Flexiblere Stromtarife: Was Familien wissen müssen

Stromkosten sollen einfacher zu kontrollieren sein. Bild: DB-Films, Shutterstock.com

Dynamische Tarife könnten Verbrauchern Kosten sparen. Doch wie funktioniert das in der Praxis? Ein Überblick.

Strom kommt in Deutschland auch in Zukunft aus der Steckdose. Wer günstigen Strom beziehen möchte, benötigt jedoch zusätzliche Hard- und Software. Erstere gibt es bereits von verschiedenen Anbietern. Bei der Software kann es noch etwas dauern. Das gilt auch für Teile der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Zu den wichtigsten Elementen der Energiewende zählt die Einführung der Smart Meter. Sie sollen nach Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums bis 2032 für Privat- und Unternehmenskunden Standard werden.

Die Umsetzung soll in drei Schritten erfolgen: Bis Ende 2025 sollen mindestens 20 Prozent der Messstellen mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden. Bis Ende 2028 sollen es mindestens 50 Prozent sein und bis Ende 2030 mindestens 95 Prozent.

Um den Kunden die Angst vor hohen Kosten bei der Ausrüstung mit Smart Metern zu nehmen, hat der Gesetzgeber bei den jährlichen Kosten für die Smart Meter für normale Haushaltskunden unabhängig von den Beschaffungskosten dieser Messgeräte und den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten die maximale Belastung für die Kunden auf 20 Euro limitiert.

Der "Rollout" steht bevor

Der Gesetzgeber ist den Messstellenbetreibern jedoch organisatorisch entgegengekommen:

Die Messstellenbetreiber wiederum dürfen die komplexen Funktionen der Geräte in einer befristeten Hochlaufphase – mit regelmäßigen Updates – schrittweise einführen und Erfahrungen beim Rollout sammeln. Sie müssen von Anfang an den europarechtlich vorgesehenen Mindestfunktionsumfang gewährleisten.

Damit erhalte die Branche die Möglichkeit, in einer "Warmlaufphase" ihre Steuerungsprozesse aufzubauen und zu trainieren, bevor der verpflichtende Rollout greift. "Die Stromzähler selbst werden dabei durch weitere Updates sukzessive immer intelligenter.

so das Bundeswirtschaftsministerium (BMKW) im Mai. Damals wurde der zwischenzeitlich gestoppte Smart-Meter-Rollout wieder aufgenommen.

Mit den Smart Metern in ihrer vorgesehenen letztlichen Ausbauform will die Bundesregierung mit Hilfe einer digitalen Steuerung der Stromflüsse nicht nur die Grundlage dafür schaffen, das Stromversorgungssystem mit seinem traditionell fluktuierendem Verbrauch und der aufgrund der verstärkten Nutzung von Erneuerbaren schwankenden Erzeugungen zu stabilisieren.

Darüber hinaus will sie Verbraucherinnen und Verbrauchern auch bessere und klarere Informationen über ihren eigenen Stromverbrauch ermöglichen, auch wenn das die meisten Verbraucher gar nicht so genau wissen wollen.

Schon bei der Liberalisierung der Strommärkte wurde versucht, die Kundinnen und Kunden dafür zu interessieren, die Kosten ihres Stromverbrauchs möglichst zeitnah zu verfolgen.

Bislang aufwändig für Verbraucher

Kaum ein Endverbraucher wollte dies jedoch langfristig verfolgen, da er weniger an den Zahlen als an den Vorteilen, der sogenannten Nutzenergie, interessiert war. Zudem blieb dem Kunden als Reaktion auf hohe Preise nur die Möglichkeit, weniger zu verbrauchen.

Wie stark der Strompreis an der Börse schwankt, konnte er nur sehen, aber nicht für sich nutzen. Zudem wurde der tatsächliche Arbeitspreis bisher vor allem durch Lieferverträge außerhalb der Börse bestimmt. Mit den flexiblen Arbeitspreisen sollen die Endverbraucher nun wieder in die aktive Interaktion am Strommarkt eingebunden werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies vor allem eine Aufgabe für automatisierte Systeme sein wird, gerne auch mit KI-Unterstützung.

