Eskalation in Myanmar: So wütet der neue Kalte Krieg in Asien
USA, China und Russland beliefern beide Konfliktparteien. Noch ist der große Knall ausgeblieben. Doch die Vorbereitungen darauf sind offensichtlich.
Neben den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten gerät einer der brisantesten geopolitischen Konflikte aus dem Blickfeld: der Kampf um Myanmar. Erst vor wenigen Tagen äußerte sich das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte besorgt über die Eskalation der Gewalt im Norden des asiatischen Landes. Die Gründe für die Eskalation wurden nicht genannt: In Myanmar tobt ein Machtkampf zwischen den USA auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite.
Die Warnungen der UNO beziehen sich vorwiegend auf die Folgen für die Zivilbevölkerung. Vor allem die Zivilbevölkerung der Volksgruppe der Rohingya hat erneut Opfer zu beklagen.
UN-Sprecherin Ravina Shamdasani schilderte in Genf die dramatische Lage: Die Stadt Buthidaung sei niedergebrannt worden, es habe Luftangriffe gegeben und es lägen glaubwürdige Berichte über Schüsse auf fliehende unbewaffnete Dorfbewohner und sogar über Enthauptungen vor.
Für diese Gräueltaten wurden sowohl das myanmarische Militär als auch die aufständische Arakan-Armee verantwortlich gemacht, die als bewaffneter Flügel der für Autonomie von der Zentralregierung kämpfenden Rakhine bekannt ist.
USA gegen China und Russland in Myanmar
Der Konflikt in Myanmar, der inzwischen das ganze Land erfasst hat, hatte im Februar 2021 mit der gewaltsamen Machtübernahme durch das Militär begonnen.
Inzwischen zieht der Bürgerkrieg in Myanmar mehr internationale Aufmerksamkeit auf sich. Wird das Land zum Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen den USA und den Großmächten China und Russland? Öfter ist von einem Konflikt des "neuen Kalten Kriegs" die Rede. Darauf weisen Experten wie der in Thailand lebende Journalist Bertil Lintner hin: Die Entwicklungen in Myanmar könnten maßgeblich zu einer Verschiebung der globalen Machtverhältnisse beitragen.
Die USA unterstützen die nach dem Militärputsch gebildete Gegenregierung des National Unity Government (NUG) und deren bewaffnete Verbündete, die People's Defense Forces.
Demgegenüber agieren China und Russland, wenn auch nicht immer offen, eher auf der Seite der regierenden Junta des State Administration Council (SAC).
Chinas Interessen und ein Balanceakt
China, das erhebliche Investitionen in Myanmar getätigt hat, hat ein ausgeprägtes Interesse am Ausgang des Konflikts. Einerseits verkauft Peking Rüstungsgüter an die SAC. Beijing akzeptiert bislang aber auch, dass chinesische Waffen in die Hände einiger ethnischer Widerstandsarmeen gelangen.
Dieses Vorgehen, so Lintner, deute darauf hin, dass China zwar Einfluss nehmen, den Konflikt aber nicht zu einer Bedrohung für seine Investitionen eskalieren lassen wolle.
Die Rolle der USA
Die US-Regierung hat sich bisher darauf beschränkt, nicht-tödliche" Rüstungsgüter an die NUG zu liefern. Gleichzeitig haben die USA direkte Waffenlieferungen an die Rebellenallianz vermieden.
Doch die politische Nähe ist unverkennbar: Allein der Umstand, dass die NUG ein Büro in Washington unterhält, macht die diplomatische Unterstützung durch die Regierung von US-Präsident Joe Biden deutlich.
DIe befürchtete Eskalation zu einem Stellvertreterkrieg mit China ist bislang ausgeblieben. Beobachter führen dies darauf zurück, dass beispielsweise Angriffe auf chinesische Interessen im Land - wie Gaspipelines - bislang nicht stattgefunden haben.
Thailands Position
Eine Rolle spielt auch Thailand, das als Nachbarland wie China an Stabilität interessiert ist. Das Land ist auf das Gas aus Myanmar angewiesen und möchte keine Konflikte mit der Militärregierung riskieren.
Die USA drängen indes darauf, dass Thailand die Aktivitäten der NUG auf seinem Boden toleriert, insbesondere in der Grenzstadt Mae Sot. So sollen die Gegner der Junta von ausländischem Boden aus sicher operieren können.
Bislang ist nicht klar, inwieweit Thailand dem Druck aus den USA nachgibt, schreiben asiatische Medien.
