Europäisches Rechtshilfeabkommen wird im März verabschiedet

Datenschutzregeln sollen integriert werden, Kompromiss mit Echelon-Staat Großbritannien

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Bereits am 27. März soll das Europäische Rechtshilfeabkommen in einer Sitzung des Rates für Justiz und Inneres verabschiedet werden. Der aktuelle Entwurf vom 3. Dezember 1999 zielt auf eine engere Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden. Der Einsatz modernster technischer Kommunikationsmittel spielt hierbei eine wesentliche Rolle.

Im Rechtshilfeabkommen wird unter anderem eine Rechtsgrundlage geschaffen, um eine gemeinsame Ermittlungsgruppe verschiedener Mitgliedsstaaten zu errichten und einzusetzen. Sie kann aus Mitgliedern nationaler Polizeibehörden, aber auch im Einzelfall aus Mitgliedern von Europol bestehen. Auch sollen Ermittler auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates künftig verdeckt ermitteln können (Artikel 14).

Wesentlich sind die neuen Bestimmungen zur Überwachung von Telekommunikationsverkehr zum Zwecke strafrechtlicher Ermittlungen. Geregelt ist die "Überwachung von Personen im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedsstaaten ohne deren technische Hilfe" im Artikel 18. Dieser wurde Mitte Februar vom Europäischen Parlament jedoch abgelehnt ( Europäisches Parlament stimmt gegen unkontrolliertes grenzüberschreitendes Abhören) Die endgültige Entscheidung trifft jedoch der Rat für Justiz und Inneres.

Kompromiss mit Echelon-Staat Großbritannien

Dieser fand nach langen Verhandlungen am 2. Dezember zu einer Kompromissformel. So war vor allem umstritten, wie weit die Informationspflichten bei der Telefonüberwachung durch die Nachrichtendienste Großbritanniens reichen. Hintergrund ist, dass dort die Geheimdienste aufgrund einer besonderen Kompetenzzuweisung Abhörmaßnahmen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen durchführen können. Eine klare Trennung zwischen Abhörmaßnahmen von Strafverfolgungsbehörden einerseits und britischen Diensten andererseits findet nicht statt.

Um das Problem zu lösen, wurden präventive und repressive Abhörmaßnahmen voneinander abgegrenzt. Präventive Abhörmaßnahmen werden grundsätzlich von Geheimdiensten durchgeführt, repressive durch die Strafverfolgungsbehörden. Zudem wurde in der endgültigen Fassung bestimmt, dass Artikel 18 für ministerielle Überwachungsanordnungen gilt, die in Großbritannien an den Polizeidienst oder die Zoll- und Steuerbehörden gerichtet sind. Er gilt aber auch für den Geheimdienst, wenn dieser die Strafverfolgungsbehörden bei einer Ermittlung unterstützen.

Kein Grundrechts-Dumping

Führen andere Mitgliedsstaaten eine Überwachungsmaßnahme durch, die nicht nur im Widerspruch zu Grundsätzen der Rechtsordnung des abgehörten Mitgliedsstaates steht, sondern auch nach nationalem Recht unzulässig wäre, kann widersprochen werden. Auf diese Weise kann nicht ein höheres Rechtsniveau durch ein niedrigeres im anderen Mitgliedsstaat unterlaufen werden.

Kein Überwachungsautomatismus

Wird ein Mitgliedsstaat von einer Überwachungsmaßnahme unterrichtet, schweigt jedoch, muss nach Ablauf von 96 Stunden die Überwachung und die Verwendung des Materials untersagt werden. Dagegen protestierten die italienische, belgische, niederländische und dänische Delegation sowie die Kommission, da sie befürchten, dass eine effiziente Strafverfolgung dadurch behindert werden würde. Aufgrund der "mutmaßlich verschwindend geringen Anzahl auftretender Fälle" hielt die deutsche Delegation jedoch eine solche Regelung für vertretbar. Dennoch wurde hierzu keine endgültige Einigung gefunden.

Datenschutz

Auf der Sitzung am 2. Dezember sprach sich der Rat auf Druck Deutschlands erstmals verbindlich und einvernehmlich für die Aufnahme einer Datenschutzbestimmung in das Übereinkommen aus. Nach Auffassung der Deutschen werden sensitive Daten verarbeitet und übermittelt. Aus diesem Grund seien Datenschutzbestimmungen "unverzichtbar". Bis zum 27. März soll sie erarbeitet sein.

Fernsteuerung

Noch keine endgültige Lösung konnte der Rat bei der sogenannten "Fernsteuerung" erzielen. Dabei geht es darum, dass Telekommunikationsanschlüsse auf eigenem Hoheitsgebiet unter Einschaltung nationaler Diensteanbieter per Fernsteuerung der in einem anderen Mitgliedsstaat liegenden Bodenstation überwacht werden sollen. Hierbei geht es um die Überwachungsmöglichkeiten von Satellitentelefonie.

Um einen solchen Fernzugriff durchführen zu können, müssen die nationalen Telekommunikationsbetreiber generell zur Durchführung nationaler Überwachungsanordnungen verpflichtet werden. Sie müssen eine Schnittstelle vorhalten, die den direkten Zugriff der Strafverfolger ermöglicht. Bei einem Fernzugriff auf die Bodenstation in einem anderen Staat ist jedoch nicht nur eine technische Schnittstelle, sondern auch die Zustimmung des Staates nötig.

Zur Zeit befindet sich die einzige Bodenstation des Satellitensystems Iridium in Italien. Der italienische Staat wollte jedoch den Fernzugriff nur dann zulassen, wenn die Grundsätze der italienischen Verfassung durch den Zugriff anderer Staaten nicht verletzt werden würden. Dies lehnten jedoch die anderen Mitgliedsstaaten ab.

In einem Kompromiss vom November 1999 wird Italien dazu verpflichtet, alle innerstaatlichen gesetzlichen Vorschriften zu beseitigen, die einen Fernzugriff behindern würden. Nicht damit verbunden ist jedoch ein garantierter Fernzugriff.

Keine Kostenfrage?

Generell werden die Telekommunikationsbetreiber nur durch nationales Recht dazu verpflichtet, Überwachungen zu ermöglichen. So regelt das Rechtshilfeabkommen allein die Beziehungen der Mitgliedsstaaten untereinander, nicht jedoch deren Beziehungen zu Betreibern von Telekommunikationsanlagen. Daher wird auch hier nicht geregelt, wer die Kosten für die Überwachungen tragen soll, da dies eine nationale Angelegenheit ist.

Generell erwarten die Beamten Einsparungen aufgrund der vereinfachten Geschäftswege - trotz einem quantitativ erhöhten Rechtshilfeverkehr. Entstehen Kosten durch die Überwachung von Telekommunikation oder die Vernehmung von Videokonferenzen, trägt dies der ersuchende Mitgliedsstaat. Bislang galt der Grundsatz, dass für die Kosten der ersuchte Staat aufkommen müsse.

Am 27. März soll im Rat das Rechtshilfeabkommen verabschiedet werden. Noch besteht jedoch ein parlamentarischer Vorbehalt der Bundesregierung zur Frage der Telekommunikationsüberwachungen. Hierzu trifft sich der Bundestags-Rechtsausschuss am 23. März. Eine Stellungnahme des Bundesrates ist bislang noch nicht erfolgt.