Frankreich: Stopp der Kooperation mit Künstlern aus afrikanischen Putschstaaten
Außenministerium verfügt Aussetzung, Stopp von Visa und Geldern. Kulturwelt ist empört. Warum sich die Fronten verhärten.
Es war eine Nachricht mit Knalleffekt, die gestern Nachmittag von Le Monde verbreitet wurde. Französische Kultureinrichtungen sollen sofort und bis auf weiteres jegliche Zusammenarbeit mit Staatsangehörigen aus Mali, Niger, Burkina Faso einstellen, wurde aus einem Schreiben zitiert, das einer Abteilung entstammt, die dem Außenministerium unterstellt ist.
Keine Einreise mehr für Künstlerinnen und Künstler aus den drei Sahel-Staaten, die mit Frankreich in einem Konflikt stehen, der jederzeit eskalieren kann? Das öffnete den Raum für Diskussionen über Parallelen zum Umgang mit russischen Künstlern.
Wird damit etwa kritischen Personen in Ländern mit einem repressiven System die Möglichkeit genommen, die man russischen Künstlern zugesteht, die in Frankreich eine freie Betätigung suchen?
Oder ist es etwa gar so, dass man in Frankreich keine Künstler aus den antifranzösisch gestimmten Putsch-Ländern will, weil man deren Kritik an der kolonialistischen Vergangenheit und der Afrika-Politik der letzten Jahre aus Paris nicht mehr duldet? Beginnt da ein neuer Kulturkampf?
"Gebieterisches Schriftstück"
Die Entrüstung war groß, in der französische Kulturwelt reagierte man empört, wie die Zeitung berichtete. Der Ton des Schreibens, den die Directions générales des affaires culturelles (DRAC) an unterstellte kulturelle Institutionen versandte, wird von Vertretern der Kulturwelt, die Le Monde zitiert, als schroff und gebieterisch bezeichnet.
Die Anweisung habe katastrophale Auswirkungen, lautete die Sorge. "Was ist aus den Werten Frankreichs geworden, diesem Land der Menschenrechte, das die Charta der Unesco unterzeichnet hat?", fragte ein Festivalleiter.
Le Monde zitierte aus dem Schreiben:
Alle Kooperationsprojekte, die von Ihren Einrichtungen oder Diensten mit Institutionen oder Staatsangehörigen dieser drei Länder durchgeführt werden, müssen unverzüglich und ohne jede Ausnahme ausgesetzt werden. Alle finanziellen Unterstützungen müssen ebenfalls ausgesetzt werden, auch über französische Strukturen, wie z. B. Vereine. Ebenso dürfen keine Einladungen an Staatsangehörige dieser Länder ausgesprochen werden. Ab dem heutigen Tag stellt Frankreich bis auf Weiteres keine Visa mehr für Staatsangehörige dieser drei Länder aus, ohne jede Ausnahme.
Schreiben der Generaldirektionen für kulturelle Angelegenheiten.
Schließlich sah sich die Kulturministerin, Rima Abdul Malak dazu genötigt, klarzustellen: "Nirgendwo werden Künstler boykottiert."
Ihr liege viel am Austausch mit Künstlern und Kulturinstitutionen in den genannten Ländern, es gehe nicht darum, diesen Austausch einzustellen, sagte sie in einem eilig anberaumten Radio-Interview.
Wir boykottieren keine Künstler. Hier gibt es Verwirrung und Missverständnisse. Es ist ein Sicherheits- und Visumsproblem.
Rima Abdul Malak
Nur warum wurden die Sicherheitsprobleme erst nachträglich genannt und was ist mit den Studenten und dem Hochschulaustausch (auch dazu gab es ein Stoppsignal aus Paris)?, haken kritische Journalisten nach.
Das Risiko der militärischen Eskalation
Die Erklärung für die Angelegenheit, die so schnell hochkochte, liegt darin, dass die Putschisten in Niger den französischen Botschafter nicht akzeptieren und ihn ausweisen wollen. Frankreich akzeptiert dies nicht.
Kein Botschafter, also auch keine Visa - mit dieser Politik will Paris den Druck erhöhen. Ohnehin hat man alle Hilfszahlungen an Niger eingestellt. Ähnliches gilt für die beiden anderen Sahel-Staaten, Mali und Burkina-Faso.
Mit dem Stopp von Einladungen an Künstlerinnen und Künstler hat man allerdings eine besondere Aufmerksamkeit geschaffen, die die Ziele der französischen Regierung konterkarieren könnte. Auch wenn man nun beteuert, dass bereits eingeladene Kunstschaffende, die schon ein Visum haben, natürlich einreisen können. Das widerspreche dem unterstellten Boykott von Kunstschaffenden aus den drei Ländern. Alles nicht so schlimm also?
Der Hintergrund spricht dagegen. Der Konflikt, in dem sich Frankreich mit den drei Putsch-Ländern befindet, kann jederzeit aufflammen und er kann sich in andere Länder wie etwa dem Senegal ausweiten. Die alte Ordnung ändert sich, wie bei einer tektonischen Verschiebung, die antifranzösische Stimmung ist gerade unter der jungen Bevölkerung in den Sahel-Ländern ausgeprägt.
Die französische Präsenz in Afrika wird nicht mehr so sein, wie es große Teile der französischen Gesellschaft, die älter ist, kennengelernt haben. Impulse zur Veränderung kommen hauptsächlich von den Jungen.