, was Nordkorea im Rahmen des Kurswechsels ebenfalls aufgegeben hat.
Sicherheitsexperten warnen, dass angesichts der angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel das Risiko für Missverständnisse und Fehlkalkulationen wächst, die im schlimmsten Fall zu militärischer Eskalation führen könnten.