Fliegende Qubits
Verschränkung zwischen einem gefangenen Atom und Licht gelungen
Quanteninformation und Quantencomputing sind vielversprechende neue Ansätze für eine Revolution der Informationstechnologie. US-Physiker sind jetzt einen wichtigen Schritt in Richtung einer Verbindung fester und freier Systeme voran gekommen. Ihnen gelang die Verschränkung zwischen einem gefangenen Atom und Licht.
Ein Quantenbit, kurz Qubit genannt, ist das quantenmechanische Pendant zum klassischen Bit, der kleinsten digitalen Informationseinheit. In klassischen Computern werden Informationen in Form von Bits, also 0 oder 1, gespeichert. Die Verknüpfung dieser Bits ermöglicht die Rechenvorgänge. Quantencomputer sind der Traum der Computerzukunft, denn mit ihnen ließe es sich sehr viel effizienter rechnen, da die Qubits in Überlagerungen, so genannten verschränkten Zuständen, von O und 1 vorliegen können. Bisher noch Theorie, aber weltweit wird intensiv geforscht, um diese sehr viel leistungsfähigeren Computer zu ermöglichen.
Jetzt präsentieren US-Physiker ihren wissenschaftlichen Meilenstein, denn es ist ihnen gelungen, ein einzelnes in einer Falle gefangenes Atom mit einem Photon zu verschränken. Der Begriff Verschränkung wurde von dem österreichischen Nobelpreisträger Erwin Schrödinger geprägt. Verschränkung heißt, dass ein Paar Photonen, also Lichtquanten, bzw. Teilchen ohne Masse (Vgl. Welle-Teilchen Dualismus von Licht), durch die Messung einander entsprechende Eigenschaften besitzen, auch über große Entfernungen. Albert Einstein entdeckte diesen Effekt bereits in den 30er Jahren und nannte ihn misstrauisch eine "spukhafte Fernwirkung", denn er widerspricht - wie so vieles in der Quantenmechanik - dem gesunden Menschenverstand. Wird ein Photon eines solchen verschränkten Paares in seinen Eigenschaften verändert, dann ändert sich das zweite, entfernte Photon automatisch auch.
Nun ist es geglückt, ein in einer Falle gefangenes Atom mit einem davon unabhängigen, einzelnen Photon zu verschränken. B. B. Blinov, D. L. Moehring, L.-M. Duan und C. Monroe vom Focus Center und Physik-Institut der University of Michigan haben damit eine bislang fehlende Verbindung realisiert: frei fliegende Photonen teilen sich mit stationären, gefangenen Atomen ihre Quanteninformation. Ein einzelnes Cadmium-Ion (111Cd+) saß in der Falle und stieß spontan ein Photon aus. Messungen des Quantenzustands des Photons und des Ions ergaben klar eine Verschränkung. Der Nachweis war also direkt möglich.
Das ist ein Durchbruch, denn für die Konstruktion eines Quantencomputers ist es wichtig, den Quanteninformationsspeicher mit einem Quantenkommunikationskanal zu verbinden. Auch für viele andere Anwendungen der Quantenkommunikation, wie etwa die Quantenteleportation (vgl. Scotty, beam me up, there is no intelligent life on this planet!) oder die Quantenkryptografie (vgl. Alice und die grinsende Schrödingerkatze), ist es notwendig, dass miteinander kommunizierende Stationen über einige Entfernung verschränkte Zustände etablieren müssen. Dieser Quantenkommunikationskanal ist immer eine Gefährdung, denn Störfaktoren treten auf und Verschränkung ist ein sehr sensibler Zustand. Jede Wechselwirkung mit der Umwelt führt zur so genannten Dekohärenz, dem Zerfall der Verschränkung (vgl. Grundidee der Dekohärenz).
Für den Entwurf eines Quantencomputers gilt der theoretische Ansatz von Peter Zoller und Ignacio Cirac, die 1995 erstmals vorschlugen Ionenfallen einzusetzen, als der vielversprechendste (vgl. Ionenfallen als Bausteine). Im vergangenen Jahr schafften zwei Physikerteams die ersten elementaren Umsetzungsschritte (vgl. 0 und 1 gleichzeitig speichern). Die Gruppe um Blinov verwendete als Basis entsprechend eine Ionenfalle.
In seinem begleitenden News&Views-Artikel zeigt sich Eugene Polzik vom dänischen Niels Bohr Institute von den neuen Möglichkeiten begeistert:
Ein gefangenes Ion emittiert ein Photon. Ion und Photon sind verschränkt, so trägt das Photon die Information über den Zustand des Ions mit sich fort. Jetzt Realität geworden, könnte dieses System ein Kommunikationslink in einem Quantennetzwerk werden. (...) Der echte Durchbruch von Blinov und Kollegen zeigt sich darin, dass zum ersten Mal eine Verschränkung zwischen einem stationären Daten-Qubit (einem gefangenen Ion) und einem fliegenden Kommunikationsqubit (ein optisches Photon) beobachtet werden konnte. (...) Letztlich könnte eine Quanten-Verbindung über sehr weite Entfernungen geschaffen werden. Das liegt noch in einiger Entfernung, aber Blinov und sein Team haben uns ein paar Schritte weiter in diese aufregende Richtung gebracht.