Fachkräftemangel und Inflation: Fatale Fehldiagnosen

Seite 3: Einwanderung und Arbeitskräftemangel: Noch mehr Schizophrenie geht kaum noch

Arbeitskräftemangel bei Facharbeitern durch Einwanderung zu lösen, ist allerdings in einer Gesellschaft an Zynismus nicht mehr zu überbieten, die alles daran setzt, auch unter Missachtung der Menschenrechte die eigenen Grenzen für Zuwanderung aus Armut möglichst perfekt zu schließen.

Ganz selbstverständlich dürfen wir aus "unseren wirtschaftlichen Gründen" den Entwicklungsländern die dort ebenfalls dringend benötigten Fachkräfte abwerben. Gleichzeitig aber tun wir alles dafür, um Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen (den wirtschaftlichen Gründen der Migranten nämlich) zu verhindern.

Noch mehr Schizophrenie geht kaum noch. Auch Migranten kann man ausbilden, aber es kostet natürlich mehr, als wenn man schon in ihren Ländern auf Kosten von deren Steuerzahlern ausgebildete Arbeitskräfte abwirbt.

Die Lösung des Problems ist einfach: Es gibt so viele Arbeitskräfte in einem Land, wie es gibt.

Woher nimmt man die Chuzpe zu sagen, wir müssen stärker wachsen, als wir es eigentlich können, und die Lücke muss durch die Einwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften geschlossen werden?

Wenn die Gesellschaft in der Lage ist, ihren Wohlstand durch steigende Produktivität zu erhöhen, schön und gut. Wenn ihr das nicht gelingt, muss sie sich an das anpassen, was sie hat. Es muss gerade für die "wertebasierten" Nationen ein absolutes Tabu sein, sich am Arbeitskräftepotential anderer Länder zu vergreifen.

Was uns in Wahrheit interessiert

Was uns in Wahrheit interessiert, ist die Aufrechterhaltung unserer Gehaltshierachien. Wo kämen wir hin, wenn ein angestellter Dachdecker ein Viertel dessen verdiente, was der Personalchef eines Autokonzerns nach Hause trägt?

Oder eine Zugbegleiterin die Hälfte des Einkommens eines Sparkassendirektors? Oder eine Pflegefachkraft Dreiviertel eines Lehrergehalts? Das wäre wirklich unerträglich.

So weit wollen wir es mit der Marktwirtschaft wirklich nicht treiben. Fachkräfte müssen einfach reichlich und billig verfügbar sein, damit das oberste Fünftel in der Einkommenshierarchie weiterhin nicht nur absolut, sondern auch relativ im Luxus leben kann.