FDP-Vorschlag zur Industriestrompreis-Entlastung ist goldrichtig

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2024 könnte zum großen Jahr des Ökostroms in Deutschland werden. Man müsste nur – Überraschung – auf die Liberalen hören. Warum ihr Vorschlag ein Game-Changer sein könnte.

Seit Monaten fordert die Industrie eine Entlastung bei den Strompreisen. Angeblich seien diese in Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch, sodass eine Abwanderung der Industrien ins Ausland drohe.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Eine Senkung der Industriestrompreise mit steuerlichen Subventionen sei daher nötig. Jetzt hat die FDP-Bundestagsfraktion einen bemerkenswert guten Vorschlag gemacht: Die private Lieferung ("Power Purchase Agreements" = PPA) von Ökostrom soll von allen Steuern und Abgaben befreit werden, damit Unternehmen so billigen Strom geliefert bekommen.

Industriestrompreise sind im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig

Die Warnungen aus der Wirtschaft sind nichts Neues. Regelmäßig kommen solche massiven Forderungen, bei näherem Hinsehen sind sie meist überzogen.

Schon 2012 hatte der BDI ("Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.") vor einer Überlastung der Unternehmen gewarnt und gefordert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien als angeblicher Strompreistreiber gebremst werden müsste, um so die Strompreise zu senken. Bereits damals waren die Argumente der Industrie falsch.

Die Strompreise in Deutschland waren im internationalen Vergleich durchaus wettbewerbsfähig. Ab 2013 führten die Angriffe – u.a. des BDI – zum Zusammenbruch des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Solarindustrie in Deutschland.

Auch heute ist das Jammern der Industrie nicht gerechtfertigt. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass die deutschen Unternehmensstrompreise im europäischen Mittelfeld liegen und die große Mehrheit der Unternehmen durch den Strompreis nur wenig belastet sind.

Subventionierter Industriestrom: Schädlich fürs Klima, bremst Ökostrom-Ausbau

Die Union, die Grünen und die SPD befürworten die Subventionierung des Strompreises für energieintensive Unternehmen mit Steuergeldern, um ihn zu senken. Dies hätte zur Folge, dass weitere Milliarden Steuergelder ausgegeben werden, um die Strompreise zu reduzieren.

Die Preise werden jedoch hauptsächlich von den hohen Erdgaspreisen bestimmt. Wenn aber der Strompreis pauschal subventioniert wird, wird die klimaschädliche Erdgasverstromung weiterhin geschützt und so der Umstieg auf erneuerbare Energien geschwächt.

Aus gutem Grund sind Kanzler Scholz, Teile der Grünen und die FDP gegen einen staatlich subventionierten Industriestrompreis. Scholz verwies darauf, dass es die eigentliche Aufgabe sei, den Strompreis strukturell zu senken. Hierbei unterstrich er vor allem die Notwendigkeit des Ausbaus kostengünstiger Ökostrom-Erzeugung.

Damit hat er völlig recht. Nur erneuerbare Energien sind aufgrund fehlender Brennstoffkosten in der Lage, sehr kostengünstigen Strom zu liefern. Doch um sicherzustellen, dass sich diese Kosteneinsparung durch erneuerbare Energien auch tatsächlich im Strompreis niederschlägt, muss der teure Erdgasstrom eben durch sie ersetzt werden.

FDP-Vorschlag: Wird Ökostrom-Ausbau beschleunigen und Strompreise senken

Laut dem FDP-Vorschlag soll ein Industriebetrieb einen Direktliefervertrag (PPA) mit einem Erneuerbaren-Anlagenbetreiber abschließen können, bei dem der Strombezug wie selbst erzeugter und verbrauchter Strom behandelt wird. So wären diese privaten Stromlieferungen von allen Abgaben und Steuern befreit.

Das würde einen äußerst günstigen Strompreis für die Industrie schaffen, da die Stromerzeugung aus Sonne und Wind heutzutage die kostengünstigste Form der Stromerzeugung darstellt – wesentlich billiger als Strom aus Erdgas, Kohle oder Atomkraft, wie kürzlich von der US-Investmentbank Lazard erneut analysiert wurde.

Gleichzeitig würde es den klimaschützenden Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigen – angetrieben durch die Wirtschaft.

Vorschlag erweitern auf alle, die örtlichen Ökostrom beziehen

Neben den steuer- und abgabefreien PPA-Verträgen für die Industrie sollte allen Stromkunden (nicht nur Unternehmen, sondern auch Anwohnern) im Umkreis von fünf Kilometern der Erzeugung eine Direktstromlieferung ebenfalls steuer- und abgabenfrei gewährt werden. Das würde die Widerstände vor Ort gegen Wind-, PV-Parks oder Biogasanlagen weitgehend eindämmen.

Insbesondere die Anwohner in der Nähe eines Windrads oder Solarparks würden von einem erheblich billigeren Strompreis profitieren, was die Akzeptanz stark erhöhen würde.

Die vollständige Abschaffung aller Abgaben und Steuern auf Ökostrom für Unternehmen und für Anwohner von Ökostromanlagen sollte die Ampelkoalition noch in die bald beginnenden Bundestagsberatungen zum Solarpaket einbringen und entsprechend am Jahresende beschließen. Dann könnte 2024 zum großen Jahr des Ökostromausbaus in Deutschland werden.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien und Sprecher der Bürgerinitiative Bürger Solarfabrik.