Forsch auf Kundenjagd
Microsoft: Was wie eine Kampagne gegen Raubkopierer aussieht, hat noch einen anderen Hintergrund
Microsoft macht Menschen mosern. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine Tatsache, die man spätestens dann unterstreichen kann, wenn Word zum zehnten Mal abschmiert, oder Bill Gates den User mal wieder mit einer neuen Windows-Version umwirbt, die zwar kaum neue Funktionen, dafür aber ein paar Tausend potentielle Fehlerquellen enthält. Doch was jetzt kommt, macht Menschen nicht nur mosern, sondern richtig wütend.
Seit einigen Tagen läuft im Radio ein Microsoft-Spot gegen Raubkopiererei. Dessen Quintessenz: Seid ehrlich und lasst eure Programme registrieren! Soweit, so verständlich. Immerhin sind den armen Software-Produzenten durch Raubkopiererei im vergangenen Jahr allein in Deutschland 1,27 Milliarden Mark durch die Lappen gegangen. Doch in den Vereinigten Staaten gingen Gates und Co. weiter, als mit einem harmlosen Spot ins Radio: An unzählige Unternehmen sandten sie in den vergangenen Tagen Post mit der Aufforderung, doch schleunigst die Softwarelizenzen zu überprüfen, und die Ergebnisse dem Konzern binnen 30 Tagen zu übermitteln.
Wir gehen davon aus, dass mittelgroße Unternehmen durch ihr schnelles Wachstum größere Probleme haben, die Lizenzbedingungen einzuhalten,
erklärte eine Microsoft-Juristin dem Nachrichtendienst News.com.
Doch was wie eine Kampagne gegen Raubkopierer aussieht, hat noch einen anderen Hintergrund: Wer nämlich neuere Microsoft-Produkte Lizenzieren lässt, bestätigt gleichzeitig bestimmte Vorgaben des Konzerns einzuhalten. Diese verbieten zum Beispiel Besitzern des "Mobile Internet Toolkit", Software zu nutzen, die unter den Microsoft unliebsamen Konkurrenz-Lizenzen GPL, LPGL oder MPL laufen. Im übertragenem Sinn heißt das: Wer mit unseren Autos fährt, setzt sich in kein anderes.
Was Wunder also, dass Microsoft mit seinem neuen Betriebssystem Windows XP, das am 25. Oktober erscheinen soll und dessen Werbekampagne voraussichtlich eine Milliarde US-Dollar kosten wird, schon jetzt Negativ-Schlagzeilen macht. Zum einen wird das Programm wohl erst dann arbeiten, wenn man die Lizenz bestätigt und sich registrieren lassen hat - selbiges ist beim Programm Office XP schon jetzt der Fall. Zum anderen ist die Software mit Programmen verknüpft, die das Abonnement bestimmter Internet-Dienste unterstützen. Damit frönen Gates und Kumpanen mal wieder ihrem Lieblingshobby: Nämlich dem Microsoft-User ganz subtil zu vermitteln, was sie benutzen dürfen und was nicht.
Und dabei war das Unternehmen in den vergangen zwölf Monaten recht verhalten, sparte sich allzu forschen Kundenkampf und vermied negative Schlagzeilen. Immerhin beriet in jener Zeit die amerikanische Justiz darüber, den Konzern zu zerschlagen. Doch pätestens als bekannt wurde, dass Vize-Präsident Richard Cheney vorvergangene Woche Microsoft-Chef Steve Ballmer empfing, war Experten klar, was vergangene Woche offiziell wurde: Microsoft wird nicht aufgespaltet. Ein Berufungsgericht hob das Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson vergangenen Donnerstag auf und wenig später stiegen die Microsoft-Aktien um 5,4 Prozent, knallten die Sektkorken in der Chefetage des Konzerns. Und nun gehtŽs wieder forsch auf Kundenjagd.