Exobiologische NASA-Mission zum Eismond

NASA/JPL-Caltech

Die US-Raumfahrtbehörde NASA macht sich für eine Orbiter-Mission zum Jupitermond Europa stark, um dort vorhandenes Leben nachzuweisen

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Seit den Voyager-Missionen gilt der im Durchmesser nur 3122 Kilometer große Eismond Europa als heißester Anwärter auf Leben im All. Noch ist der hellste Trabant des Jupiter für Astronomen ein Buch mit sieben Siegeln, nicht zuletzt für die Astrobiologen, die in ihn große Hoffnungen setzen, aber derzeit keine Möglichkeit haben, ihre Theorien zu beweisen. Das soll sich ändern. Die NASA macht Druck und zeigt eine neue Offenheit für eine Orbiter-Mission nach Europa, wie eine unlängst abgehaltene Podiumsdiskussion dokumentiert. Spätestens 2025 soll die Expedition starten.

Als im Dezember 2012 Wissenschaftler mit dem NASA-ESA-Weltraumteleskop Hubble am Südpol des Jupitermondes Europa Fontänen aus Wasserdampf entdeckten, war die Verwunderung groß. Nicht zuletzt deshalb, da die Geysire innerhalb einer Sekunde gleich 3000 Kilogramm Wasserdampf in bis zu 201 Kilometer Höhe schossen, dies über einen Zeitraum von Stunden.

Geheimnisvolle Risse

Nicht minder erstaunt waren die Kollegen im Jahr 1979, als die Voyager-Raumsonden imposante Fotos von der bizarr verkrusteten und rissartigen Oberflächenstruktur Europa zur Erde funkten. Schon damals spekulierten viele Wissenschaftler darüber, ob unter dem vermeintlichen Eispanzer flüssiges Wasser liegen könnte. Da Bioastronomen davon ausgehen, dass auch in fremden Gefilden das Lebenselixier Wasser für die biologische Evolution, so wie wir sie kennen, elementar ist, fokussierte sich schnell alles auf die Frage: Liegt unter der zerklüfteten Eiskruste Europa ein riesiger Ozean und könnte sich in ihm Leben gebildet haben?

Dieses Bild von Europa nahm die Voyager 2 im Juli 1979 auf. Mit einer Albedo von 0,64 hat Europa die hellste Oberfläche aller Monde im Sonnensystem. Bild: NASA

Ähnlich groß war die Überraschung, als im Jahr 2000 die NASA-Raumsonde Galileo an dem viertgrößten der bislang bekannten 67 Jupiter-Trabanten in einer Entfernung von nur 351 Kilometern vorbei flog und atemberaubende Bilder schoss.

Was 1979 noch reine Spekulation war, wurde dank des Galileo-Raumgefährts zur Gewissheit. Die Daten ließen nur einen Schluss zu: Die unzähligen mysteriösen Risse auf der Oberfläche sind nichts anderes als Spalten zwischen riesigen Eisschollen. Sie entstehen durch Eisplatten, die ihre Position ständig ändern, weil sie auf einer Flüssigkeit schwimmen. 100 Kilometer unter Europas Eisoberfläche existiert ein flüssiger Ozean aus Wasser. Ein Ozean, der partout mehr Wasser als alle Meere und Seen der Erde zusammen genommen hat. Dank der starken Gravitation Jupiters respektive den starken Gezeitenkräften ist Europa voller Dynamik und vulkanischer Aktivität und somit mit ausreichend viel Wärme gesegnet, um im Innern oder unter dem Eispanzer das Aufkommen von Leben zu begünstigen - fernab der hohen Strahlendosis (5,4 Sievert), mit denen der Mond an seiner Oberfläche tagtäglich vorlieb nehmen muss.

In den Fontänen auf Europa könnten hyperthermophile Mikroben existieren. Bild: NASA/ESA/K. Retherford/SWRI

Heißer Kandidat für Leben

Heute betrachtet das Gros der interdisziplinär forschenden Astrobiologen den Ozean des Jupitermondes Europa als höchst vielversprechenden Kandidaten für extraterrestrisches Leben. Lorenz Roth vom Southwest Research Institute in San Antonio (USA), der 2012 die Auswertung der Hubble-Daten koordinierte, brachte es unlängst auf den Punkt:

Flüssiges Wasser wird generell als Grundvoraussetzung für Leben - zumindest Leben wie man es auf der Erde kennt - erachtet. Daher rückt die Entdeckung der Wasserdampf-Fontänen den Mond Europa weiter in den Mittelpunkt der extraterrestrischen Forschung.

