"Europa ist voll von Ausländern!"
Winter-Interview mit PARTEI-Chef Martin Sonneborn
Der Wiedereinzug der PARTEI in das künftige EU-Parlament gilt als gesichert: Demoskopen sehen Die PARTEI derzeit bei 2%. Zum traditionellen Winter-Interview steht der PARTEI-Chef selbstbewusst Rede und Antwort.
Altkanzler Schröder tadelte Ihre ordinäre Amtskollegin Andrea Nahles, die mit präsidentiellem Vokabular überfordert sei. Sind solch bourgeoisen Verhaltenskodici in der Epoche der Trump-Administration noch modern?
Martin Sonneborn: Auf jeden Fall! Selbst mir ist es peinlich, dass ich kürzlich vor der Bauern-, Pardon: Bayern-Wahl im Interview auf eine der zahlreichen Dummheiten Seehofers gesagt habe, die CSU solle jetzt endlich mal das Maul halten. Führungspersönlichkeiten sollte so etwas nicht unterlaufen. Obwohl... im Falle des Pillermanns Seehofer…
Im Oktober tritt die PARTEI bei den Landtagswahlen in Thüringen an. Werden Sie versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches und ökologisches Land wird?
Martin Sonneborn: Bodo Ramelow ist der einzige Ministerpräsident, der mich duzen darf. Und der erste, der in Thüringen die Pförtner morgens mit Handschlag begrüßt. Bis wir Thüringen übernehmen, ist es bei ihm in guten Händen!
Wie wird bei Ihnen auf dem europäischen Parkett in Brüssel die deutsche "Nazis raus"-Kampagne wahrgenommen? Gibt es aufnahmebereite Mitgliedsstaaten oder müssen die Nazis wieder nach Südamerika?
Martin Sonneborn: In Belgien habe ich nicht viel wahrgenommen von dieser Kampagne. Allerdings weiß ich aus erster Hand, dass sie noch nicht hundertprozentig erfolgreich war. Ich war gerade in Halle/Saale zum Kadertreffen der PARTEI, und da berichteten mir die Sachsen-Anhaltiner von anhaltender Bedrohung durch Idiotäre und plumpere Nazis. Aber keine Sorge, Nazis können ganz bequem mit der Bahn ausreisen diesmal, in Österreich werden sie sich wohl fühlen.
Neulich wurde im EU-Parlament über Transparenz abgestimmt, allerdings geheim. Gibt es im EU-Parlament möglicherweise Satirepolitiker?
Martin Sonneborn: Ja, die entscheidenden Köpfe sind nach wie vor Manfred Streber (CSU), der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, der sooo gerne Kommissionspräsident werden will, und ich. War übrigens ein sauberer Geschäftsordnungstrick, eine geheime Abstimmung zu fordern. Viele Abgeordnete haben noch nie eine mitgemacht, kannten so etwas gar nicht.
Leider ist das dann für die Union nach hinten losgegangen, die deutschen Wähler konnten zwar nicht sehen, dass CDU und CSU gegen Transparenz bei Treffen mit Lobbyisten gestimmt haben, aber Streber hatte halt auch keine wirkliche Kontrolle über das Abstimm-Verhalten seiner über 200 Fraktionskollegen. Er hatte insgesamt vier Stimmen zu viel gegen sich. Eine davon kam von mir.
Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD für die kommende Europawahl im Mai sind mit Katarina Barley und David McAllister zwei Halb-Briten. Werden Sie es dulden, dass die Tommys nach dem Brexit quasi durch die Hintertür ihren Einfluss im EU-Parlament wahren?
Martin Sonneborn: Die beiden sind Ausländer? Verdammt, McAllister hat sich mir zu Beginn des Mandats als "Niedersachse" vorgestellt. Ich werde die beiden im Auge behalten. Auf Katarina Barley freue ich mich, mit der Startnummer 1 hat sie als einzige in der SPD einen sicheren Listenplatz bei der kommenden EU-Wahl. Allerdings ist sie auch der einzige halbwegs zurechnungsfähige Kopf in der SPD-Führungsspitze, der wird in Deutschland fehlen.
Bei den Grünen sehe ich eher eine fundamentale Altersproblematik
Die Alt-Parteien schicken nach Europa bekanntlich nicht ihre Besten. Die Grünen haben allen Ernstes sogar Reinhard Bütikhofer wieder aufgestellt. Macht diese Umgebung von Versagern auf die Dauer nicht depressiv?
Martin Sonneborn: Sie spielen auf Oettingers Chinesen-Beschimpfungen an. Ich habe danach vorgeschlagen, ihn zum Kommissar für Schlitzaugenbeleidigung zu machen, konnte mich aber nicht durchsetzen, weil es mir nicht möglich war, Juncker in einem nüchternen Moment anzutreffen. Bei den Grünen sehe ich eher eine fundamentale Altersproblematik: Die jüngeren Grünen stimmen z.B. gegen Uploadfilter, die Alten wie Bütikofer, Rebecca Harms, Helga Rüpel zusammen mit der CDU dafür.
Obwohl Sie nur für einen Monat angetreten waren, haben Sie nun bald fünf Jahre in Brüssel bzw. Straßburg durchgehalten. Die sieben AfD-Abgeordneten, die mit Ihnen 2014 ins Europaparlament eingeritten waren, gibt es so nicht mehr. Waren diese Amateure noch nicht reif für ernsthafte parlamentarische Arbeit?
