Fall Assange: "Schwarzer Tag für die Pressefreiheit"
Britische Innenministerin erlaubt Auslieferung an USA. Wikileaks und Familie kündigen Intensivierung der Kampagne zur Befreiung des Journalisten an
Großbritanniens Innenministerin Priti Patel hat am Freitagnachmittag die Auslieferung des Wikileaks-Mitbegründers Julian Assange in die USA genehmigt. Die Enthüllungsplattform, Familie und Anwälte des Journalisten kündigten umgehend an, gegen die Entscheidung vor dem Obersten Gericht Berufung einzulegen.
Der Fall war im vergangenen Monat dem Innenministerium in London zugeleitet worden, nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, dass Zusicherungen der US-Behörden zu Assanges wahrscheinlicher Behandlung in US-Haft keiner weiteren Prüfung bedürfen.
Kurz nachdem Patel nun grünes Licht zur Auslieferung an die USA gab, veröffentlichte Wikileaks eine Erklärung, in der eine Berufung angekündigt wird. Darin heißt es im Wortlaut:
Dies ist ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit und für die britische Demokratie. Jeder in diesem Land, dem das Recht auf freie Meinungsäußerung wichtig ist, sollte sich zutiefst schämen, dass die Innenministerin die Auslieferung von Julian Assange an die Vereinigten Staaten genehmigt hat, an das Land also, das seine Ermordung geplant hat.
Julian hat nichts falsch gemacht. Er hat kein Verbrechen begangen und ist kein Krimineller. Er ist Journalist und Verleger, und er wird dafür bestraft, dass er seine Arbeit gemacht hat.
Es lag in der Macht von Priti Patel, das Richtige zu tun. Stattdessen wird sie für immer als Komplizin der Vereinigten Staaten in Erinnerung bleiben, die den investigativen Journalismus also kriminelles Unternehmen verfolgen wollen.
Ausländische Gesetze bestimmen nun die Grenzen der Pressefreiheit in diesem Land, und der Journalismus, der die renommiertesten Preise der Branche gewonnen hat, wurde als auslieferungsfähiges Vergehen eingestuft, das eine lebenslange Haftstrafe verdient.
Der Weg zu Julians Freiheit ist lang und beschwerlich. Der heutige Tag ist nicht das Ende des Kampfes. Es ist nur der Beginn eines neuen juristischen Kampfes. Wir werden vor Gericht in Berufung gehen, die nächste Berufung wird vor dem Obersten Gerichtshof stattfinden.
Wir werden lauter und lauter protestieren, wir werden uns organisieren und wir werden Julians Geschichte überall bekannt machen.
Täuschen sie sich nicht: Dies war immer ein politischer Fall. Julian hat Beweise dafür veröffentlicht, dass das Land, das seiner habhaft werden will, Kriegsverbrechen begangen und diese vertuscht hat, dass es gefoltert und verschleppt hat, dass es ausländische Beamte bestochen hat und dass es gerichtliche Ermittlungen zu US-Unrecht manipuliert hat.
Der Rachefeldzug mündet nun in dem Versuch, ihn für den Rest seines Lebens in den dunkelsten Winkeln ihres Gefängnissystems verschwinden zu lassen, um andere davon abzuhalten, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Das werden wir nicht zulassen. Julians Freiheit bedeutet unser aller Freiheit. Wir werden dafür kämpfen, dass Julian zu seiner Familie zurückkehren kann und dass wir alle unser Recht auf freie Meinungsäußerung wiedererlangen.
Die britische Tageszeitung Guardian geht davon aus, dass Assanges Anwälte sich im Berufungsverfahren auf das Recht auf freie Meinungsäußerung stützen werden. Wahrscheinlich werde zudem der politische Charakter des Auslieferungsantrags fokussiert.
Patel hatte prüfen lassen, ob das Auslieferungsersuchen der USA die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Dies beinhaltete die Zusicherung, dass von der in den USA praktizierten Todesstrafe abgesehen wird. Menschenrechtler ziehen diese Zusicherungen jedoch in Zweifel.
Assange, der sich seit Jahren gegen seine Auslieferung an die USA wehrt, sitzt derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London ein. Auf einer Pressekonferenz in der britischen Hauptstadt sagte seine Frau, Stella Assange, am gestrigen Freitag:
Wir sind noch nicht am Ende des Weges. Wir werden weiterkämpfen. Wir werden jeden möglichen Weg beschreiten. Ich werde jede wache Stunde nutzen, um für Julian zu kämpfen, bis er frei ist und bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist.
Assanges Rechtsstreit hatte im Jahr 2010 begonnen, als Wikileaks zahlreiche US-amerikanische Regierungsdokumente veröffentlichte. Publiziert wurden auch mehr als 250.000 diplomatische Drahtberichte.
Zahlreiche der Dokumente und Informationen erscheinen in führenden internationalen Medien wie der britischen Tageszeitung Guardian, der US-Tageszeitung New York Times und dem deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel. Die US-Justiz leitete daraufhin strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Leaks ein.
Ebenfalls im Jahr 2010 wurde gegen Assange ein Haftbefehl aufgrund angeblicher sexueller Übergriffe in Schweden erlassen. Die britische Justiz erlaubte eine Auslieferung an Schweden.
Assange, der erfolglos eine Zusicherung verlangt hatte, von Schweden nicht an die USA ausgeliefert zu werden, flüchtete sich daraufhin im August 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London. Die damalige Regierung des südamerikanischen Landes gewährte ihm in den geschützten Räumen der Botschaft politisches Asyl.
Mittlerweile hat die schwedische Justiz die Anklagen fallengelassen. Beobachter wie der ehemalige UN-Sonderberichterstatter zum Thema Folter, Nils Melzer, bezeichnen sie ohnehin als haltlos.
Nach einem Regierungswechsel in Ecuador wurde Assange 2019 in den Räumen der Botschaft von der britischen Polizei festgenommen. Das Vorgehen wurde mit dem Umstand begründet, dass er seine Kaution nicht bezahlt hatte. Kurz nach seiner Inhaftierung wurde das Auslieferungsverfahren an die USA eingeleitet.
Assanges Bruder Gabriel kündigte am Freitag an, die Berufung werde neue Informationen enthalten, die bisher nicht vor Gericht gebracht wurden. Dazu gehörten Informationen über Pläne, Julian Assange zu ermorden. In diese Pläne sei der US-Auslandsgeheimdienst CIA verstrickt gewesen.