Fast, Cheap and Out Of Control

Ein Film über Robotik, Kunstgärtnerei, Tierdressur und haarlose Maulwurfsratten

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Filmposter zu "Fast Cheap and Out Of Control"

Dave Hoover ist ein Löwendompteur, der vom späten Clyve Beatty (eine Art Houdini des Dompteur-Genres) inspiriert wurde. Er teilt dessen seltsame Annahmen über Tierpsychologie und erläutert, wie er "den wilden Bestien" seinen Willen aufzwingt.

George Mendonca ist Kunstgärtner und hat sein ganzes Leben darauf angewandt, in pedantischer Genauigkeit die Formen von Giraffen, Löwen, Bären und sonstigen Tieren aus Hecken und Bäumen herauszuschneiden, bzw. deren Wachstum in diese Formen zu lenken.

Ray Mendez ist von den haarlosen Maulwurfratten fasziniert und hat - das verwundert an dieser Stelle schon nicht mehr - sein ganzes Leben deren Studium gewidmet.

Rodney Brooks

Rodney Brooks ist Robotik-Forscher und hat ein neues Prinzip der Robotik-Architektur, die sogenannte Subsumptions-Architektur erfunden. Diese ermöglicht es, daß seine insektenähnlichen Klein- und Kleinstroboter ohne zentrale Chip-Steuerung auskommen, d.h. ohne ein Element, das in der Lebewesen-Computer Analogie dem Gehirn/der CPU entsprechen würde. Die Gliedmassen der Roboter besitzen "lokale" Intelligenz, die sich zu einem für den Beobachter "intelligenten" Verhalten aufaddiert, ohne daß diese "Technik-Tiere" eine innere Repräsentation der Welt aufweisen würden.

Errol Morris, einer der Gurus des kreativen Dokumentarfilms, zeigt uns in seinem 82-minütigem unkonventionellem Werk zugrundeliegende Parallelen in der Arbeit und der Psyche dieser vier Männer. Ihr Beruf ist ihnen innere Berufung, der sie mit an Besessenheit grenzender Intensität nachgehen. Der dokumentarische Film läßt sie ausführlich und unkommentiert (d.h. ohne erklärenden zusätzlichen Kommentarton) zu Wort kommen. Die Sichtweise des Filmemachers wird uns vor allem dadurch vermittelt, wie er die Interviewpassagen der vier Hauptpersonen und Bildsequenzen aus ihrem Arbeitsalltag zueinander in Beziehung setzt.

Als filmisches Leitmotiv springt die Zähmung der Natur durch den Menschen ins Auge, bzw. im Falle von Brooks die Neuerfindung einer technologischen Natur. Wir erfahren etwas über die Ausgangspunkte der Naturzähmer und sehen, in zum Teil sehr gelungenen, frei assoziativen Montagesquenzen, wie die Arbeitsgebiete miteinander zu verschwimmen beginnen.

Ein aus Büschen und Bäumen bestehender Elephant

Soweit so gut. Doch mit Fortdauer des Filmes werden die Querverbindungen immer seltsamer. Es scheint, wie an anderer Stelle geschrieben wurde, daß Morris jene Interviewtechnik meisterhaft beherrscht, wonach er den Befragten immer mehr von dem Strick reicht, mit dem sie sich selbst aufhängen werden. Der Dompteur und der Gärtner erscheinen zunehmend als nostalgische Vertreter einer aussterbenden Spezies, deren Fertigkeiten uns heute wie Relikte aus dem Kuriositätenkabinett erscheinen, und dieses Moment des Kuriosen strahlt auch auf die Tätigkeiten von Mendez und Brooks über. Der Rattenforscher und der Robotererfinder beginnen plötzlich davon zu reden, daß ihre Kreaturen Evolutionsmodelle für die Menschheit bilden, ja diese später einmal sogar ersetzen würden; die Maulwurfsratten, weil sie als einziges Säugetier eine insektenähnliche (unterirdische Termitenbau)Zivilisation geschaffen haben; die Insektenroboter, weil sie als Symbiose von Natur und Technik (und in der Minsky/Moravec Denkschule, der sich Brooks offenbar verpflichtet fühlt) für das Überleben in einer technoiden Zukunftswelt besser geeignet wären.

So wird der Film immer mehr zu einer Psychostudie von vier fanatischen Männern, der mit den Mitteln der ironischen Bild/Textmontage die freakigen Aspekte dieser Charaktere herausarbeitet. Augenzwinkernd (oder "tongue in cheek" wie man im englischen Sprachraum sagen würde und was an dieser Stelle passender erscheint) wird uns bewußt gemacht, wie der Wunsch nach Kontrolle und gleichzeitig nach dem Verlust von Kontrolle in der männlichen Forscherpsyche zusammenspielen.

Gerade durch die Gegenüberstellung von "unernsten" Tätigkeitsfeldern wie Löwenzähmung und Kunstgärtnerei mit "ernsthafter" KI-Forschung wird ein neuer Blickwinkel auf den Themenkomplex Mensch (hier vor allem "Mann")-Natur-Technik möglich. Robotik als erweiterte Form der Tierdressur? Oder gar das, was den Robotikern verschiedentlich schon unterstellt oder vorgeworfen wurde, als Ausdruck des unbewußten Drangs zum gottgleichen Schöpfertum? Roboter als "Babies" von Wissenschaftlern in einer technikfetischistischen Ersatzhandlung (siehe dazu Richard Barbrooks "Heiliger Cyborg"), überschattet vom Traum(a), daß diese Geschöpfe uns überleben würden?.

Wie auch immer, solche, oder andere Schlußfolgerungen zu ziehen überläßt der Film glücklicherweise den SeherInnen. Die nichtlineare Erzählweise sorgt gegen Ende hin für einige Längen, die wir jedoch komplizenhaft gerne auch noch hinnehmen, da uns das bisher Gesehene doch schon vortrefflich unterhalten, oder auch nachdenklich gemacht hat. Am Ende verläßt der Zuseher die filmische Arena mit dem Gefühl, einer Art Zirkus beigewohnt zu haben, in dem die kindliche und die erwachsene Sichtweise einige Momente lang keinen Widerspruch darstellten und die Motivation für das merkwürdige Treiben einer seltsamen inneren Logik zu folgen schien. Hätte der Regisseur von Starship Troopers diesen Film gesehen, dann würden die die Menschheit bedrohenden extraterrestrischen Kakerlaken wohl nicht von fernen Planeten sondern direkt aus den Labors des MIT kommen.

Gesehen in einer Aufführung des Instituts für Künstliche Intelligenz der Universität Wien, Prof. Robert Trappl. Verleihtermine im deutschsprachigen Raum sind nicht bekannt. Weitere Informationen über diese Webadresse: www.spe.sony.com/classics/fastcheap/index.html