"Exchange SoundExchange"

Neue Webcasting-Lizenzstelle der RIAA in der Kritik

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Amerikanische Webcasting-Anbieter haben seit dieser Woche einen neuen Verhandlungspartner für Lizenzfragen: SoundExchange, gegründet von der Recording Industry Assotiation of America. Kritiker sorgen sich um die Unabhängigkeit der Institution.

Webcasting-Anbieter wie Live365.com oder Spinner.com sehen sich immer noch einer Fülle von ungeklärten Rechtsfragen gegenüber. In den USA sollte der 1998 verabschiedete Digital Millennium Copyright Act (DMCA)eigentlich den rechtlichen Rahmen für solche Webcasting-Angebote setzen. Doch das Gesetz blieb an vielen Stellen bewusst vage. Geklärt wurde zwar, für welche verschiedenen Angebote welche Formen von Lizenzen zu zahlen sind. Wie hoch diese sein sollen und wer sie kassieren soll, wurde jedoch offen gelassen. (siehe auch Anhörung über die Zukunft des Digital Millennium Copyright Act)

In beiden Fragen möchte nun die RIAA mit der von ihr gegründeten Tochter SoundExchange ein Wörtchen mitreden. SoundExchange vertritt in der jetzigen Form rund 270 Plattenfirmen und 2100 mit diesen Firmen assoziierte Labels. Um offiziell Lizenzgebühren kassieren zu dürfen, muss die Institution noch vom US Copyright Office anerkannt werden. Erste Anhörungen dazu beginnen im Februar nächsten Jahres. Mit einer gesetzlichen Entscheidung über die zu zahlenden Lizenzsätze wird frühestens Ende nächsten Jahres gerechnet. Wahrscheinlich wird SoundExchange aber schon vorher einige wichtige Verträge mit Webcastern abschließen.

Erstmals Geld für aufführende Künstler

Mit Institutionen wie Sound Exchange ergibt sich für Musiker in den USA eine interessante neue Einnahmequelle. Anders als in Deutschland waren aufführende Künstler dort bisher vom Lizenzreigen ausgeschlossen. Ein Beispiel: Wenn Madonnas Single "American Pie" im US-Radio läuft, bekommt sie dafür keinen einzigen Penny. Statt dessen gehen alle Lizenzgebühren an Don McLean, den Komponisten des Songs. Da die neuen Online-Musikangebote des Internets aber langfristig auch Einfluss auf die Plattenverkäufe haben könnten, sieht der Digital Millennium Copyright Act erstmals auch eine Vergütung dieser so genannten Leistungsrechte vor. Wer nicht Urheber eines Musikstückes ist, kann so immer noch mit seiner Interpretation Geld verdienen.

Sound Exchange hat über die Verteilung dieser Gelder bereits detailliert Auskunft gegeben: 45 Prozent der Einnahmen werden den aufführenden Künstlern zu Gute kommen, 50 Prozent den jeweiligen Plattenlabels. Die restlichen fünf Prozent teilen sich die beiden Organisationen American Federation of Musicians und die American Federation of Television and Radio Artists. Die Major-Plattenfirmen EMI, Sony, Universal und Warner haben außerdem erklärt, SoundExchange die direkte Auszahlung dieser Lizenzeinnahmen zu überlassen. Anders als die Einkünfte aus Plattenverkäufen werden sie so nicht mit den Vorschüssen verrechnet. Abzüge gibt es dennoch: Sound Exchange will von den Gesamteinnahmen 15 bis 20 Prozent für administrative Aufgaben einbehalten. Diese Ankündigung hat unter Musikern bereits für Unmut gesorgt.

Verschobene Gründung wegen Kritikervorwürfen

Kritik gibt es nicht nur an den hohen Verwaltungsgebühren. Auch der Einfluss der RIAA auf SoundExchange wird von vielen in der Branche kritisch beäugt. Besonders energische Kritik kommt von der Future of Music Coalition, die sich für die Interessen der Independent-Musiker im Netz einsetzt. Die Coalition-Vorsitzende Jenny Toomey erklärte dazu:

"Wenn es nur eine Verwertungsgesellschaft gibt, sollte dies nicht eine Organisation sein, die von den fünf großen Plattenfirmen gegründet wurde und allein ihre Interessen vertritt."

Ihre Gruppe sammelt deshalb bereits Unterschriften unter dem Motto "Exchange SoundExchange", um beim US Copyright Office für eine unabhängig Alternative zur RIAA-Organisation zu werben. Solche Vorbehalte mögen der Grund dafür sein, dass die RIAA die offizielle Sound Exchange-Gründung um einige Wochen verschob. Um den Kritikern gewachsen zu sein, hat man eine Erweiterung des Vorstands beschlossen. Neben den fünf Vertretern der Major-Plattenfirmen sitzen dort nun auch Vertreter zweier unabhängiger Label (Zomba und Real Authentic Sound) sowie mit Aimee Mann und David Sandborn zwei Musiker. Möglicherweise soll die Zahl der Musiker noch auf neun erhöht werden.

Geltendes Recht als Testfall

Dennoch sind die Bedenken der RIAA-Kritiker damit nicht zerstreut. Für Irritation hat unter ihnen besonders die Ankündigung gesorgt, man werde Musikern ihre Ansprüche in einer "Testphase" von drei Jahren direkt auszahlen. Viele fragen sich, was nach dieser Testphase kommen mag. Werden die Einnahmen dann doch mit den Vorschüssen der Plattenverträge verrechnet? Oder soll danach der Anteil der Musiker von 45 Prozent den weit geringeren Anteilen am jeweiligen Plattenvertrag angeglichen werden? Rechtlich ist dies eigentlich nicht möglich, da der Digital Millennium Copyright Act die 45 Prozent für ausübende Künstler fest vorsieht. Doch die SoundExchange-Kritiker mag dies nicht so recht beruhigen. Wer einen gesetzlich festgeschriebenen Satz als Testfall definiert, so ihre Befürchtung, der will eigentlich das Gesetz geändert haben.

Die Vorliebe der RIAA für Showdowns vor Gericht ist bekannt. Durch die zahlreichen rechtlichen Unsicherheiten im Webcasting-Business sind nächstes Jahr Prozesse geradezu vorprogrammiert. Gut möglich, dass die RIAA dabei in dem ein oder anderen Fall auch gegen die Interessen der Musiker auftreten wird, etwa wenn es um die Verteilung der Webcasting-Lizenzgebühren geht. Widerstand von der hauseigenen SoundExchange-Gesellschaft ist dann wohl eher nicht zu erwarten.