Europas Handball-Elite unter sich: Die einsame Spitze der WM 2025

Luca Schäfer
Ein Ball und ein Tor wie für Handball

(Bild: sportoakimirka/Shutterstock.com)

Die Handball-WM hat begonnen. Warum Underdogs kaum Chancen haben und was das Turnier mit Eurozentrismus zu tun hat. Eine Bestandsaufnahme.

Zweieinhalb Wochen "eine Handvoll Wahnsinn" stehen an. Mit diesen markigen Worten des deutschen Weltmeisters, Weltklasse-Linksaußen und TV-Handballexperten Dominik Klein überschrieb der NDR eine TV-Dokumentation über die Handball-EM 2024 in Deutschland. Der Wahnsinn geht in die nächste Runde.

Die Handballerinnen und Handballer sind es gewohnt, viel zu spielen, Muskelkater zu haben und sich zu überanstrengen.

Nach der Europameisterschaft ist vor der Weltmeisterschaft, irgendwo dazwischen wird noch um olympische Medaillen gekämpft. In diesem Jahr findet die Handball-Weltmeisterschaft der Männer vom 14. Januar bis 2. Februar erstmals mit drei Gastgebernationen statt.

Mit den Handballgrößen Kroatien, Dänemark und Norwegen konnten drei handballbegeisterte Nationen gewonnen werden. Wermutstropfen: allesamt Europäer, allesamt der Konkurrenz weit enteilt. 32 Nationalmannschaften nehmen teil, 108 Spiele werden gespielt im sieben gegen sieben über 60 Minuten, Ziel ist Oslo.

Die norwegische Hauptstadt ist Austragungsort des Finales. Und damit auch der Sehnsuchtsort der Recken um Bundestrainer Alfred Gislason.

Für die Handballfans gibt es zwei große Probleme: Zum einen werden viele Spiele nur kostenpflichtig über den Webanbieter Sportdeutschland angeboten (der Turnierpass kostet schlappe 15 Euro), zum anderen verspricht und versprach insbesondere die Gruppenphase wenig spannungsgeladene Duelle.

Zu weit ist das Niveau der europäischen Elite entfernt: Dänemark zerlegte das völlig überforderte nordafrikanische Team aus Algerien exemplarisch mit 47:22.

Ergebnisse, die an die Kreisklasse in der Bezirkssporthalle nebenan erinnern, bei Welt- und Europameisterschaften aber zum Alltag gehören. Nur Brasilien und Ägypten scheinen außereuropäisch auf Weltniveau mithalten zu können.

Deutsche Stärken und Schwächen

Der Turniermodus bei den Handball-Wettbewerben bietet einige Besonderheiten. Nach einer Gruppenphase mit drei Spielen treffen die qualifizierten Teams in einer Art Zwischenrunde auf Mannschaften aus anderen Gruppen.

Wer die meisten Punkte holt (Sieg zwei Punkte, Unentschieden ein Punkt), ist für das Viertel- und Halbfinale qualifiziert. Nach der Haupt- und Zwischenrunde wird im KO-System bis zum Siebenmeterwerfen gespielt.

Auffälligste Besonderheit: Jede Mannschaft nimmt die Punkte mit in die Hauptrunde, die sie gegen die Mannschaften erzielt, die sich aus der gleichen Gruppe für die Zwischenrunde qualifiziert haben.

Mit drei Siegen aus drei Gruppenspielen marschiert das deutsche Team um Kapitän und Shootingstar Juri Knorr in die Hauptrunde. Schon vor dem letzten Spiel gegen Tschechien stand fest, dass man mit der Hauptrunde planen kann.

In der Hauptrunde warten neben Topfavorit Dänemark mit Italien und Tunesien zwei lösbare Aufgaben auf die deutsche Auswahl. Insgesamt stehen die Chancen gut, das Viertelfinale zu erreichen.

Doch der schöne Schein darf nicht über einige Probleme hinwegtäuschen: Wie ARD-Reporter Christian Hornung aus dem dänischen Herning analysiert, klemmt es im deutschen Positionsspiel an einigen Stellschrauben. An sich einfach zu erzielende Sieben-Meter-Tore wurden reihenweise vergeben, erst Turnierprimus Renars Uscins konnte Abhilfe schaffen.

Was das deutsche Spiel in den vergangenen Turnieren ausgezeichnet hatte, druckvolle Anspiele an den überragend besetzten Kreis (Kohlbacher, Pekeler, Goller), fand kaum statt.

Hinzu kamen vermeidbare technische Fehler und vergebene freie Würfe, die gegen Dänemark spielentscheidend sein könnten. Insgesamt mutierte das DHB-Team zu einer Mannschaft der zweiten Halbzeit. In der ersten Halbzeit schmeichelte man sich gegen Tschechien zu einem 11:11, gegen die Schweiz zu einem 14:15 und gegen Polen zu einem 15:14.

Grund zur Hoffnung: Der sehr gut aufgelegte Rückraum, Köster, Uscins und Knorr haben ihr Zielwasser getrunken, die Torhüterleistungen sowie die Breite des deutschen Kaders lassen träumen. Mit Gislason steht ein Handballstratege erster Güte an der Seitenlinie, der mit allen isländischen Wassern gewaschen ist. Der Weg kann noch weit sein.

Abgehobene Gesellschaft

Im ersten Spiel der Hauptrunde trifft Deutschland auf den haushohen Favoriten. Mit Gastgeber Dänemark wartet ein echter Härtetest und eine offene Rechnung. Beim olympischen Finale in Lille setzte es im Endspiel eine 26:39-Klatsche für die DHB-Herren.

