Feindbild Russland als Ablenkungsmanöver
Seite 2: Wem nützt CSIS?
Diese CSIS-Studie über ein angebliches Kremlin-Playbook erweist sich als ein Propagandawerk, das der russischen Regierung alles anlastet, was am westlichen Kapitalismus korrupt ist. Doch viele Medien benutzen diesen US-Think-Tank wie eine solide Quelle, die nicht weiter hinterfragt wird.
Die Reuters-Meldung vom 13.10.2016 bezeichnete die CSIS-Autoren als eine "private U.S. research group" und stellte gleich einen Zusammenhang zwischen deren Ergebnissen und den vermuteten russischen Hackerangriffen im US-Wahlkampf her. Russland bedroht mit hybriden Attacken die edle westliche Wertegemeinschaft - mit allen Mitteln, an allen Fronten. Der britische Daily Star berief sich auf CSIS und behauptete, dass seine Autoren in einer "Bombshell"-Studie herausgefunden hätten, dass Putin den Eisernen Vorhang wieder errichten wolle.
Auch lettische Medien kolportierten die Studie, ohne die Leser darüber aufzuklären, um welche Art von Think Tank es sich beim Center for Strategic and International Studies überhaupt handelt.
Laut Selbstdarstellung wurde die Washingtoner Denkfabrik im Kalten Krieg gegründet. Ihre Aufgabe ist es, die Bedeutung der USA zu erhalten und sie als Macht des Guten in der Welt zu unterstützen.3 In einer Arbeit für die Konrad-Adenauer-Stiftung untersuchten Norbert Wagner und Ursula Carpenter die US-"Denkwerkstätten". Das CSIS stufen sie politisch als mitte-rechts orientiert ein. Mit 73 Wissenschaftlern, 47 Honorarkräften, 50 unbezahlten Beratern und 90 Senior Associates gehört es zu den führenden Think Tanks, ist mit einem Jahresbudget von 29 Millionen Dollar aber nicht Top of the Pops.4
Der ehemalige republikanische US-Außenminister Henry Kissinger ist ein CSIS Counselor and Trustee, ebenso der Geostratege Zbigniew Brzezinski. Karl-Theodor zu Guttenberg fand nach seinem Rauswurf aus der deutschen Politik als "Distingiushed Statesman" bei CSIS eine neue ehrenamtliche Beschäftigung. Im Interview mit der Welt lobte der fränkische Adelige den CSIS-Trustee Rex Tillerson. Er halte Donald Trumps Außenminister für einen klugen Kopf. Der vormalige Exxon-Mobile-Chef habe die Kritik an Russland und an Putins Einmischung in den US-Wahlkampf klar formuliert und hoffe darauf, dass er eine "entsprechende Realpolitik" durchsetze. Denn Donald Trump könne jenen Leuten zuhören, die ihm auf Augenhöhe begegneten.
Wer hat Interesse an eine sich wissenschaftlich gebärdende Organisation, die ein Feindbild entwickelt? Ein Blick in die Sponsorenliste gibt eine erste Antwort. Unter den zehn größten Geldgebern, die dem CSIS mindestens 200.000 Dollar spendeten, gehören neben der Bank of America, dem Pharmaunternehmen Gilead Sciences und den Ölriesen Saudi Aramco, Exxon Mobile und Chevron gleich fünf Rüstungskonzerne: Lockheed Martin, Boeing, General Dynamics, Northrop Grumman und die italienische Leonardo Finmeccanica.
CSIS nützt aber auch ausländischen Regierungen, die sich in Washington Gehör verschaffen wollen. Die New-York- Times-Journalisten Eric Lipton, Brooke Williams und Nicholas Confessore enthüllten am 6.9.2014, dass ausländische Regierungen US-Think-Tanks Spenden zukommen ließen. Eine NYT-Grafik zeigt, dass vor allem die Staaten Europas und des Nahen Ostens sich mittels einflussreicher Think Tanks Geltung in Washington verschaffen. Unter den Geldgebern befindet sich auch Deutschland. Die Vereinigten Arabischen Emirate spendierten eine Million Dollar, um CSIS zu einer neuen Zentrale mit glitzernder Fassade in der Nähe des Weißen Hauses zu verhelfen.
Am Beispiel Norwegen lässt sich die Zweischneidigkeit dieses Sponsorings erkennen: Das skandinavische Land überweist einerseits Millionen an Think Tanks für hehre Ziele: Die Norweger sponserten das Center for Global Development, um die US-Regierung zu größeren Ausgaben im Kampf gegen die Klimaerwärmung zu bewegen.5 Andererseits sind bei den Skandinaviern nationale Interessen im Spiel. Sie überwiesen Geld an CSIS, um eine Arktis-Strategie ausarbeiten zu lassen. Die nordeuropäische Ölfördernation will in der Nähe des Packeises bohren und konkurriert dabei mit Russland. CSIS-Experten drängten die Obama-Administration, für mehr militärische Präsenz am Nordpol zu sorgen, um die Förderambitionen des kleinen Nato-Partners militärisch abzusichern.