Doch so sehr der ferne Mond die Fantasien der Bioastronomen beflügelt - die zur Verfügung stehenden Instrumente und gegenwärtigen Wissenschaftssonden können nicht beweisen, ob auf oder unter der Eisoberfläche Europas jemals Leben existiert hat oder noch existiert.

Dabei hat Europa wirklich alles, was das Herz des Astrobiologen höher schlagen lassen sollte. Er besitzt Wasser, ausreichende Energie, genügend Kohlenstoff, geringe Sauerstoffkonzentrationen in der Atmosphäre und wohl auch organische Moleküle, also fast alle Zutaten, die für die Ausbildung einer Biosphäre vonnöten sind.

Just daran erinnerten Wissenschaftler am 15. Juli dieses Jahres auf dem von der Planetary Society organisierten Meeting The Lure of Europa, hierunter keine Geringere als die NASA-Chef-Wissenschaftlerin Ellen Stofan.

Ellen Stofan. Bild: ASA/Jay Westcott

"Hier sind alle Ingredienzien vorhanden, die uns dazu verlassen könnten, dorthin hinzufliegen", sagt Stofan. So könnten die unter der Oberfläche Europas existierenden aktiven Vulkane Horte des Lebens sein, in dem hyperthermophile Mikroben leben - ähnlich wie auf der Erde. "Mit der Kombination Vulkanismus und Wasser könnte sich gute Dinge ereignen. Wir sind davon überzeugt, dass Europa der nächste logische Schritt ist, der gegangen werden muss", erklärt Ellen Stofan, die seit einem Jahr bei der NASA in Amt und Würden ist - und deren Forschungsschwerpunkt die Geologie von Venus, Mars und die des Saturnmondes Titan ist.

Seen unter Europas Oberfläche

Eine Robotersonde könnte sich nach dem heutigen Stand der Technik durch den Kilometer dicken Eispanzer bohren und in den dort vorhandenen Ozean eintauchen. Aber auch direkt unterhalb der Oberfläche Europas, inmitten seiner den ganzen Planeten ummantelnden Eisdecke, könnten Lebensformen eine Nische gefunden haben, betonen die Konferenz-Teilnehmer.

Bekannt ist, dass Europa zahlreiche so genannte Chaotic Terrains besitzt. Fast die Hälfte des im Durchschnitt minus 150 Grad Celsius kalten Mondes ist von solch "chaotischen Landschaften" bedeckt. Hierbei handelt es sich unter anderem auch um Eisberge (Domes), die sich bis zu 200 Meter auftürmen und Regionen, wo die Eisdecke aufgebrochen ist. Eine von ihnen ist Thera Macula, unter der Astronomen einen See mit flüssigem Wasser in der Größe von 20000 bis 60000 Kubikkilometern vermuten. Wahrscheinlich steckt hinter dieser Oberflächen-Anomalie ein aktiver eisbedeckter Vulkan.

Im Eispanzer des Eismondes existieren Wasserblasen bzw. Seen, in denen sich Leben entfaltet haben könnte. Bild: NASA/JPL-Caltech

Er könnte dafür sorgen, dass aus der Tiefe Hitze nach oben steigt und somit das Eis schmilzt. Dabei bilden sich große Wasserblasen, wodurch weiteres Eis schmilzt und nach oben drängt. Die riesigen Wasserblasen stauen sich zu Seen - der Eispanzer wird praktisch von innen ausgebeult, bis das Wasser die Eisschicht vollends durchbricht und auf der Oberfläche wieder sofort gefriert. An vielen Stellen der Eiskruste Europas haben sich solche Strukturen im Verlaufe von Hunderttausend bis Millionen Jahren gebildet.

Einige der in etwa drei Kilometer Tiefe anzutreffenden unterirdischen Seen enthalten mehr Wasser als alle nordamerikanischen Seen zusammengenommen. Da Seen dieses Ausmaßes den Stoffaustausch zwischen der Oberfläche, der Eisdecke und dem flüssigen Ozean begünstigen, könnten auf Europa nach Ansicht vieler Exobiologen in allen marinen Milieus Einzeller oder sogar primitive Vielzeller leben.

