Fast die Hälfte der Krebstodesfälle sind vermeidbar
Seite 2: Fragen zur künftigen Krebsforschung
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Es sollte berücksichtigt werden, dass die Lancet-Studie einige bekannte Risikofaktoren für Krebs, wie z. B. die Exposition gegenüber ultravioletter (UV) Strahlung und bestimmten Infektionen, nicht berücksichtigt hat. Dazu gehört das bekannte humane Papilloma-Virus (HPV), das durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen wird, und andere sexuell übertragbare Viren.
Gebärmutterhalskrebs, der durch bestimmte HPV-Stämme verursacht wird, ist die Hauptursache für Krebstodesfälle bei Frauen in Afrika südlich der Sahara. Dort, sagt Kaaks im Nature-Artikel, "könnte ein großer Teil der Krebsinzidenz und Mortalität bei Frauen durch rechtzeitige HPV-Impfung verringert werden".
Das Forschungsteam der Lancet-Studie könnte jedoch Risikofaktoren wie Infektionen und die Exposition gegenüber UV-Strahlung in zukünftige Analysen einbeziehen, sobald Daten – zum Beispiel über die Höhe der Exposition gegenüber diesen Faktoren – verfügbar seien, sagt Co-Autor Jonathan Kocarnik, der die globale Krebsbelastung am IHME modelliert.
Zukünftige Arbeiten könnten auch dazu beitragen, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Krebsfälle und Todesfälle zu bewerten. Eine Studie aus dem Jahr 2020 schätzt, dass es bis 2025 in England mehr als 3.000 vermeidbare Krebstodesfälle als Folge von Diagnoseverzögerungen aufgrund von Covid-19 geben wird.3
In einigen Bereichen, sagt Kocarnik, könnte die Pandemie die Exposition der Menschen gegenüber bestimmten Risikofaktoren auch verändert haben: Zum Beispiel könnte die Exposition am Arbeitsplatz gegenüber schädlichen Produkten während der Lockdowns abgenommen haben. Er fügt jedoch hinzu, dass es wahrscheinlich viele Jahre dauern wird, "mögliche Veränderungen der Risikofaktorexposition und deren Auswirkungen auf die zukünftige Krebsbelastung umfassend zu verstehen".
Interpretation und Kommentar
Krebs ist nach den kardiovaskulären Erkrankungen, zu denen die koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt und Schlaganfall gehören, weltweit die krankheitsbedingte Todesursache Nr. 2.
Die vorgestellte groß angelegte neue weltweite Studie über den Zusammenhang zwischen vermeidbaren Risikofaktoren und tödlichen Krebserkrankungen hat gezeigt: Führende Risikofaktoren, die 2019 zur globalen Krebsbelastung beitrugen, waren verhaltensbedingt wie zum Beispiel das Rauchen, während metabolische Risikofaktoren wie Übergewicht und Adipositas zwischen 2010 und 2019 die größten Zuwächse verzeichneten.
Die Verringerung der Exposition gegenüber diesen modifizierbaren Risikofaktoren würde die Krebssterblichkeit weltweit senken, und die Politik sollte deshalb angemessen auf die lokale Krankheitslast durch Krebsrisikofaktoren zugeschnitten sein.
Vergleichbare Zusammenhänge existieren ebenfalls bei den kardiovaskulären Erkrankungen, der krankheitsbedingten Todesursache Nr. 1.
Diese Zusammenhänge zwischen vermeidbaren Risikofaktoren und krankheitsbedingten Todesfällen sind seit mindestens zwei Jahrzehnten im Prinzip gut bekannt. Die im August 2022 veröffentlichte Lancet-Studie gibt einen zusätzlichen umfassenden Überblick über einen wichtigen Teilaspekt dieses Themas und enthält für Fachleute auf diesem Gebiet viele neue und interessante Details.
Für die Bevölkerung wäre allerdings nützlicher, nicht nur zu wissen, was man tun kann, um vermeidbare Risikofaktoren möglichst zu vermindern oder zu beseitigen, damit die angesprochenen krankheitsbedingten Todesursachen zurückgedrängt werden können, sondern auch, wie das im Einzelnen zu machen ist.
Auf einen immer noch aktuellen Gesundheits-Ratgeber, der sich für die Prävention chronischer Krankheiten stark macht, sei deshalb hier verwiesen. Eine ausführliche Rezension dieses Buches liegt vor und kann auf Anforderung zugeschickt werden.4
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de