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Film gewordenes Ballerspiel

Bild: © Lucasfilm

"Rogue One: A Star Wars Story" ist ein Kriegsfilm. Ein unbedingtes Plädoyer für Gewaltanwendung und Waffeneinsatz, solange dieser nur die Richtigen trifft

We've all done terrible things in the name of the rebellion.

aus: "Rogue One: A Star Wars Story"

Einer der besten Auftritte in Rogue One: A Star Wars Story [1] ist der von einem Toten. Nein, nicht Darth Vader ist gemeint, der in diesem Film etwa 50 Sekunden länger zu sehen ist, als in allen Trailern zusammen. Sondern der britische Darsteller Peter Cushing, der unter anderem als Sherlock Holmes und Graf Dracula berühmt wurde, und der in "Star Wars" von 1977, dem Auftakt der Saga, bereits als Grand Moff Tarkin auftrat. Der Clou des Auftritts: Cushing starb bereits 1994. Jetzt wurde er 23 Jahre nach seinem Tod digital wiederbelebt:

Um Wiederauferstehungen verschiedenster Art geht es allemal in "Rogue One". Ob das nun der totgeglaubte Vater der Heldin ist oder eine Figur aus "Clone Wars", ob der Todesstern oder Darth Vader, ob die X-Wing-Jäger oder C3PO - Wiederholung und Variation und am Ende die ewige Wiederkehr des Gleichen sind alles in diesem Film wie in dem Universum dieser Fantasy-Saga.

Auch der Hollywood-Feminismus darf wiederauferstehen: Was Carrie Fisher und Natalie Portman begründeten, was in "Star Wars: Das Erwachen der Macht" von der verwegenen Hauptfigur upgedated wurde, setzt jetzt die junge Heldin Jyn Erso (gespielt von Felicity Jones) fort.

Es gibt auch wieder eine Maschine für den "comic relief", die sehr altmodisch und ein bisschen schwul rüberkommt, und damit offenkundig ein technologischer Seelenverwandter und versuchte Wiederholung des Roboters C3PO aus dem Star-Wars-Universum ist.

"Jin, whatever I do, I do it to protect you. Do you understand?" - "I understand." "Alles was ich tue, tue ich, um Dich zu beschützen." Ein Vater sagt das zu seiner Tochter, am Beginn dieses Films. Und dieser Satz wird die Hauptfigur, das kleine Mädchen vom Anfang, durch den ganzen Film begleiten, und erst am Ende seine ganze Bedeutung entfalten.

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Tief im Kern dieses bombastischen Science-Fiction-Fantasy-Films, dem neuesten Zweig im "Star Wars"-Universum, steckt eine ganz kleine, archaische Geschichte von einem Vater und seiner Tochter. Die Tochter, die bewundernd und vertrauensvoll zu ihrem Vater aufblickt, wird zur Heldin des Films nicht zuletzt dadurch, weil sie den Plan und damit den unverwirklichten Traum ihres Vaters erfüllt.

Dazwischen ist "Star Wars". Also ein Krieg der Sterne, ein Road-Movie im Weltall, eine abenteuerliche Heldenreise und vor allem ein Kampf. Dieser Film ist nicht der achte Teil der fortlaufenden Star Wars Saga. Sondern es ist ein Neben-Erzählstrang. Eine Vorgeschichte zu Episode 4.

Bild: © Lucasfilm

"Rogue One" ist der erste Film, der unter der Rubrik "A Star Wars Story" läuft. Diese Filme erzählen in sich abgeschlossene Geschichten. Um Bereicherung geht es dabei in jedem Fall: Je nach Standpunkt kann man sie als zusätzliche Gelddruckmaschinen ansehen, die den Fans das Geld aus der Tasche ziehen sollen, oder als legitime Erweiterung und Verbreiterung des Universums.

Das Grundschema ist das selbe wie bei den Geschichten der Familie Skywalker: Rebellen gegen Imperium, Gut gegen Böse, Geist gegen Materialismus.

Mit großer Starriege - Felicity Jones und Diego Luna in den Hauptrollen, daneben Donnie Yen, Mads Mikkelsen, und Forest Whitaker erzählt Regisseur Gareth Edwards (der sich mit "Godzilla" seine Sporen verdiente) die Geschichte einer Gruppe ungleicher Helden rund um die junge Rebellin Jyn. Sie schließen sich zusammen, um die geheimen Pläne des gefürchteten "Todessterns" zu stehlen.

