Frankreich: Die Gelben Westen an der Schwelle zur politischen Bewegung

Seite 2: Die Strategie, die Städte außerhalb und: " Das Ende der Welt und das Monatsende"

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Die von der Regierung gelobte neu kalibrierte Vorgehensweise der Sicherheitskräfte folgte dem Ansatz, dass erstens möglichst wenig nach Paris kommen, aus Furcht dort in Tränengasschwaden oder schlimme Gewaltaktionen zu geraten, zum anderen darin, dass möglichst viele Kontrollen, den Protestierern den Mut zu solchen Einmischungen nehmen, weil zu den verdächtigen Dingen, die ihnen weggenommen wurden, nicht nur Gasmasken gehörten, sondern auch mitgebrachtes Wasser. Die Protestteilnehmer sollten möglichst wehrlos gegen Tränengas (das wieder intensiv eingesetzt wurde) sein, heißt es in sozialen Seiten, die mit der Protestbewegung sympathisieren.

Wesentlich zu Strategie gehörten mobile Polizeiverbände, die in der Stärke von 30 Personen auf besonders kritische Punkten lossteuerten und, wie zu lesen ist, hier und dort nicht lange gefackelt haben, um die Flashballs einzusetzen.

Es ging bei der Taktik, die lange vorbereitet wurde, wie Regierungsvertreter betonten, in der große Linie auch darum, körperliche Nähe zwischen Polizei und Teilnehmern der Protestbewegung zu vermeiden.

Dazu gehörte auch der Einsatz der Polizeistaffel und, dass sich die Polizei von bestimmten heiklen Punkten zeitig zurückzog, um dann später wieder zurückzukehren. In Paris war das, als der Abend hereingebrochen war und sich mit der Dunkelheit die Situation für die Gewaltbereiten unter den Protestierern verbesserte, die Place de la République.

Allerdings, und das ist ein neues Phänomen, worauf sich die politische Führung der Ordnungskräfte erst einstellen muss, stand Paris nicht unbedingt mehr deutlich im Mittelpunkt. So gab es gestern Meldungen von Unruhen und heftigen Auseinandersetzungen in Lyon, Toulouse, Bordeaux, Avignon und Marseille.

"Soziales und Klima" - der selbe Kampf

Bemerkenswert war dabei, dass sich in Lyon und übrigens auch in Montpellier, eine Konvergenz andeutete, die viel besprochen wurde: das Zusammengehen von Gelben Westen und Demonstranten gegen die Klimapolitik, die gestern in mehreren Städten stattfanden.. Ein Slogan dazu wurde schon gefunden das "Ende der Welt und das Monatsende" würden für eine gemeinsame Sache kämpfen: "Social, climat, même combat."

Auf der linken Seite hofft man sehr auf ein solches Zusammengehen, das sich gestern allerdings nur in Ansätzen zeigte, auf der rechten fürchtet man sie. Wie sich die Protestbewegung nun politisch formieren wird, rückt jetzt mehr in den Blick. Sie steht an einer Schwelle. Auch das gehört zur Bilanz des gestrigen Tages. Der nächste Akt gehört Macron und seiner Rede.

Man darf nicht vergessen, der Präsident selbst baute nicht auf eine traditionelle Partei, sondern auf eine Bewegung, um an die Macht zu kommen. Er müsste wissen, dass die Bewegung der gelben Westen Anhängerschaft genug hat, um die nächste, neuere Bewegung zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor zu machen.

Das deutsche Beispiel der Piratenpartei könnte allerdings den Enthusiasmus, den manche mit der Protestbewegung in Frankreich verbinden, dämpfen. Auch da dachte man, dass die Zeit für eine solche Bewegung reif sei und von längerer Dauer. Bis die Partei in ihre unterschiedliche Strömungen zerlegt wurde.