Das Gleiche gilt aber auch für die in der südlichen Hemisphäre detektierten Wasserdampf sprudelnden Geysire. Sie können ebenfalls Quellen des Lebens sein. In ihnen oder in relativer Nähe könnten Mikroben gedeihen. Ein Fly-by-Flug durch die 201 Kilometer hohen Fontänen könnte daher durchaus lohnen, betont Stofan.

Priorität für Orbiter oder Fly-by

Dass der Jupitermond Europa auf Astrobiologen derweil wieder einen so großen Reiz ausübt, ist auch der Planetary Science Decadal Review geschuldet. In diesem alle zehn Jahre erscheinenden Report von dem U.S. National Research Council erklärten die verantwortlichen Wissenschaftler 2011 die Erforschung des Jupitertrabanten zu einer Mission mit höchster Priorität.

Doch so groß das wissenschaftlich Interesse an der Exploration des Mondes auch ist - die Realisierung des Vorhabens scheiterte stets am begrenzten Budget der NASA, letzten Endes an den Haushaltskürzungen der US-Administration. Kein Wunder demnach, dass sich angesichts der immensen Kosten einer Landemission auf Europa derweil die Überlegungen mehren, den Jupitermond nur mit einem Orbiter zu beehren oder wenigstens im Rahmen von Fly-by-Missionen kurzzeitig zu besuchen.

Gleichwohl muss ein Flug nach Europa von sehr langer Hand vorbereitet werden und der Faktor Zeit groß geschrieben werden. Stofan betont, dass gerade in Hinblick auf der Suche nach Lebensformen auf Europa Geduld gefragt und die Erforschung des Mondes nicht automatisch gleichzusetzen sei mit dem Auffinden von Leben.

Ihrer Ansicht nach ist ein Landeroboter am besten geeignet, um Leben auf dem fernen Himmelskörper nachzuweisen. Ein Lander, der zahlreiche Proben nimmt und diese zur Erde transportiert, wo Astrobiologen alles en detail analysieren können. Doch wie schwer und aufwändig ein derartiges Unterfangen ist, beweist allein die Tatsache, dass eine solche Anstrengung noch nicht einmal auf dem Nachbarplaneten Mars geglückt ist.

Europa-Clipper-Mission. Vorerst nur ein Vision; es gibt noch keinen Starttermin, geschweige denn ein offiziell genehmigtes Mission-Konzept. Bild: NASA/JPL-Caltech

Eingedenk der hohen Strahlung macht für Stogan eine bemannte Mission nach Europa jedoch überhaupt keinen Sinn. Eine Roboter-Mission indes, die auf einem Orbiter oder einer Fly-by-Mission beruht, wäre daher in jeder Hinsicht effektiver und kostengünstiger. Ähnlich sieht dies auch der stellvertretende Direktor des Space Telescope Science Institute der NASA, John Grunsfeld. Er wohnte der Diskussion als Zuhörer bei und sprach sich nach der Podiumsdiskussion explizit für eine Fly-by-Mission aus.

NASA macht Druck

Der eisige Mond war immer schon ein Liebling der Planer. Konzepte hierzu finden sich in den Archiven der NASA oder der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA schon seit geraumer Zeit, wie etwa die Europa-Clipper-Mission. Sie sieht vor, dass eine mit zahlreichen wissenschaftlichen Instrumenten bestückte Forschungssonde in einen Orbit um Jupiter einschwenkt und 45 Vorbeiflüge an Europa durchführt, in einer Entfernung von 25 bis 2700 Kilometern. Dabei soll ein leistungsstarkes Radar den Eispanzer durchleuchten und seine Dicke genau messen und ein Infrarot-Spektrometer die geologische und chemische Zusammensetzung der Oberfläche bestimmen. Fernerhin sollten eine hochauflösende topografische Kamera die Oberflächenstrukturen erfassen und ein Massenspektrometer die Atmosphäre des Mondes analysieren.

