FBI nach Oggersheim, please!
Viel war jüngst über die Razzia in Donald Trumps Privatanwesen zu lesen. Skandalisiert wurden Funde von Geheimdokumenten in Mar-a-Lago. Wie aber steht es um den politischen Aktenklau in Deutschland?
Die Durchsuchung des Trump-Anwesens Mar-a-Lago durch die US-Bundespolizei spaltet die Öffentlichkeit – auf beiden Seiten des Atlantiks. Für die einen, darunter der Ex-Präsident der USA, handelt es sich um eine Verschwörung der Demokratischen Partei, um ihn an einer erneuten Kandidatur im Jahr 2024 zu hindern. Für die anderen handelt es sich um einen Akt, der (endlich) beweist, dass auch ehemalige Regierungschefs vor dem Gesetz den Bürgern gleichgestellt sind.
Den Grund für die spektakuläre Durchsuchung kennen wir nur aus der Presse, da bisher über den Antrag des Justizministeriums auf Veröffentlichung des richterlichen Beschlusses nicht entschieden ist. Nach den Presseberichten soll Trump Akten aus seiner Amtszeit nicht dem US-Bundesarchiv übergeben, sondern bei sich zu Hause gebunkert haben, darunter geheime Atomwaffenpläne. Die Cops des FBI öffneten zur Beweissicherung sogar seinen Safe.
Bereits im Januar dieses Jahres waren Beamte der Nationalen Verwaltungsstelle für Archivgut und Unterlagen, kurz: Nara, in Mar-a-Lago erschienen und hatten 15 Kisten voller Regierungsakten mitgenommen. Laut dem Presidential Records Act hat ein Präsident beim Verlassen des Weißen Hauses seine Unterlagen der Nara zu übergeben.
"Das ist wesentlich für unsere Demokratie, weil die Regierung dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig ist", so der letzte offizielle Nara-Chef David S. Ferriero. Wer Amtsakten versteckt, muss mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.
Aktenklau durch Bundeskanzler und hohe Dienstträger in Deutschland
Während die Washington Post schon im Februar groß über die Nara-Aktion berichtet hatte, schwieg die deutsche Presse weitgehend. Und auch bei der derzeitigen Diskussion geht es nur um die Frage, ob Trump "politisch verfolgt" werde – nicht darum, wie in Deutschland mit präsidialen Akten umgegangen wird, wo etwa die Akten von Bundeskanzler Kohl liegen?
Das deutsche Recht ist in diesen Punkten ebenso eindeutig wie das US-amerikanische: Diese Akten gehören in das Bundesarchiv, wer sich nicht an diese gesetzlichen Vorgaben hält, begeht eine Straftat: Das Strafgesetzbuch spricht hier von Verwahrungsbruch.
In Deutschland jedoch haben Bundeskanzler und hohe politische Entscheidungsträger am Ende ihrer Dienstzeit diese Akten mit nach Hause genommen. Wohlgemerkt: Originale und Dokumente mit einem Geheimhaltungsgrad. Das war immer schon strafbar.
"Normale" Beamte, die ihre Karriere nicht der Partei verdankten, mussten beim Ausscheiden eine Erklärung unterschreiben, dass sie "kein Material im unmittelbaren und mittelbaren Besitz" behalten, sondern alles dem "Dienstnachfolger oder der Registratur übergeben" haben. Aber, wie gesagt, wer einen politischen Posten bekleidete, hielt sich nicht dran – und ging straflos aus. Bis heute.
Diese gestohlenen Papiere landeten meist irgendwann in den Parteistiftungen, privaten Organisationen, die sie nach Gusto verwalten. Mir etwa wurden vor vielen Jahren in der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kas) die Akten des Herrn Hans Globke – zunächst Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und später jahrelang rechte Hand von Bundeskanzler Konrad Adenauer – aus der Hand gerissen. Es waren Akten voller Verschlusssachen, die anderen Forschern zur Einsicht überlassen worden waren.
Ich habe daraufhin mehrere Verfahren angestrengt, unter anderem gegen das Bundeskanzleramt, das sich weigert, diese ausgelagerten Akten zurückzuholen, und gegen die Witwe des ehemaligen Bundeskanzlers, Maike Kohl-Richter, die die Akten ihres verstorbenen Gatten in ihrem Keller in Oggersheim versteckt.
Ich habe alle Verfahren verloren: Dass die deutschen Behörden strafrechtliche Ermittlungen gegen die Witwe ablehnen, lasse ich derzeit vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüfen. In ein paar Jahren ist mit einem Urteil zu rechnen.
Meine Beschwerde gegen die Kas, die die Globke-Akten nicht herausgeben will, wurde gerade vom Bundesverfassungsgericht ohne Begründung abgelehnt. Und das Berliner Oberverwaltungsgericht stellte sich im Juni dieses Jahres auf die Seite der Akten-Diebe und urteilte, dass ich keinen Rechtsanspruch auf Überführung dieser Akten ins Bundesarchiv habe, da es keine Wiederbeschaffungspflicht gebe.
Das ist absurd, aber deutscher Alltag, der im Übrigen auch vom deutschen Bundesarchiv hingenommen wird. Dort hatte man erst nach dem Tod von Helmut Kohl freundlich bei der Witwe angefragt, ob man nicht doch einen kleinen Blick in den Keller werfen dürfe. Wollte die Witwe nicht – und damit war für die Koblenzer Behörde die Sache erledigt.
Amtshilfe vom FBI?
Jetzt muss man sich über Nara und das FBI freuen, die dem Rest der Welt zeigen, dass diese Akten der Öffentlichkeit gehören. Die Razzia zeigt, dass es geht, wenn man will. In Deutschland ist das nicht gewollt, weder von der Politik noch vom Bundesarchiv und schon gar nicht von führenden Medien.
Die stellen sich dumm und fragen nicht, warum sich das deutsche Bundesarchiv – weisungsgebunden an Kulturstaatsministerin Claudia Roth – den systematischen Aktenklau trotz klarer Rechtslage gefallen lässt.
So lassen sich unsere Medien mehrheitlich von ihren USA-Korrespondenten über die Auseinandersetzung in den USA informieren, zwischen den Trump-Anhängern und den Demokraten. Die Frage nach den Kohl-Akten bleibt tabu.