Russlands Geschäftsinteressen
Während China strategische Interessen in Myanmar verfolgt, scheint Russland vor allem auf wirtschaftlichen Profit aus zu sein. Für die russische Rüstungsindustrie ist Myanmar zu einem lukrativen Markt geworden.
Russland hat Kampfflugzeuge, Hubschrauber und andere schwere Waffen an Myanmar verkauft und militärische Ausbildung angeboten. Zuletzt unterzeichnete der staatliche russische Atomkonzern Rosatom eine Absichtserklärung zum Bau eines kleinen Atomkraftwerks in Myanmar.
Internationale Reaktionen
Der Machtkampf in dem lange isolierten asiatischen Land hat an Schärfe zugenommen und könnte sich - auch wenn sich die beteiligten Parteien und ihre Unterstützer bislang zurückhalten - zu einem der nächsten großen geopolitischen Konflikte entwickeln.
Die Vereinigten Staaten erklären ihre Unterstützung für den "Kampf für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Gerechtigkeit" in Myanmar. Washington hat Sanktionen gegen Mitglieder des SAC und deren Geschäftsinteressen verhängt und Hilfspakete für Flüchtlinge in Thailand und Indien sowie technische Unterstützung für die NUG bereitgestellt.
Geopolitische Implikationen
Die Spannungen in Myanmar könnten Teil einer umfassenderen Strategie der USA sein, die Macht Chinas und Russlands in der Region einzudämmen. Ein neues US-Konsulat in Chiang Mai, Thailand, wird als Zeichen für ein langfristiges Engagement der USA in der Region gewertet und könnte die Präsenz der US-Geheimdienste verstärken.
Man könnte die aktuelle Situation so beschreiben: Die Konfliktparteien bereiten sich auf den großen Kampf vor, ihre ausländischen Unterstützer bauen die Strukturen dafür auf. Welche Auswirkungen das auf die Menschen im Land hat, zeigt die Ausstellung "When We See The Planes" des myanmarischen Künstlerkollektivs "A New Burma" in Bangkok.
Die Organisatoren gehören der Opposition an und machen auf die anhaltende und zunehmende Gewalt gegen Zivilisten durch Luftangriffe des Militärregimes in Myanmar aufmerksam. Die Ausstellung findet sieben Monate nach der sogenannten Operation 1027 statt: Am 27. Oktober vergangenen Jahres hatten die 15.000 Man starke Rebellenallianz eine Großoffensive gegen die Armee gestartet.
Federführend ist die Three Brotherhood Army, die Mitte 2019 als Zusammenschluss der Arakan-Armee, der Myanmar National Democratic Alliance Army und der Ta'ang National Liberation Army entstanden war.
Die Ausstellung in Bangkok solle das Bewusstsein für die Verstöße gegen das Völkerrecht schärfen, die Erfahrungen der betroffenen Zivilbevölkerung darstellen und der Getöteten gedenken. Das schreibt der Think Tank Nyan Linn Thit Analytica, der die Luftangriffe der Militärführung dokumentiert.
In den ersten vier Monaten des Jahres 2024 verzeichnete das Militärregime 819 Luftangriffe, das sind durchschnittlich sechs Angriffe pro Tag, bei denen 359 Zivilisten getötet und 756 weitere verletzt wurden.
Im Vergleich zur Gesamtzahl der dokumentierten Luftangriffe in den Vorjahren ist laut dieser Quelle ein dramatischer Anstieg zu verzeichnen: 85 Angriffe im Jahr 2021, 339 im Jahr 2022 und ein Anstieg auf 1.228 im Jahr 2023.
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Die Rebellen informieren über Radiosender über Sichtungen und Flugrichtungen verschiedener Flugzeuge der Luftwaffe und veröffentlichen Grafiken über die Standorte von Luftwaffenstützpunkten sowie die Flugzeiten verschiedener Flugzeuge zu ihren Zielgebieten.
Die Präzision der Luftangriffe hat sich seit dem Putsch von 2021 deutlich verbessert, wie der nächtliche Angriff auf ein Konzert in Hpakant im Oktober 2022, die Ermordung von mindestens 165 Zivilisten westlich von Mandalay im April 2023, der Angriff auf ein Lager für Binnenvertriebene in Kachin im Oktober 2023 und die Bombardierung der St. Peter Baptist Church in Sagaing im Januar dieses Jahres, bei der 17 Zivilisten getötet wurden, zeigen.
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