Nach Ansicht von Grunsfeld würde sich auch anbieten, auf dem Eismond eine Anzahl kleiner "CubeSats" abzusetzen. Solche kleinen mit Messinstrumenten ausgestatteten relativ preiswerten Sonden könnten einzeln oder im Verbund schwarmartig auf der Oberfläche des Mondes landen und Experimente in situ durchführen.

Beispiel eines CubeSats. Bild: Weber State University

Auffallend ist, dass die NASA an einer Erforschung des geheimnisumwitterten Mondes gegenwärtig ein ernsthaftes Interesse zeigt. Wohl nicht ohne Grund forderte sie zum Beginn der Konferenz der Planetary Society im Juli ihre Wissenschaftler auf, wissenschaftliche Instrumente für eine Expedition zum Eismond auszuarbeiten und vorzuschlagen. Dieses Engagement kommt nicht von ungefähr, stellte doch das Weiße Haus Anfang März der NASA für das nächste Jahr weitere finanzielle Mittel zur Verfügung, allein 15 Millionen Dollar (11,4 Millionen Euro) für die Ausarbeitung eines Plans für eine Orbiter-Expedition zum eisbedeckten Jupitermond. Selbst die Chef-Buchhalterin der NASA, Elisabeth Robinson geriet mit Blick auf Europa fast ins Schwärmen und offenbarte gegenüber dem Online-Magazin Space.com sogar den internen Zeitplan.

Europa ist eine sehr anspruchsvolle Mission, die einer sehr strahlungsaktiven Umgebung operieren wird. Und hierfür gibt es eine Menge Dinge vorzubereiten. Wir visieren einen Starttermin für die Mitte der nächsten Dekade an.

Während Washington eine Orbiter-Mission vorschwebt, die insgesamt maximal eine Milliarde Dollar (760 Millionen Euro) kostet, veranschlagt die NASA für ein derartiges Unternehmen zwei Milliarden Dollar (1,52 Milliarden Euro).

Hochfliegende gescheiterte Pläne

Doch viele auf dem Reißbrett zu Leben erwachte Ideen und Raumfahrtprogramme segneten in der Vergangenheit bekanntlich wieder schnell das Zeitliche. Die auf Blaupausen und Papier gebannten oder digital abgespeicherten ambitioniertesten Missionskonzepte oder realitätsfernsten Träume scheiterten in der Regel an den hohen finanziellen Hürden. Stellvertretend hierfür steht die Jupiter Icy Moons Orbiter Mission der NASA. Ihr Start war ursprünglich für das Jahr 2017 angedacht, wurde aber aus Kostengründen ersatzlos gestrichen.

Ebenso schnell verschwand auch die "Europa Jupiter System Mission" (EJSM) von der Agenda, bei der die NASA und die ESA 2028 zwei Orbiter in die Umlaufbahnen der Jupitermonde Ganymed und Europa eingebracht hätten. Der Sinn dieser Expedition hätte darin bestanden, Daten über den Eispanzer ihrer Zielmonde zu sammeln und die Eigenschaften des dortigen Wassereises zu analysieren.

JUICE in der Vorstellung eines Space-Art-Künstlers. Bild: ESA/AOES

Selbst die von der Europäischen Weltraumagentur ESA geplante JUICE-Mission (The JUpiter ICy Moon Explorer) ist noch reine Zukunftsmusik. Ob die Orbitersonde jemals ab 2022 ihre achtjährige Reise zum Jupiter von Kourou in Französisch-Guayana antreten wird, steht noch in den Sternen. Der mit elf Instrumenten bestückte Roboter soll die Jupitermonde Europa, Callisto und Ganymed ausspähen. Angedacht als eine Vorläufermission für eine spätere In-Situ-Landemission, könnte die Expedition ohne Landeroboter als erste Forschungssonde die Fontänen Europas und auch die in seinem Eispanzer eingebetteten Seen näher analysieren und die Astrobiologen vielleicht darin ermutigen, die Suche fortzusetzen. Die Zeit hierfür ist reif - zumindest sieht es die NASA so, die das Wettrennen mit Europa um Europa offensichtlich wieder aufgenommen hat.

Youtube-Video von der Veranstaltung "The Lure of Europa". NASA-Pressekonferenz: "Europa Jupiter Moon's Subsurface Ocean of Water (HD-Youtube)" (Juli 2013)