Sympathie mit der Rebellion?

Rebellion ist in diesem Film etwas Gutes, wenn auch nichts, was für die Beteiligten ohne Folgen bleibt: "We've all done terrible things in the name of the rebellion", sagt eine Figur. Das ist erstmal Eingeständnis von Traumata und - darf man sagen - Kriegsverbrechen. Es ist auch das Eingeständnis, dass Taten nicht ohne Folgen bleiben, eine notwendige Lehre für die Generation Web 2.0, deren Angehörige nicht selten auf der Playstation längst zu Massenmördern geworden sind.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, hätte man früher gesagt. Aber heute sind die Linken des Westens längst aller Gewalt abhold, sie wollen die Bundeswehr abschaffen, die NATO sowieso, nennen Widerstand, der nicht gewaltfrei ist, Terror, und gegen den wollen sie dann mit Rosenwasser, gerechter Sprache und veganem Leben kämpfen.

Bild: © Lucasfilm

Man könnte frühere "Star Wars"-Filme so verstehen, dass sie derartige Flower-Power-Moral unterstützen. Mit diesem Film klappt das nicht mehr. "Rogue One" ist ein unbedingtes Plädoyer für Gewaltanwendung und Waffeneinsatz, solange dieser nur die Richtigen trifft. Und wer das ist, berechnen die Computer. Erst schießen, dann fragen heißt die Moral in diesem Film gewordenen Ballerspiel.

Die Sympathie mit der Rebellion kann man in diesem Zusammenhang deuten als verstecktes Plädoyer für eine Rebellion gegen das amerikanisch-westliche Imperium des corporate capitalism. Aber das wäre schon eine weit hergeholte Lesart.

Denn auch, wenn ein paar besonders aufgeplusterte Rednecks und Trump-Wähler jetzt im Netz zum Boykott dieses Films auffordern, weil er angeblich "judaistisch" sei und "Hilary dienen" würde, und hoffen, dass Trump ab dem 20.Januar derartige Machwerke verhindern werde, kann man diesen Film auch vollkommen anders verstehen.

Das Imperium wären dann die Wall Street und die Eliten von Washington, die UNO und die Lügenpresse. Die Rebellen kämpfen im Namen der guten alten Werte gegen eine böse technokratische Moderne, die alles verändert hat, die Provinz kämpft gegen das Zentrum, das Land gegen die Stadt.

Vor allem wird gekämpft, ohne Kompromiss, und Gefangene werden hier nicht gemacht.

Der sinnvolle Opfertod

Dieser Film ist damit auch eine Rückkehr zu den Ursprüngen. Er knüpft an an den allerersten "Krieg der Sterne"-Film von 1977. Man sieht Vertrautes: den finstren Lord Darth Vader, den Todestern, X-Wing-Jäger im Sturzkampflug, viele Schüsse und zwei große Schlachten.

Dies ist also auch - im Gegensatz zu den letzten Star Wars Filmen - mehr ein Kriegsfilm als ein Fantasy- oder Science-Fiction-Film. Es wird viel gekämpft und viele Helden sterben. Es geht in diesem Film um das Sich-Aufopfern, um den vermeintlich sinnvollen Opfertod.

Bild: © Lucasfilm

So wie diese Saga immer ein Spiegel nicht nur der technischen Entwicklungen des Kinos war, sondern auch ein Stück amerikanische Mentalitätsgeschichte, ist es ein dunkles Bild des Lebens und der Gegenwart, das hier entworfen wird.

Davon abgesehen ist dies für Fans des Star Wars Epos in jedem Fall eine gelungene, unterhaltsame Nebengeschichte. Die große Saga kann sie nicht toppen, nur die Weihnachtssehnsucht nach Spektakelkino ein bisschen erfüllen. Die Nebenfiguren sind blass, und der Mexikaner Diego Luna ist nur ein Schmalspur Han-Solo. Das alles weiß auch der Film, darum lässt er seine Helden am Ende auch sämtlich sterben.

Aber er hat immerhin eine Figur im Zentrum, von der wir alle auch etwas für unser Leben lernen können: Es kommt auf den Einzelnen an, auf die moralische Entscheidung hier und jetzt. Und Imperien sollte man nicht trauen, auch nicht, wenn es sich um das Disney-Imperium handelt.


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