Evolutionärer Betrug: Wie Ihr Körper Sie dick hält
Abzunehmen ist schwer, selbst mit viel Sport. Neue Studien zeigen: Unser Körper wehrt sich aktiv gegen Gewichtsverlust. Warum er uns dick halten will.
Viele Menschen empfinden es als extrem schwierig, abzunehmen, selbst wenn sie viel Sport treiben. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun, warum das so ist: Unser Körper arbeitet auf verschiedenen Ebenen gegen die Gewichtsabnahme an.
Der menschliche Körper ist auch eine biologische Maschine. Deshalb gilt grundsätzlich: Je anstrengender eine Bewegung, desto mehr Kalorien werden verbrannt. Laut Schätzungen der University of Colorado Denver verbrennt man bei einer Stunde Gehen etwa 260 Kilokalorien (kcal), bei moderatem Schwimmen 430 kcal, Radfahren 600 kcal und Laufen 700 kcal.
Pro Kilogramm Fettgewebe entspricht das einem Kaloriengehalt von ca. 7000 kcal. Um abzunehmen, müsste man also mehr Kalorien verbrennen, als man zu sich nimmt, damit Fett wieder in Energie umgewandelt wird. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Bewegung führt nicht unbedingt zu Gewichtsverlust
Forschungen zeigen aber, dass dieser Zusammenhang nicht so einfach ist. Wissenschaftler verglichen dafür Menschen in Industrieländern, die viel sitzen, mit Jägern und Sammlern wie den Hadza in Tansania, die sich sehr viel bewegen.
Die Hadza laufen jeden Tag im Schnitt neun Kilometer, mehr als viele Büroangestellte in einer Woche. Überraschenderweise verbrennen sie aber trotzdem etwa gleich wenige Kalorien wie Menschen in Industrieländern: Frauen ca. 1900 kcal, Männer ca. 2600 kcal. Das liegt nicht an den Genen, denn bei anderen Jäger-Sammler-Gemeinschaften fanden sich ähnliche Werte.
Auch innerhalb von Ländern zeigte sich: Aktive Menschen, die regelmäßig trainieren, verbrennen nur wenig mehr als Inaktive, oft nur 100 kcal extra. Zum Vergleich: Ein Apfel hat 95 kcal. Der Gesamtenergieverbrauch scheint langfristig relativ unabhängig vom Lebensstil zu sein.
Der Körper budgetiert Energie
Pro Kilo Muskelmasse hat der Körper ganz offensichtlich ein recht fixes "Kalorien-Budget", das er täglich verbrennen will. Das gilt offensichtlich auch für Säugetiere, wie Vergleiche zwischen gefangenen und wild lebenden Säugern zeigen.
Der Grund dafür ist, dass der Körper offenbar pro Kilogramm Muskelgewicht ein relativ festes "Kalorien-Budget" anstrebt, das er pro Tag verbrennen möchte. Man kann dies zwar kurzfristig überwinden, indem man von einem Tag auf den anderen mit Sport anfängt, ohne mehr zu essen. Der Körper verbrennt dann tatsächlich mehr und baut Fett ab. Dieser Effekt ist aber meist nicht von Dauer.
Der Stoffwechsel passt sich an
Nach einigen Wochen oder Monaten passt sich der Stoffwechsel an und reduziert den Kalorienverbrauch so lange, bis das ursprüngliche Budget wieder erreicht ist. Aus evolutionärer Sicht hat das Modell des eingeschränkten Gesamtenergieaufwands den Vorteil, dass so das Überleben in Zeiten von Knappheit oder Krankheit gefördert und der Fortpflanzung Vorrang eingeräumt wird.
Würde in schwierigen Zeiten jede Bewegung, um sich zu ernähren, um länger zu laufen, um Beute zu finden, um länger nach Knollen und Wurzeln zu graben, zusätzliche Energie verbrauchen, käme der Hungertod deutlich schneller. Was evolutionär Sinn macht, wird in der modernen Zivilisation zur Falle: Viele Menschen stoßen auf ein Gewichtsplateau.
Nur mit sehr viel Disziplin kann man den Effekt etwas hinauszögern und die Körperzusammensetzung leicht verändern. Für die meisten ist das aber sehr schwierig durchzuhalten, wenn sie nicht ohnehin Freude an der Bewegung haben.
Zusätzliche Muskelmasse verbrennt weniger Kalorien als angenommen
Auch der Einfluss der Muskelmasse auf den Energieverbrauch wird oft überschätzt. Pro Kilogramm verbrennen Muskeln selbst in Ruhe zwar dreimal mehr Kalorien als Fett. Absolut gesehen macht eine höhere Muskelmasse aber nur einen relativ geringen Unterschied für den gesamten Kalorienverbrauch. Gewebe wie Gehirn, Haut oder Darm benötigen deutlich mehr Energie.
Muskeln sind enorm wichtig für Gesundheit, Langlebigkeit und Leistungsfähigkeit ‒ für den Gewichtsverlust spielen sie aber eine untergeordnete Rolle. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie etwa Profisportler. Ein Radfahrer kann auf der Tour de France bis zu 8000 kcal am Tag verbrennen.
Für die meisten Menschen ist mehr Bewegung zwar sehr gesund, aber kein Wundermittel zum Abnehmen. Der Körper ist darauf programmiert, sein Gewicht hartnäckig zu verteidigen. Wer dauerhaft schlanker werden will, muss vor allem seine Ernährung umstellen und sich gesünder ernähren.
Fettgewebe behindert Fettabbau
Zu allem Überfluss stellte sich in einer Studie der University of Cambridge heraus, dass Fettgewebe aktiv versucht, zu verhindern, dass Fett abgebaut wird.
Fettzellen produzieren spezielle Proteine, die andere Fettzellen davon abhalten, Fett zu verbrennen. Diese Entdeckung könnte einen weiteren Anhaltspunkt liefern, warum übergewichtige Menschen es unglaublich schwer finden, abzunehmen. Das bereits gespeicherte Fett kämpft auf molekularer Ebene aktiv gegen die Anstrengungen, es wieder loszuwerden.