Extreme Hitzewellen in Meeren töten immer mehr Fische
Energie und Klima – kompakt: Rekordtemperaturen von China bis in die USA. Sie bedrohen nicht nur Menschen, Wälder und Ernten, sondern auch die Meerestiere. Kann die Fischerei die Heißzeit überleben?
Hitzewellen, wohin man schaut. Aus Chinas Hauptstadt Beijing wurde schon vor zwei Wochen mit 41,1 Grad Celsius die heißeste je dort gemessene Junitemperatur gemeldet. Seit 14 Tagen ist dort auch nachts die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad Celsius gefallen. Zuvor hatte Shanghai bereits den heißesten je beobachteten Mai durchlebt, während Teile Indiens schon im Juni die zweite Hitzewelle erlebte, wie die Hindustans Times berichtet. Mit Temperaturen über 40 Grad Celsius kann das leicht lebensbedrohlich werden.
Aktuell sind verschiedene Teile der USA von extremer Hitze betroffen und es wird von über einem Dutzend Menschen berichtet, die an der Hitze gestorben seien. In Mexiko ist die Rede von über 100 Hitzetoten.
Gleichzeitig gibt es für andere Teile der USA Warnungen vor extremen Niederschlägen, während ein Drittel des Landes weiter unter teils extremer Feinstaubbelastung durch die anhaltend vielen Waldbrände in Kanada leidet.
Nördlich der US-Grenzen brennen derzeit an hunderten Stellen die Wälder und Zehntausende mussten in dem dünn besiedelten Land ihre Häuser verlassen, um sich vor den Flammen in Sicherheit zu bringen, schreibt die New York Times. Der Klimawandel habe die dortigen Wälder in eine "Zunderdose" verwandelt. Schon jetzt sei mehr Wald verbrannt, als in der letztjährigen Saison.
Die Ozeane sind ebenfalls aus dem Lot. Wie bereits berichtet gibt es in verschiedenen Teilen der Weltmeere derzeit Hitzewellen, wobei die über alle Ozeane gemittelte Temperatur derzeit eine nie gesehene Höhe erreicht und auch im östlichen Nordatlantik neue Rekorde aufgestellt werden. Hier kann man tagesaktuell die Temperaturen der Meeresoberfläche verfolgen.
Auch der Golf von Mexiko, ohnehin bereits ein ziemlich warmes Gewässer, ist von einer maritimen Hitzewelle betroffen. Tausende toter Fische wurden an der texanischen Küste angespült. Als Grund geben die Behörden laut USA Today zu niedrigen Sauerstoffgehalt des Wassers an.
Je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff kann aus der Luft aufgenommen werden. Außerdem bedeutet die Erwärmung des Oberflächenwassers, dass die Schichtung des Meereswassers stabiler wird und schlechter von Wind durchmischt werden kann. Dadurch gelangt weniger Sauerstoff in tiefere Wasserschichten.
Vor der kalifornischen Küste haben stellenweise hohe Wassertemperaturen unterdessen eine Blüte giftiger Algen ausgelöst. Für dort lebende Seelöwen und Delfine hatte das tödliche Folgen. Der Vorfall erinnert an die sogenannte pazifische Blase, eine ungewöhnlich warme Wassermasse im nördlichen Pazifik, die von 2013 bis 2016 vor den Küsten Nordamerikas dem Leben im Wasser arg zusetzte. Bis an die Küste Mexikos hinunterkam es seinerzeit zu Blüten giftiger Algen. Vielerorts kam die Fischerei zum Erliegen, und viele Populationen haben sich bis heute nicht erholt.
Drohender Einbruch von 30 Prozent
Der Vorgang, so Thomas Frölicher von der Uni Bern, der dort unter anderem marine Hitzewellen erforscht, gegenüber dem Autor dieser Zeilen, habe in den folgenden Jahren zur verstärkten Erforschung dieses Phänomens geführt. Inzwischen sei klar, dass diese maritimen Hitzewellen zunehmen und extremer werden, je mehr der Planet sich erhitzt, und dass rund 90 Prozent der entsprechenden Ereignisse auf den Klimawandel zurückgeführt werden können.
In der derzeitigen Hitzewelle im Osten des Nordatlantiks, die von Westafrika bis zum Nordkap zu beobachten ist, vermutet Frölicher zwar einerseits eine natürliche Schwankung im Klimasystem. Andererseits liege ihr ein Erwärmungstrend zugrunde, was zu insgesamt höheren Temperaturen führe.
Und was bedeutet das für die Menschen? Die Auswirkungen der jüngsten Hitzewelle auf die großen Meeresfischbestände lassen sich so kurzfristig nicht nachweisen, meint Gerd Kraus vom Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei. Die werde man gegebenenfalls "erst im Laufe der Zeit in den Langzeitdatenserien zur Entwicklung der Fischbestände sehen können". Im kleineren Maßstab sei es aber in der Vergangenheit im küstennahen Flachwasser im Zusammenhang mit Hitzewellen zu Fischsterben durch hohe Wassertemperaturen und Sauerstoffmangel gekommen.
Längerfristig rechnet das Thünen-Institut damit, dass durch die Erwärmung die Fischerei in allen Weltregionen außerhalb der Arktis Einbußen erleben wird. Abgemildert werden sie längerfristig – wenn sich die Ökosysteme in neue Gleichgewichte eingespielt haben – durch die Zuwanderung aus wärmeren Gewässern.
Nur am Äquator wird das nicht funktionieren, da es für die dortigen Gewässer keine Fische geben wird, die an noch wärmeres Wasser angepasst sind. Das Thünen-Institut rechnet für die dortige Fischerei daher mit Ertragsrückgängen von über 30 Prozent, und auch der Ozeansonderbericht des IPCC, des Weltklimarats, sprach 2019 davon, dass die tropische Fischerei vom Klimawandel besonders hart betroffen sein wird.
Das ist besonders fatal, da in den dortigen Ländern der ärmere Teil der Bevölkerung besonders von der Küstenfischerei abhängig ist, wie es in einem Bericht der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung FAO heißt. Meeresfrüchte stellen für diese Menschen, die meist weniger als alle anderen zum Klimawandel beigetragen haben, oft die günstigste Form tierischen Eiweißes da.