Exoplanet mit senkrechter Umlaufbahn um Doppelstern-System entdeckt

Philipp Hahnenberg
Brauner Zwerg – wie sich ein Künstler vorstellt

Brauner Zwerg – wie sich ein Künstler vorstellt. Bild: NASA/JPL-Caltech

Astronomen haben einen ungewöhnlichen Exoplaneten entdeckt. Er umkreist zwei Braune Zwerge auf einer senkrechten Bahn. Seine Masse gibt Rätsel auf.

Ein internationales Forscherteam hat Belege für einen sehr ungewöhnlichen Exoplaneten gefunden. Der Planet umkreist offenbar ein Paar eng umeinander kreisender Brauner Zwerge auf einer polaren Umlaufbahn, die senkrecht zur Bahnebene des Doppelsystems steht.

Die Entdeckung gelang durch Messungen der Radialgeschwindigkeit der beiden braunen Zwerge. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Bislang sind 16 sogenannte zirkumbinäre Exoplaneten bekannt, die ein Doppelsternsystem umkreisen. Sie alle bewegen sich jedoch in derselben Bahnebene wie die beiden Sterne.

Theoretische Überlegungen legen nahe, dass zirkumbinäre Planeten auch auf stark geneigten oder sogar polaren Umlaufbahnen existieren könnten. Einen solchen Planeten hat man nun offenbar erstmals gefunden.

Das untersuchte Doppelsystem trägt die Bezeichnung 2MASS J15104786-2818174 (kurz 2M1510). Es besteht aus zwei etwa gleich schweren braunen Zwergen mit je rund 33 Jupitermassen, die sich in nur 20,9 Tagen umkreisen. Aufgrund der hohen Bahnexzentrizität von 0,36 kommt es zu einer Bedeckung, wenn sich die beiden Objekte am nächsten sind.

45 Millionen Jahre

Das System gehört der etwa 45 Millionen Jahre alten Argus-Bewegungsgruppe an und besitzt noch einen dritten, weiter entfernten Begleiter. Es ist erst das zweite bekannte Doppelsystem aus jungen braunen Zwergen, das gegenseitige Bedeckungen zeigt.

Messungen über mehrere Jahre

Die Wissenschaftler um Thomas Baycroft von der University of Birmingham analysierten Radialgeschwindigkeitsmessungen von 2M1510, die über mehrere Jahre mit dem UVES-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte gewonnen wurden.

Unerwartete Drehbewegung

Dabei stellten sie fest, dass die Apsidenlinie des Doppelsystems, also die Verbindungslinie zwischen dem sonnennächsten und sonnenfernsten Bahnpunkt, eine unerwartete Drehbewegung vollführt – und zwar rückläufig, also entgegen der Umlaufrichtung der braunen Zwerge.

Eine solche retrograde Apsidendrehung ist äußerst selten und deutet auf die Anwesenheit eines dritten Objekts hin, das das Doppelsystem auf einer stark geneigten Bahn umkreist.

Durch Computersimulationen konnten die Forscher zeigen, dass es sich bei dem Begleiter höchstwahrscheinlich um einen Planeten handelt, der senkrecht zur Bahnebene der braunen Zwerge, also auf einer polaren Umlaufbahn, um das Doppelsystem kreist. Aufgrund der Ausrichtung der Apsidenlinie blicken wir fast genau senkrecht auf die Bahnebene des Planeten, was erklärt, warum man ihn nicht direkt in den Radialgeschwindigkeitsdaten nachweisen kann.

Die genaue Masse und Umlaufperiode des Planeten lassen sich aus den bisherigen Daten noch nicht eindeutig bestimmen. Die Forscher schätzen jedoch, dass der Planet eine Masse von etwa zehn Erdmassen und eine Umlaufperiode von rund 100 Tagen haben könnte, wenn er sich nahe an der Stabilitätsgrenze bewegt. Bei einer Periode von 400 Tagen wäre dagegen eine Masse von rund 100 Erdmassen zu erwarten.

Um die Existenz des Planeten zu bestätigen, wollen die Wissenschaftler weitere Radialgeschwindigkeitsmessungen durchführen. Auch hochpräzise Vermessungen der Bedeckungszeitpunkte der braunen Zwerge sowie astrometrische Beobachtungen könnten helfen, die Bahn und Masse des ungewöhnlichen Begleiters genauer einzugrenzen.

Die Entdeckung des möglichen polaren zirkumbinären Planeten um 2M1510 zeigt, dass Planeten offenbar unter noch weitaus vielfältigeren Bedingungen entstehen und existieren können als bislang angenommen. Sie eröffnet ein neues Feld für die Erforschung von Planetensystemen in Doppelsternen.