Frankreich: (Vorläufiges) Ende der Fernsehgebühren
Um die Kaufkraft der französischen Haushalte zu stärken, haben nun beide Kammern beschlossen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender Staatsgelder über die Mehrwertsteuer erhalten.
In Frankreich werden die Fernseh- und Rundfunkgebühren abgeschafft. Gestern Nacht hat sich die zweite Kammer, der Senat, dem vorgängigen Mehrheitsbeschluss der Nationalversammlung angeschlossen. Damit wird ein Wahlversprechen von Macron eingelöst. Das zentrale Argument des wiedergewählten Präsidenten zur Abschaffung der Gebühr ist die "Erhöhung der Kaufkraft" der französischen Bürger.
Bislang waren alle Haushalte, "die ein Fernsehgerät haben", verpflichtet, 138 Euro im Jahr an Gebühren zu bezahlen. 27 Millionen Haushalte sind nun davon befreit.
Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender France Télévisions, Radio France, France Médias Monde (RFI und France 24), INA und Arte soll nun über die Mehrwertsteuer erfolgen. Französische Medien berichten davon, dass von den Mehrwertsteuer (TVA)- Einnahmen etwa 3,7 Milliarden Euro an die Sender gehen sollen, um deren Bedarf zu decken.
Ob die Sender damit auskommen, ist eine offene Frage; wie es auch den Anschein hat, dass die Dauer dieser neuen Finanzierung noch nicht genau ausgemacht ist. Regierungssprecher Olivier Véran wurde kürzlich von Le Monde mit der Angabe "bis 2025" zitiert.
Ähnlich wie in Deutschland sind die verpflichtenden Gebühren für Radio und Fernsehen (contribution à l'audiovisuel public, CAP, oft auch unter dem Stichwort "redevance TV") ein politisch umstrittenes Terrain. Es gibt sachliche Gründe, die gegen die "Fernsehgebühr" sprechen. Diese sei obsolet, wie zum Beispiel der bürgerlich konservative Figaro anmerkt, da viele Haushalte, vor allem mit Jüngeren, gar kein Fernsehgerät mehr besitzen.
Wobei es, wie die Zeitung auch aufmerksam macht, durch den Corona-Lockdown einen Trend unter den Jüngeren zurück zum TV-Schauen gab. Ob sich dieser Trend hielt, ist fraglich.
Vertrauen in das Medium Fernsehen
Eine größere Rolle bei den politischen Diskussionen über Medien, die wie in Deutschland besonders die öffentlich-rechtlichen betrifft, spielt die Frage der Glaubwürdigkeit und da schnitt privates wie öffentliches Fernsehen bei der letzten großen Befragung im Januar dieses Jahres etwas besser als zuvor ab.
Dennoch wurde auch da deutlich, dass es keine mehrheitliche Bekräftigung eines großen Vertrauens gibt:
Die Vertrauensunterschiede zwischen den verschiedenen traditionellen Medien werden immer geringer: Radio und Printmedien sind nun gleich glaubwürdig, 49 Prozent der Franzosen halten die dort verbreiteten Informationen für glaubwürdig. Diese Annäherung ist vor allem auf einen Rückgang des Vertrauens in das Radio zurückzuführen (-3 Punkte), das damit einen historischen Tiefstand erreicht hat. Auch die Glaubwürdigkeit des Fernsehens hat sich den beiden Medien angenähert und ist um 2 Punkte auf 44 Prozent gestiegen.
Kantar, Barometer 2022 des Vertrauens der Franzosen in die Medien, Januar 2022
Allerdings gilt für die Gesamtheit nach wie vor, dass Fernsehen mit 44 Prozent das am stärksten gebrauchte Medium ist.
Der Anfang einer Privatisierung?
Die Befürchtungen, die mit der Abschaffung der TV-Gebühren für öffentliche-rechtliche Sender verknüpft sind, laufen darauf hinaus, dass dies den Weg für eine Privatisierung ebnen könnte. Bislang wehrt die Regierung diese Bedenken mit Emphase ab. Aber niemand weiß bis dato, wie es nach 2025 weitergeht.
Die Verwendung von Mehrwertsteuerüberschüssen zur Kompensation des Verlusts der Rundfunkgebühren sei nur für eine begrenzte Zeit möglich: Das Gesetz über die Ausrichtung der öffentlichen Finanzen vom 28. Dezember 2021 verbiete nämlich ab 2025, die Einnahmen aus einer Steuer Sektoren zuzuweisen, die in keinem Zusammenhang mit dieser Steuer stehen, so der Figaro.
Derzeit geht es der französischen Wirtschaft relativ gut, sie wächst und mit der Inflation wachsen auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.