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Forencheck: Impf-Langzeitfolgen, Renten in Österreich und Emissionen der Tierhaltung

Drei Fragen aus dem Forum. Eine Wochenkolumne

Was versteht man unter Langzeitfolgen von Impfungen?

Im Zusammenhang mit Äußerungen eines Fußballspielers wird in den Medien diskutiert, ob eine Impfung überhaupt Langzeitfolgen haben kann. In folgendem Kommentar stellt ein User zwei Veröffentlichungen gegeneinander.

Er zitiert zunächst einen Mitdiskutanten [1]: "Dazu die Realität: ‚Was offensichtlich viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19 Impfung nicht auftreten" [2].‘"

In Folge zitiert er aus dem Ärzteblatt [3]:

"Das Ärzteblatt schreibt dort bezüglich des Mechanismus, durch den "Pandemrix" vermutlich Narkolepsie auslöst: ‚Dies würde erklären, warum Geimpfte auch Jahre nach der Impfung noch an einer Narkolepsie erkranken können.‘ Eine sagt hier die Unwahrheit.…"

Die Narkolepsie-Fälle vor allem unter Kindern und Jugendlichen nach der Impfung gegen die Schweinegrippe mit dem Impfstoff Pandemrix sind ein gerne angeführtes Beispiel von Langzeitfolgen nach Impfungen. Und sie sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Begriff der Langzeitfolge falsch verstanden wird.

Es handelt sich nämlich nicht um eine Folge, die erst lange Zeit nach der Impfung auftritt, sondern eine, die erst lange Zeit später damit in Verbindung gebracht wird.

Der Immunologe Carsten Watzl, der in dem Beitrag von n-tv zitiert wird, nimmt auf Twitter auch Bezug auf den Zusammenhang von Pandemrix und Narkolepsie. "Auch hier traten die Nebenwirkungen innerhalb weniger Wochen nach der Impfung auf! Es hat aber länger gedauert, bis man das einem der Grippeimpfstoffe zugeordnet hatte", schreibt Watzl [4].

Dazu verweist er auf eine Studie, die die Fälle unter finnischen Kindern und Jugendlichen zwischen vier und 19 Jahren untersucht hat [5]. Die Symptome wurden in den meisten Fällen innerhalb der ersten zwei Monate nach der Impfung bemerkt, es dauerte nur bis zu einem Jahr und länger, bis die Diagnose Narkolepsie erfolgte [6].

Medial bekannt wurde der mögliche Zusammenhang zwischen der Impfung mit Pandemrix und Narkolepsieerkrankungen ab Mitte August 2010. Im September 2009 war der Impfstoff von der Europäischen Arzneimittelagentur zugelassen worden.

Es verging also ein knappes Jahr, bevor Narkolepsie als mögliche Folge der Impfung erkannt wurde. Insgesamt wurden in der EU über 30 Millionen Menschen mit Pandemrix geimpft.

Gegen Covid-19 waren in der EU bis Ende August 256 Millionen Menschen geimpft. Angesichts der großen Zahl verabreichter Impfdosen wäre es also wahrscheinlich, dass auch sehr seltene Nebenwirkungen mittlerweile aufgefallen wären.

Rentenparadies Österreich?

In Bezug auf den Artikel Ampel-Sondierer stellen die Aktienrente auf grün verweisen mehrere Kommentare auf das österreichische Rentensystem und Rentenniveau:

Die Durchschnittsrente ist dort ca. 800 Euro höher als in Deutschland! Das ist der Betrag, um den die deutsche Regierung hierzulande die Rentner monatlich (!) betrügt. Es gibt Studien, die nachweisen, dass dieses Geld der Rentner der Volkswirtschaft wieder voll zugute kommt, da die das Geld praktisch vollständig z.B. für Restaurantbesuche, ... ausgeben. (...)" [7].

Ganz so groß sei der Differenzbetrag doch nicht, meint ein anderer Kommentator [8]:

Keine Frage, die Leistungen der Rentenversicherung in Österreich sind besser als bei uns. Aber die 800.- stimmen schlichtweg nicht. Die durchschnittliche Altersrente liegt in Österreich etwa 550.- Euro höher. Dass dort 14 Renten im Jahr gezahlt werden, habe ich übrigens berücksichtigt. Nicht vergessen darf man aber, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer höhere Rentenversicherungsbeiträge als bei uns in D zahlen. Und dass die Renten in Österreich voll versteuert werden müssen. Da schmilzt der Vorsprung doch noch etwas zusammen."

Über 800 Euro mehr bekam ein männlicher Arbeitnehmer, der in Österreich im Jahr 2016 in Ruhestand ging, laut einer Veröffentlichung der Hans-Böckler-Stiftung [9].

Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages erhielten Männer im Jahr 2018 in Österreich im Schnitt 1.678 Euro pro Monat, in Deutschland 1.148 Euro. Die österreichischen Rentnerinnen erhielten 1.028 Euro gegenüber deutschen Rentnerinnen mit 711 Euro.

Schwer vergleichbar sind die Zahlen über die Altersbezüge in den beiden Ländern, da in Deutschland nicht alle Berufsgruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, etwa Beamt:innen, Landwirt:innen, Abgeordnete und Selbständige mehrheitlich über andere Systeme versichert sind.

