F-16 werden den Verlauf des Ukraine-Krieges nicht grundlegend ändern

Misawa Airbase, Japan. Eine Mittelstreckenrakete wird an den F-16 Fighting Falcon angebracht. Bild: U.S. Air Force, Deana Heitzman / Public Domain

Bidens Kehrtwende wirft viele Fragen auf. Die wichtigsten sind: Wie effektiv können die Kampfjets wirklich sein? Und dann: Wie sieht das Endspiel aus?

Ende letzter Woche ebnete die Biden-Regierung den Weg für westliche Verbündete und Partner, ihre Bestände an F-16-Kampfjets aus amerikanischer Produktion an die Ukraine zu übergeben, und fügte hinzu, dass die USA bei der Ausbildung ihrer Piloten helfen würden, damit sie diese fliegen können.

Daniel L. Davis ist Senior Fellow für Defense Priorities und ehemaliger Oberstleutnant der US-Armee.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte sofort die "historische Entscheidung", der Ukraine die F-16 Fighting Falcon zur Verfügung zu stellen, und stellte fest, dass das "unsere Armee in der Luft erheblich verstärken" werde. Eine nüchterne Bewertung der Fähigkeiten und Grenzen dieses Transfers sollte jedoch die Erwartungen dämpfen.

Selenskyj hat seit dem Einmarsch Russlands in sein Land im Februar 2022 um westliche Kampfflugzeuge gebeten, doch die USA haben sich jedes Mal geweigert. Es ist unklar, warum Biden sich jetzt, nach 15 Monaten Krieg, entschlossen hat, den Transfer zu genehmigen (von dem er im Februar sagte, die Ukraine sei nicht auf ihn angewiesen).

Die USA haben lange behauptet, sie würden die Kampfflugzeuge nicht schicken, weil es Russland zu sehr aufstacheln könnte und die Jets für die Kriegsanstrengungen der Ukraine nicht so notwendig seien.

Doch die USA hatten ähnliche Bedenken hinsichtlich einer russischen Eskalation bei der Lieferung anderer Waffen wie der Haubitze M777, dem Himars-Raketenwerfer, dem Patriot-Luftabwehrsystem und der M1A1-Panzer. Russland hat nach der Einführung jeder dieser Waffen protestiert, aber keine weiteren Maßnahmen ergriffen.

Wie zu erwarten, warnte Russland am letzten Samstag vor "enormen Risiken" für die USA, sollten sie die F-16 schicken, ohne jedoch zu präzisieren, worin diese Risiken bestehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Russen den Krieg nicht allein deshalb eskalieren, weil sich die F-16 in ukrainischer Hand befinden.

Die Kehrtwende der Biden-Regierung in dieser Frage wirft jedoch viele Fragen auf, vor allem die, wie wirksam die Flugzeuge für die Ukraine sein können, den Krieg zu gewinnen. Wie sich zeigt, ist die Antwort nicht gerade ermutigend.

Zunächst einmal wird es lange dauern, bis die ukrainischen Piloten und Wartungsmannschaften so weit ausgebildet sind, dass sie die Jets im Kampf einsetzen und in einem flugfähigen Zustand halten können. Im Februar erklärte der stellvertretende Verteidigungsminister Colin Kahl, dass es 18 bis 24 Monaten dauern würde, bis die Piloten und Wartungsmannschaften ausgebildet, die Flugzeuge beschafft und vor Ort einsatzbereit sind.

Eine am vergangenen Donnerstag durchgesickerte Einschätzung der Air Force deutet jedoch darauf hin, dass die Ausbildungszeit nur vier Monate betragen könnte. Selbst wenn das zuträfe – höchstwahrscheinlich könnten die Piloten die Jets dann zwar fliegen, wären aber weit davon entfernt, den Luftkampf zu beherrschen –, würde es wahrscheinlich bis ins Jahr 2024 dauern, die F-16 aus den Partnerländern zu bestimmen, ihre Flugtauglichkeit sicherzustellen und die anschließende Auslieferung mit dem gesamten Kontingent an Wartungsmaterial, Ersatzteilen und Munition zu bewerkstelligen.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Kampfflugzeuge noch in diesem Jahr in der Ukraine zum Einsatz kommen werden.