Martin Sonneborn: Viel bedenklicher scheint mir, dass die ausgetretenen Lucke, Henkel, Starbatty, Pretzell etc. noch die helleren und harmloseren Köpfe in der AfD waren. Für Beatrix von Strolch gilt das natürlich nicht! Jetzt sitzt vor mir nur noch Jörg Meuthen. Der dafür, dass er das EU-Parlament für sinnlos befindet, ziemlich verbissen um Redezeit kämpft.
Ihr Sparringspartner Elmar Brok wird in der kommenden Legislaturperiode definitiv fehlen. Wurden Brok und HaPe Kerkeling eigentlich schon einmal im gleichen Raum gesehen?
Martin Sonneborn: Hahaha, nein, aber jetzt weiß ich, wieso mir der Dicke gleich so vertraut vorkam.
Brok verlangte offenbar von seinen Besuchern im EU-Parlament jeweils 150 Euro. Gibt es im EU-Parlament eigentlich eine Kondompflicht?
Martin Sonneborn: Ups, das kann ich nicht beantworten. Fragen Sie mal Elmar Brocken, aber bringen Sie sich danach schnell in Sicherheit. Als mein Kollege William The Earl of Dartmouth letzte Woche im Plenum Spenden für ihn sammeln wollte, (damit Brockens Büro keine 150 € mehr von Parlaments-Besuchern einfordern muss), ging er gleich wieder in die Luft - wahrscheinlich weil der Earl selbst nur lumpige 5 Cent in den Hut werfen wollte.
Teurer als Brok ist vermutlich Silvio Berlusconi, der in Brüssel Ihr neuer Parlamentskollege werden möchte. Wird Berlusconi einen würdigen Nachfolger für Ihren ausgeschiedenen Freund Janusz Korwin-Mikke abgeben?
Martin Sonneborn: Ja, ich hoffe darauf. Allerdings weiß ich nicht, ob Berlusconi den Hitlergruß so gut beherrscht. Eine gut organisierte Bunga-Bunga-Party in der MEP-Bar würde mich drüber hinwegtrösten. Parlamentspräsident Tajani wird ein Auge zudrücken, er ist ein alter Freund von Berlusconi.
Wir glauben, dass unser Fürchtlingsproblem größer ist als das vielzitierte Flüchtlingsthema
Berlusconis Wahlkampfthema ist diesmal die chinesische Gefahr, die uns von den westlichen Werten entfernt. Vor welcher Bevölkerungsgruppe werden Sie im EU-Wahlkampf warnen?
Martin Sonneborn: Vor wem wohl: vor Ausländern natürlich. Europa ist voll von Ausländern! Außerdem polemisieren wir gegen Fürchtlinge in Deutschland. Wir glauben, dass unser Fürchtlingsproblem größer ist als das vielzitierte Flüchtlingsthema.
Wie verhält sich die geplante Europäische Armee zur Nato? Sollen die G27 den Iren im bald wieder aufflammenden Nordirland-Konflikt militärisch gegen den bisherigen Nato-Partner Großbritannien beistehen?
Martin Sonneborn: Die geplante EU-Armee wird die mit Abstand teuerste, modernste und schlagkräftigste Truppe der Welt sein. Aber möglicherweise entscheidet sich Großbritannien ja noch um. Ich habe vorsorglich ein Referendum beantragt in den übrigen 27 Staaten, ob wir die Briten überhaupt zurücknehmen wollen.
Neulich haben Sie die EU in Armenien repräsentiert und wurden persönlich von Ministerpräsident Nikol Paschinjan empfangen. Liegt Ihnen die Diplomatie?
Martin Sonneborn: Bei netten Kollegen immer. Paschinjan ist mir sehr ähnlich, ein freundlicher Quereinsteiger. Er war Journalist, dann Herausgeber, hat bei den Parlamentswahlen 1,3 Prozent erzielt. Führer einer außerparlamentarischen Opposition, drängte seinen Amtsvorgänger mit friedlichen Großdemonstrationen aus dem Amt. Wir haben tatsächlich überlegt, ob das auch für uns ein gangbarer Weg wäre. Nachdem uns jetzt aber die INSA-Umfrage vom 1. Februar in der Sonntagsfrage 2 Prozent ausgewiesen hat, setzen wir wieder verstärkt auf Wahlen.
Die Hochkultur USA ist zum Jahreswechsel aus der UNESCO ausgetreten, kündigte den INF-Vertrag und stellt auch ihre Nato-Mitgliedschaft infrage. Inzwischen serviert man im Weißen Haus sogar Hamburger. Gibt es Fortschritte bei Ihren Sondierungsgesprächen mit Pjöngjang?
Martin Sonneborn: Ich halte Nordkorea seit Trumps Amtsantritt für den kultivierteren, sympathischeren und berechenbareren Partner. Leider ist die geplante Pjöngjang-Reise meiner Delegation von Nordkorea abgesagt worden, wir hatten schon die Flugtickets, und beim zweiten Termin hatte ich keine Zeit. Es ist zur Zeit schwer für Kim Jung Un und mich, einen gemeinsamen Termin zu finden.
Sie gelten als der populärste deutsche EU-Parlamentarier. Letztes Jahr wurde Ihnen im Parlamentssaal sogar Helmut Kohl im Sarg zu Ihren Füßen getragen. Welche Unterwerfungsgesten planen Sie für Angela Merkel?
Martin Sonneborn: Keine. Die Alte darf in Ruhe ihre Rente genießen. Erstens habe ich sie schon gedemütigt, bei ihrem letzten Besuch in Straßburg. Und zweitens: Seitdem ich Fotzenfritz, Karrenbauer und Spahn kenne, ist mir Merkel fast sympathisch. ZwinkerSmiley!