Eurovision Song Contest: Wird Deutschland gedisst?

Seite 2: Das große dramaturgische Problem

In jedem Fall hat dieser Trend, der schon seit Jahren zu beobachten ist, dazu geführt, dass der ESC ein dramaturgisches Problem hat.

Bis vor einigen Jahren wurden die Ergebnisse von Zuschauern und Juries pro Land zusammengerechnet, in die magischen zwölf Punkte verwandelt und dann von den jeweiligen Punktesprechern verkündet. Irgendwann funktionierte das nicht mehr: Die Punkteballung führte dazu, dass der Gewinner schon vor dem Ende der Punktevergabe feststand.

Doch anstatt Mehrfachstimmen und Juries abzuschaffen, entschloss sich die EBU dazu, Spannung zu erzeugen, indem man das Voting möglichst undurchschaubar macht.

Zuerst verkünden die Punktesprecher in der zeremoniellen Serienschalte nur die Jurypunkte und danach werden dann vom letztplatzierten Land an aufwärts die Zuschauerergebnisse verkündet.

Das hat was von "Zuschauer vs Juries" und ist auch durchaus spannend - so lange es substanzielle Unterschiede zwischen beiden Ergebnissen gibt. Es erzeugt aber auch Frust: Weil Jury-Mitglieder in dreistelliger Zahl Millionen Menschen überstimmen dürfen. Und weil man nun auch sehr deutlich sieht, wie deutlich dieser Effekt ist: Finnland bekam bei den Zuschauern 16 mal 12 Punkte; Schweden ging mit 6 mal 10 Punkten vom Platz und erhielt sonst Punkte im Mittelfeld. Gewonnen hat man trotzdem.

Gleichzeitig ist der Unmut über schlechte Ergebnisse und vor allem über das wirre Abstimmungsverfahren nicht nur in Deutschland groß. Und "Germany" hat immerhin den Vorteil, immer direkt fürs Finale gesetzt zu sein.

In Ländern wie Andorra winken die Senderchefs regelmäßig ab, wenn sich wieder mal eine Initiative für eine Teilnahme bildet: Man könne eh keinen Blumentopf gewinnen, jemals über das Semi-Finale hinaus kommen.

Und dann ist die Kosten-Nutzen-Rechnung dort im Vergleich zu Deutschland genau umgekehrt: Die Teilnahmegebühren sind für kleine, ärmere Länder überproportional hoch und auch die Reisekosten für die Teilnahme in teuren Städten wie Liverpool würden heftig zu Buche schlagen. Eine ganze Reihe von Ländern hat sich nun auch aus dem ESC zurückgezogen; von einst über 40 Staaten ist das Teilnehmerfeld auf 37 in diesem Jahr geschrumpft.