Warum 40 bis 50 Jets keinen Unterschied machen

Zweitens ist die F-16 zwar ohne Zweifel eines der besten Kampfflugzeuge der vierten Generation weltweit, doch ihre Effektivität hängt in erster Linie davon ab, dass sie ein Bestandteil in einem integrierten Gefechtsführungssystem mit Sensoren ist. Der Jet ist zwar in der Lage, allein zu operieren, aber ohne zusätzliche Erfassungssysteme wie die E-3 Sentry Awacs ist er weit weniger leistungsfähig. Bislang wurde nicht erörtert, der Ukraine diese Fähigkeit zur Verfügung zu stellen.

Drittens handelt es sich bei der F-16 nicht um ein Tarnkappenflugzeug. Der Kampfjet wurde 1979 zum ersten Mal an die aktive Luftwaffe ausgeliefert und ist anfällig für russische Luftabwehrsysteme wie die S-300 und die fortschrittlicheren S-400 Luftabwehrsysteme.

Einer der Gründe, warum die ukrainische Luftwaffe in diesem Krieg eine so geringe Rolle gespielt hat, ist ihre Unfähigkeit, die russischen Luftabwehrnetze zu neutralisieren. Die F-16 ist zwar leistungsfähiger als die von den Ukrainern eingesetzten MiG-29, ist aber immer noch anfällig für Angriffe der russischen Luftabwehr.

Schließlich stellt sich die Frage, wer die Flugzeuge bereitstellen wird. Es steht außer Frage, dass die Vereinigten Staaten den überwältigenden Löwenanteil der Unterstützung für die Ukraine geleistet haben, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch durch die Bereitstellung von Waffen und Munition.

Wenn Washington trotz der Nachteile den Einsatz von in den USA hergestellten F-16 genehmigen will, kann es diese Entscheidung treffen. Aber andere reiche Industrienationen, z.B. in Europa, sollten die Flugzeuge bereitstellen, nicht die USA.

Aus taktischer Sicht sollten sowohl der Westen als auch die Ukraine ihre Erwartungen in Bezug auf den Nutzen dieser Flugzeuge für die Kriegsanstrengungen der Ukraine zurückhalten. Zweifellos ist die F-16 ein hervorragendes Flugzeug und wird eine Verbesserung gegenüber den vorhandenen ukrainischen Jets darstellen.

Aber es gibt keinen Grund, deswegen eine dramatische Veränderung des Kriegsfortschritts Kiews zu erwarten. Selbst die 40 bis 50 Jets, die die Ukraine angeblich anfordert, werden den Verlauf des Krieges nicht grundlegend ändern.

Die wichtigere Frage, die sich die Amerikaner an Biden stellen sollten, ist jedoch folgende: zu welchem Zweck? Was will die Regierung mit der Lieferung der F-16 erreichen? Was hoffen wir physisch zu erreichen? Welchen Endzustand peilt der US-Präsident für den Krieg an, und wie würde die Anwesenheit der F-16 die Erfolgsaussichten verbessern?

Soweit ich feststellen kann, wurden diese Fragen von Regierungs- oder Pentagonbeamten nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet.

Washington sollte sich voll und ganz darauf konzentrieren, dass alle Maßnahmen den Interessen der Vereinigten Staaten dienen. Die drei wichtigsten Ziele der USA sollten darin bestehen, eine Eskalation des Krieges über die Grenzen der Ukraine hinaus zu vermeiden und die Last der materiellen Unterstützung der Ukraine angemessen auf unsere europäischen Partner zu verlagern. Unter keinen Umständen kann ein Deal zur Beendigung des Krieges eine Sicherheitsgarantie der USA oder der Nato für die Ukraine umfassen.

Es ist schwer zu erkennen, wie die Entsendung einiger F-16-Kampfflugzeuge in die Ukraine – die erst zu Beginn des dritten Kriegsjahres einsatzbereit sein könnten – den Ausgang des Krieges wesentlich verändern oder die Verbesserung der US-amerikanischen Interessen in der Region erleichtern soll.

Washington sollte sich viel mehr auf konkrete Maßnahmen zur Wahrung US-amerikanischer Interessen und zur Beendigung des Krieges konzentrieren und weniger auf unbedeutende Waffenlieferungen, die nicht Teil einer kohärenten Strategie zu sein scheinen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Übersetzung: David Goeßmann.

Daniel L. Davis ist Senior Fellow für Defense Priorities beim Qincy Institute und ehemaliger Oberstleutnant der US-Armee, der 2015 nach 21 Jahren, darunter vier Kampfeinsätzen, in den Ruhestand ging. Er ist Autor von "The Eleventh Hour in 2020 America" und Redakteur bei 1945.