Fracking: Auf zu neuen (Fall-)Höhen?

Seite 3: USA: Neue Lücken im Gesetz

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Um diese Technologie in globalem Maße einsatzfähig zu machen, ist mediale Unterstützung dieses Typs auch notwendig, denn ein Punkt bleibt in der Berichterstattung gern unbeleuchtet: Die Risiken der neuen Fördertechniken und ihre Wirksamkeitsdauer. An der Tatsache, dass Öl ein endlicher Stoff ist, ändert sich wenig, selbst wenn neue Preisniveaus und Technologien bislang nicht förderbare Ressourcen zu nutzbaren Reserven machen. Die wiederholte Unwahrheit, die USA würden bis 2030 zum Ölexporteur werden, lenkt leicht davon ab, dass es auch noch eine Zeit nach 2030 geben wird und Europa nicht die USA ist (Europa am Peak).

Es ist nicht auszuschließen, dass bis 2030 wieder neue Fördertechnologien die Bühne betreten, die eine erneute Verlängerung des Ölzeitalters versprechen, aber es muss betont werden, dass die "neuen" Technologien so neu gar nicht sind, sondern erst eine Gesetzesänderung ihren Einsatz in den USA möglich gemacht hat. Die erste bekannte horizontale Bohrung geschah 1929, aber erst in den 1980ern wurde die Technik ökonomisch anwendbar.

Seit den 1940er Jahren wurden Flüssigkeiten eingesetzt, um unterirdisch Wegungen für Öl und Gas zu schaffen und offen zu halten. Es war jedoch erst der Ölpreisanstieg seit 2003, der die Technik ökonomisch einsatzfähig machte sowie der Energy Policy Act von 2005, der juristische Hürden beiseite rollte. Dieses US-Gesetz fügte dem US-Trinkwasserschutzgesetz (Safe Drinking Water Act) eine Ausnahmeregelung hinzu. Verboten blieben Untergrund-Injektionen weiterhin, allerdings mit folgenden Ausnahmen:

  • die Untergrund-Injektion von Erdgas zum Zweck der Speicherung und
  • die Untergrund-Injektion von Flüssigkeiten oder spaltenfüllenden Medien (mit Ausnahme von Diesel) im Rahmen von Hydraulic Fracturing zur Förderung von Öl, Gas oder geothermischer Energiegewinnung.

Erst die so geschaffene Gesetzeslücke erlaubt es seitdem im großem Stil, Flüssigkeiten zur Öl- und Gasförderung in den Boden zu verpressen. Der große Streit zwischen Umweltbelangen und Förderbelangen geht bekanntlich um die Frage, welche Flüssigkeiten in den Boden verpresst werden dürfen und welche Seitenwirkungen diese Prozedur hat. Die benutzten Flüssigkeiten haben beim Fracking-Prozess zwei Funktionen:

  1. Unter hohen Druck gesetzt sprengen sie in tausenden Metern Tiefe Risse ins Gestein und
  2. transportieren sie Sand oder Keramikteilchen (sogenannte Proppants) in diese Risse, damit diese offen bleiben und nicht vom Druck des umliegenden Gesteins geschlossen werden.

Wegungen schaffen

Diese künstlichen Risse dienen als Wegungen, durch die Öl und Gas fließen kann. Sandkörnchen verhalten sich jedoch sehr störrisch, wenn sie durch reines Wasser gespült werden sollen - das weiß jeder, der einen Eimer mit Wischwasser in den Ausguss kippen will.

Wasser ist nicht das ideale Transportmedium für solche Körnchen. Daher wird es mit allerlei chemischen Zusätzen angereichert, unter anderem mit Extrakten der Guarbohne (Guarkernmehl, E412), welches aus Wasser ein Gel macht. Um zu verhindern, dass das Gemisch unter der Erde zu leben beginnt und die Risse verkleistert, werden Biozide beigemischt, also Substanzen, die Schadorganismen fernhalten oder absterben lassen. Prozentual machen diese Substanzen selten mehr als 5% aus, doch angesichts der großen Mengen an Flüssigkeiten summieren sich selbst kleine Relationen zu großen Mengen. Halliburton bemüht sich beispielsweise um Transparenz und macht die verwendeten Substanzen öffentlich, ernsthaft bewertbar bleiben sie jedoch nur für Chemiker und Biologen.

Das Einpressen der Fluide in den Untergrund ist der eine Aspekt, die Entsorgung bzw. Aufbereitung der Flüssigkeiten nach dem Frac-Prozess ist ein zweiter. In jedem Fall ist die Technik eine mit bedeutsamer Umwelteinwirkung.

Traut man den Vorhersagen zum Output dieser Fördertechnik, so steht ein Diskussionsprozess bevor, der abwägt zwischen dem Nutzen zusätzlicher Öl- und Gasförderung und möglichen Risiken, die sich daraus ergeben, dass Substanzen unter die Erde verpresst werden und beim Rückholprozess Substanzen aus der Erde ausgespült werden (zum Beispiel radioaktive Stoffe).

Argumente zum Peak Oil und dessen sozioökonomischen Wirkungen sprechen durchaus für den Einsatz unkonventioneller Fördertechniken, doch muss man sich die Dimension klarmachen, um die es beim Einsatz des Fracking geht: Zielstellung der Öl- und Gaskonzerne ist es, diese Technik weltweit einzusetzen. Aus geschäftlicher Sicht macht das ja auch Sinn. Da die horizontale Bohrmethode einen Umkreis von etwa 2 Kilometern um eine Bohrstation erschließt, ist also bei flächendeckender Anwendung mit einer Bohrstation alle 4 Kilometer zu rechnen. Tausende Bohrungen pro Lagerstätte sorgen in Konsequenz für ein dichtes Netz an Bohrstationen wie auch ein engmaschiges Durchbohren der oberen Schichten der Erdkruste. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit von defekten Bohrungen gering sein mag (sie werden innen mit Beton ausgekleidet, um sie von den umliegenden Gesteinsschichten zu isolieren) steigt bei der großen Zahl an Bohrungen insgesamt natürlich die Zahl zu erwartender Defekte an.