Flexible Arbeitspreise

Alle Stromanbieterm – und die muss man grundsätzliche von den Netzbetreibern unterscheiden – sollen nach der aktuellen Gesetzeslage ab 2025 verpflichtet werden, dynamische Tarife für ihre Haushaltskunden anzubieten. Dadurch will man den Verbrauchern die Möglichkeit bieten, ihren Stromverbrauch in kostengünstigere Zeiten mit hoher Erzeugung verlagern können.

Bislang werden diese Informationen in Südwestdeutschland auf freiwilliger Basis schon über die "Stromgedacht"-App angeboten. Mithilfe der Smart Meter sollen die Stromkunden ihr eigenes Verbrauchsverhalten besser analysieren und in Bezug zum aktuellen Stromangebot setzen können.

Im nächsten Schritt will man den Verbrauchern ermöglichen, ihren Stromverbrauch am Stromangebot auszurichten. Mit den dann möglichen dynamischen Strompreisen sollen sich, so der Gesetzgeber, in erheblichem Maße Kosten sparen lassen. Der Kunde muss dafür jedoch seinen Strombezug aktiv an das Stromangebot anpassen.

Da der jeweils aktuelle Strompreis nur zu einem Teil aus dem sogenannten Arbeitspreis besteht, der sich an den Börsenpreis koppeln lässt, kann mit den dynamischen Tarifen auch nur diese Teil des Strompreises flexibilisiert werden.

Beim Arbeitsstrompreis geht man von der Fiktion aus, dass Deutschland eine Kupferplatte sei und der Strompreis daher bundesweit einheitlich sein kann. Die Differenz zwischen Fiktion und faktischen Strombeschaffungskosten am Standort des Verbrauchers werden über die Netzentgelte ausgeglichen.

Flexible Netzentgelte

Zum Ausgleich zwischen den für den gesamten deutschen Markt geltenden Arbeitspreisen und den standortspezifischen Stromgestehungskosten berechnet der Verteilnetzbetreiber sogenannte Netzentgelte, die auf die jeweiligen Arbeitspreise aufgeschlagen werden. Darin enthalten sind auch die anteiligen Kosten für den Netzbetrieb und den Netzausbau.

Die Netzentgelte unterliegen der Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Sie unterliegen einer von ihr festgelegten Kapitalverzinsung. Dieses System gilt als stabil und ist als Lizenz zum Gelddrucken in Verruf geraten.

Auswirkung auf Netzauslastung

Eine Flexibilisierung der Arbeitspreise wird künftig auch Auswirkungen auf die Netzauslastung haben. Wenn der Strompreis zu bestimmten Tageszeiten sehr niedrig ist, werden viele Menschen ihre Geräte intensiver nutzen. Dies führt zu einem lokal höheren Verbrauch, der wiederum das lokale Stromnetz belastet. Es erscheint jedoch nicht sinnvoll, das Netz nur für wenige Spitzenstunden am Tag auszubauen.

Kurzfristig können die Netzbetreiber, sofern dies mit dem jeweiligen Kunden vertraglich vereinbart ist, bei drohender Überlastung große und träge Lasten wie Elektromobile und Elektrowärmepumpen "dimmen". Dies kann jedoch nur eine Lösung für eine kurzzeitig drohende Überlastung eines Verteilnetzes sein. Im Normalbetrieb müssen andere Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden.

Hier kommen dynamische oder variable Netzentgelte ins Spiel, die auf die Netzbelastung reagieren. Ist das lokale Netz stark ausgelastet, steigen auch die Netzentgelte für diesen lokalen Bereich. In Deutschland sind solche dynamischen Netzentgelte bisher nicht eingeführt. Ob hohe flexible Netzentgelte die Vorteile niedriger flexibler Arbeitspreise aufheben, ist derzeit noch offen.

Ein weiteres ungelöstes Problem sind erratisch hohe Börsenstrompreise wie am 26. Juni 2024, als aufgrund eines technischen Fehlers an der Pariser Strombörse Epex die Preisfindung verzerrt und für Deutschland ein Preis von 2,33 Euro pro Kilowattstunde aufgerufen wurde, obwohl Preise um zehn Cent zu erwarten gewesen wären.