Wie die FAZ berichtet, dachten die Dänen nach einer 21:12-Pausenführung nicht daran, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Mit den Ausnahmespielern Gidsel, Jakobsen und Nielsen steht der deutschen Abwehr eine echte Reifeprüfung bevor.

Neben Titelverteidiger Dänemark gehören Deutschland, Frankreich, Kroatien und Schweden zum Favoritenkreis. Frankreich zählt als Europameister und in der Nach-Karabatic-Ära zum engsten Kreis.

Aus diesem haben sich die gastgebenden Kroaten mit einer Niederlage und dem verletzungsbedingten Ausfall von Spielmacher Duvnjak fast verabschiedet. Norwegen enttäuschte bisher mit seinen Leistungen (Niederlage gegen Außenseiter Portugal), Schweden hielt sich bisher schadlos, gilt aber aufgrund seines Kaders eher als Überraschungskandidat.

Stark spielen Ägypten und Brasilien, denen ein überraschendes Weiterkommen zuzutrauen ist.

Breitensport Handball? Von Wahnsinn und Eurozentrismus

Ein großes Manko ist die fehlende Breite und ein kleines, seit Jahren einsames Leistungshoch. Die taz legt den Finger in die Wunde: Wer braucht ein Turnier, wenn der Sieger in einem Kreis von 4 Nationen von vornherein feststeht? Einfache Antwort: Wenn der Handball-Weltverband Ihf den Status als olympische Sportart nicht gefährden will, muss es internationale Turniere geben.

Zudem argumentiert der Weltverband mit sportpolitischer Entwicklungshilfe. Dumm nur, wenn die Empfänger dieser Hilfe alle zwei Jahre regelrecht vorgeführt werden.

Im Handball schmeichelt der Eurozentrismus noch, für WM-Debütant Guinea ist die Qualifikation ein Erfolg, für den Dhb ist das Viertelfinale eine Niederlage. Nebensache Austragungsort: Seit Jahrzehnten finden die Turniere nur in Westeuropa statt, einzige Ausnahme Ägypten 2021. Insgesamt wurde erst fünf Mal eine Weltmeisterschaft außerhalb Europas ausgetragen.

In anderen Ländern fehlt es an Infrastruktur und dem nötigen Kleingeld – eine WM auf den Kapverden, in Kuba oder Guinea wäre ein Fiasko.

Insgesamt listet die Handball-Weltrangliste nur 112 Nationen auf. Wie die SZ feststellt, trauen sich immer weniger Nationalverbände die Ausrichtung zu: zu hohe Kosten, zu hoher Organisationsaufwand, zu geringe Hallenkapazitäten und zu geringe Gewinne schrecken ab.

Daher der Mechanismus, dass sich bis zu 3 Länder zusammentun. Ein ökologischer und verkehrstechnischer Irrsinn, wenn Mannschaften zwischen Kroatien und Dänemark hin- und herpendeln (hier alle Spielorte).

Insgesamt muss man feststellen, dass der internationale Handball noch nicht zu einer Gelddruckmaschine wie der Fußball mutiert ist. Im Vergleich dazu wirken die Siegprämien mit maximal 100.000 US-Dollar für das Siegerteam geradezu lächerlich.

Zudem lassen sich mit den Turnieren kaum hohe Werbe- oder Marketingeinnahmen generieren, als Beispiel: In Deutschland werden nur die deutschen Spiele im Fernsehen übertragen. Der Dhb nahm bei der letzten Ausrichtung "nur" über eine Million Euro ein.

Kuba und die USA – ungleiches Schicksal

Auf den ersten Blick verbindet die beiden geopolitischen Feinde auch auf sportpolitischem Terrain allenfalls die Leidenschaft für Baseball. Doch weit gefehlt: Im Handball teilen Kuba und die USA das gleiche Schicksal. Das des Underdogs im großen Turnier.

Sowohl die USA als auch Kuba sind Handball-Entwicklungsländer. Kuba konnte sich zuletzt 2009 für eine Endrunde qualifizieren, scheiterte aber mit dem neunten Platz. Die USA stehen in der Weltrangliste auf Platz 46 - Kuba auf Platz 31.

Es klingt unglaublich, was Sport 1 berichtet: Das ärmste Team der Handball-WM, zwei Mitglieder des US-Teams mussten sogar für ihre Anreise, Unterkunft und Verpflegung vor Ort selbst aufkommen. 370 Euro pro Tag waren dem US-Imperium zu viel, schon vor Jahren waren die Fördergelder für die in den USA wenig populäre Sportart massiv gekürzt worden. Aus Geldmangel bestritt die US-Auswahl kein einziges Vorbereitungsspiel...

Während es dem kubanischen Team nicht an politischer Unterstützung mangelt, fehlen – dank der US-Blockade – entscheidende finanzielle Mittel. Man ist also, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, eine handballerische Schicksalsgemeinschaft. Kuba und die USA verloren jeweils 2 bzw. alle 3 Spiele.

Randnotiz: Was man sonst nur aus dem Fußball kennt, hält auch im Handball Einzug. Randalierende Fans. Nordmazedonische Fans bespuckten und bewarfen die Spieler der Niederlande im Gruppenspiel massiv. Die Folge: eine Geldstrafe und die Androhung eines Geisterspiels beim nächsten Vergehen.