"In Österreich existiert dagegen heute eine für nahezu sämtliche Erwerbstätige harmonisierte staatliche Alterssicherung", so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages [10]

Allerdings können Rentenansprüche in Österreich erst nach mindestens 15 Beitragsjahren geltend gemacht werden. Und schließlich ist das Beitragsniveau mit 22,8 Prozent (12,55 Prozent Arbeitgeberanteil, 10,25 Arbeitnehmeranteil) höher als in Deutschland mit 18,6 Prozent, die in gleichen Teilen von Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in bestritten werden.

Klimaneutraler Anbau von Tierfutter?

In CO₂ im Gepäck: Warum die deutsche Klimabilanz nur die halbe Wahrheit ist, schreibt Bernd Müller über die CO2-Bilanz von Importprodukten, die eigentlich in die deutsche Bilanz einfließen müsste. Als Beispiel dafür wird Rindfleisch aus Südamerika angeführt. Ein Kommentator ist hingegen der Meinung [11]:

Der Anbau von Tierfutter verursacht keine CO2-Emissionen Der Anbau von Tierfutter ist zunächst mal eine CO2-Senke ud keine Quelle. Das CO2, das bei der Tierhaltung emittiert wird, wurde vorher der Atmosphäre entzogen. Zumindest bei diesem Aspekt ist die Produktion von Fleisch klimaneutral. Ein echter Effekt wäre z.B. der Ausstoß von Methan, aber wenigstens baut sich das Methan in der Atmosphäre von alleine ab.

Dass sich Methan in der Atmosphäre abbaut, ist richtig, das Gleiche gilt aber auch für Kohlendioxid, nur über einen sehr viel längeren Zeitraum. Methan baut sich nach etwa zwölf Jahren ab, ist aber 25-mal so klimawirksam wie CO₂ und kann daher kurzfristig sehr großen Einfluss auf die Erderwärmung haben.

Von daher ist der Methanausstoß aus der Tierhaltung in der globalen Emissionsbilanz nicht ganz unerheblich. Komplett falsch ist leider die Aussage, dass der Anbau von Tierfutter eine CO2-Senke wäre.

Zwar nehmen die Futterpflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf, aber eben nur einen Bruchteil dessen, was die ursprüngliche Vegetation auf diesen Flächen dauerhaft gebunden hätte. Gerade in Südamerika werden für den Anbau von Soja - das größtenteils als Futtermittel verwendet wird - sowie für die Schaffung von Weideflächen ursprüngliche Wälder gerodet.

Solche Landnutzungsänderungen sind für einen großen Teil des Treibhausgasausstoßes in der Landwirtschaft verantwortlich. Dabei ist ein weit größerer Teil des Kohlenstoffs als in den Pflanzen in den Waldböden gebunden. Nach der Rodung degradieren die Böden allmählich und setzen Treibhausgase frei.

Emissionen entstehen aber auch durch die Düngung, und hier kommt ein weiteres Treibhausgas ins Spiel, das Lachgas (N2O). Lachgas entsteht beim Abbau von Stickstoffdünger, sei dieser organischen Ursprungs wie Mist oder Gülle oder auch mineralischen Ursprungs.

Landnutzungsänderungen und eine damit einhergehende ungünstigere Klimabilanz kommen natürlich nicht nur in Südamerika vor. Hierzulande gingen etwa große Menge an im Boden gebundenen Kohlenstoffs durch die Trockenlegung von Moorböden verloren.

Laut dem IPCC-Sonderbericht Klimawandel und Landsysteme entfallen übrigens 23 Prozent der weltweiten menschengemachten Treibhausgasemissionen auf die Landwirtschaft.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6235079

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-und-kein-Ende-Wenn-die-epidemische-Notlage-zur-Normalitaet-wird/Weiter-3-von-4-Impfstoffen-ausgeschieden/posting-39839618/show
[2] https://www.n-tv.de/wissen/Experte-Viele-verstehen-Langzeitfolgen-falsch-article22884787.html
[3] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63356/Grippeimpfung-Wie-Pandemrix-eine-Narkolepsie-ausloest
[4] https://twitter.com/CarstenWatzl/status/1452325521426198535?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1452325521426198535%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.deutschlandfunk.de%2Fschweinegrippe-narkolepsie-als-seltene-nebenwirkung-der.676.de.html%3Fdram%3Aarticle_id%3D483838
[5] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0033536
[6] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0033536
[7] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Ampel-Sondierer-stellen-die-Aktienrente-auf-gruen/Das-Rentenniveau-in-Oesterreich-liegt-bei-80/posting-39843177/show/
[8] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Ampel-Sondierer-stellen-die-Aktienrente-auf-gruen/Die-800-Euro-mehr-sind-Unsinn/posting-39844688/show/
[9] https://www.boeckler.de/data/impuls_2018_12_5.pdf
[10] https://www.bundestag.de/resource/blob/710788/cff98772aa3a52480a0d9c52d7910bc7/WD-6-071-20-pdf-data.pdf
[11] https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/CO2-im-Gepaeck-Warum-die-deutsche-Klimabilanz-nur-die-halbe-Wahrheit-ist/Der-Anbau-von-Tierfutter-verursacht-keine-CO2-Emissionen/posting-39852568/show