"Ewige Freundschaft"
Die Bush-Regierung versucht, die enge Bindung zwischen Saudi-Arabien und den USA zu schützen
Auch nach dem Bericht des US-Kongresses, dessen geschwärzte Seiten vermutlich Saudi-Arabien beschuldigen, in die Anschläge des 11. September verwickelt zu sein, steht die US-Regierung fest zu ihren saudischen Verbündeten und versucht, allen politischen Konflikten auszuweichen.
Für Saudi-Arabien ist der Fall klar. "28 geschwärzte Seiten von einem 900-Seiten-Bericht werden von einigen genutzt, um unser Land und unsere Menschen schlecht zu machen. Gerüchte, Unterstellungen und Unwahrheiten sind, wenn es um das Königreich geht, an der Tagesordnung", klagte der saudische Botschafter in Washington, Prinz Bandar bin Sultan. Und doch kann Saudi-Arabien den Bericht nicht einfach links liegen lassen. Mit dem Kongressbericht hat die Auseinandersetzung im amerikanischen Establishment, ob Saudi-Arabien ein guter Verbündeter bleibt oder degradiert werden sollte, womöglich zum Mitglied der "Achse des Bösen", endgültig den Kongress erreicht.
Dort haben sich offenbar diejenigen durchgesetzt, die Saudi-Arabien kritisch sehen. Zwar ist es nach wie vor Gegenstand zahlreicher Spekulationen, was in den von der Bush-Regierung geschwärzten Seiten steht. Aber es gibt einige Anhaltspunkte: Die "New York Times" berichtete am 26. Juli, in dem Bericht werde Saudi-Arabien und seiner herrschenden Elite vorgeworfen, durch ihre Finanzierung von islamischen Wohltätigkeitsorganisationen zur Finanzierung der Anschläge zum 11. September beigetragen zu haben.
Ob allerdings in dem Bericht Beweise genannt werden, dass die saudische Regierung von dieser Form der Terroristenfinanzierung gewusst hat, ist umstritten. Von der "New York Times" nicht namentlich Zitierte zweifeln das an, während Bob Graham, demokratischer Senator aus Florida, sagte: "In meiner Beurteilung gibt es zwingende Beweise, dass eine ausländische Regierung durch Offizielle und Agenten der Regierung einige der Entführer vom 11. September unterstützt hat."
Doch die zweite Runde in der aktuellen Auseinandersetzung ging eindeutig an die Saudis. Auf Anfrage Saudi-Arabiens fand am 29. Juli ein Treffen von Mitgliedern beider Regierungen statt. Anwesend waren bei dem 40-Minuten-Gespräch in Washington auf saudischer Seite Außenminister Prinz Saud Al-Faisal und auf amerikanischer Seite Präsident Bush, Vize-Präsident Dick Cheney sowie Außenminister Colin Powell. Im Anschluss daran traf der saudische Außenminister noch mit Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zusammen, wenn auch nur privat, wie es offiziell hieß.
Saudi-Arabien genießt also direkten Zugang zu den höchsten Spitzen der US-Regierung, was keineswegs selbstverständlich ist: Viele Lobby-Gruppen träumen nur von solchen Möglichkeiten, und auch deutsche Regierungspolitiker wurden in letzter Zeit nicht so weit vor gelassen.
Und so konnte auch das Ergebnis nicht überraschen: Erneut bekam die saudische Regierung von Bush die Bestätigung, dass Saudi-Arabien ein Verbündeter gegen den Terrorismus ist - also ein Teil der Lösung, nicht des Problems. Damit hält Bush, was er dem saudischen Kronprinz Abdullah im August 2002 telefonisch versprochen hatte, bevor er den saudischen Botschafters auf seiner Ranch in Texas empfing: "ewige Freundschaft". Kronprinz Abdullah war selbst wenige Monate zuvor, am 25. April, Gast auf der Präsidentenranch gewesen - eine Ehre, die nicht jedem Staatsgast zuteil wird.
Trotzdem gab es beim US-saudischen Gipfeltreffen am 29. Juli einige kritische Fragen zu klären. Prinz Saud teilte nachher mit, dass Saudi-Arabien den US-Behörden FBI oder CIA erlaube, den Saudi Omar al-Bayoumi in Riad direkt zu befragen. Die US-Regierung habe aber nicht verlangt, al-Bayoumi auszuliefern, wie Kongressabgeordnete gefordert hatten. Der Kongress hatte ihn beschuldigt, als Agent zweien späteren Flugzeugentführern geholfen zu haben, und Saudi-Arabien vorgeworfen, unkooperativ zu sein. Saudi-Arabien bestreitet dagegen, dass der Mann ein überhaupt saudischer Agent ist.
Tatsächlich ist es leicht für die saudische Regierung, die Anschuldigungen des Kongresses pauschal als falsch zurückzuweisen, mit großem Getöse die Veröffentlichung der geheimen Seiten zu fordern und sich als Aufklärerin zu inszenieren, solange der genaue Inhalt des Berichtes der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Interessant ist allerdings der Teil der Stellungnahme von Botschafter Bandar bin Sultan, in dem er erklärt, Saudi-Arabien habe seine Wohltätigkeitsorganisationen überprüft und strikte finanzielle Kontrollen eingeführt, "um sicherzustellen, dass Übeltäter aus der Großzügigkeit unserer Bürger keinen Vorteil ziehen können". Wohlgemerkt: Erst nach dem 11. September wurden diese Kontrollen eingeführt, womit die saudische Regierung genau gelesen einräumt, dass diese Kontrollen vor dem 11. September nicht existierten und somit auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch Al-Qaida-Mitglieder auf die eine oder andere Weise von islamischer Wohlfahrt profitiert haben.
Vielleicht kommt aber doch noch ans Tageslicht, was in den ominösen 28 Seiten versteckt ist. Senator Graham ist sich jedenfalls sicher, dass eine ausländische Regierung hinter den Angriffen steckt, die von der Bush-Regierung geschützt werde. Er wirft der Regierung vor, die Verfehlungen der Geheimdienste zu vertuschen und die Öffentlichkeit über die Rolle anderer Staaten im Unklaren zu lassen. Seiner Meinung nach könnten die 28 Seiten durchaus veröffentlicht werden, ohne dass die Arbeit der US-Geheimdienste beschädigt wird. Jetzt will er im Senat dafür werben, die geschwärzten Informationen doch noch freizugeben - notfalls gegen den Willen der Administration.
Diese leugnet jedoch jedes politische Motiv und zieht sich auf technische Begründungen zurück. Eine Veröffentlichung würde "dem Feind helfen" und den Krieg gegen den Terror gefährden, sagte Bush. Präsidenten-Sprecher Scott McClellan trieb das Argument auf die Spitze und antwortete auf die Frage, ob Graham Recht habe, dass die Informationen aus politischen Gründen zurückgehalten werden, um die saudische Regierung nicht in eine peinliche Lage zu bringen, den bemerkenswerten Satz: "Ich denke nicht, dass die nationale Sicherheit Amerikas irgendetwas mit Politik zu tun hat."