Fremde Akteure: Die schwere Abgrenzung der EU zum Autoritarismus
Graffiti in Tiflis, Georgien; Bild (November, 2024): EvaL Miko /Shutterstock.com
Wie unterscheiden sich Foreign-Agents-Gesetze eines demokratischen Westens von einem autoritären Osten? Das Auswärtige Amt liefert Telepolis eine bemerkenswerte Antwort.
Über die "fremden Akteure" wurde in den letzten Wochen und Monaten viel berichtet. Angefangen bei der Gesetzgebung im derzeit politisch umkämpften Georgien (Telepolis berichtete), mehrten sich zunehmend die Berichte über angebliche ausländische Einflüsse auf die Länder der Europäischen Union.
Auch Serbien, welches von der EU analog der georgischen und ungarischen Regierung beschuldigt wird, der russischen Föderation zuzuneigen, kündigte Ende des vergangenen Jahres eine ähnliche Gesetzgebung wie Georgien an und sieht sich derzeit mit Massenprotesten konfrontiert.
In einer ähnlichen Situation, inklusive Massenproteste, befindet sich auch die "geschwächte" Regierung der Slowakei unter Ministerpräsident Robert Fico, der die EU Mitte des vergangenen Jahres eine "unverzügliche Einleitung eines juristischen Verfahrens" für den Fall androhte, dass ihr "Fremde Akteure"-Gesetz vom Parlament verabschiedet werden sollte.
USA: Erste Haftstrafe für Verstoß gegen FARA-Gesetz
Die Fremde-Akteure-Gesetze werden im EU- und USA-Diskurs gemeinhin als Gefahr für die Demokratie dargestellt, weil sie dazu genutzt werden könnten, Stimmen aus der Zivilgesellschaft im Sinne eines autoritären Führungsstils zu unterdrücken.
In den USA, wo die entsprechende Gesetzgebung des Foreign Agents Registration Acts (FARA) von Teilen der Medien mit ähnlicher Skepsis beäugt wird, wurde kürzlich mit dem Senator Robert Menendez der erste Politiker für einen Verstoß gegen den FARA zu elf Jahren Gefängnis verurteilt.
Zusammen mit seiner Frau Nadine soll er Hunderttausende US-Dollar an Bestechungsgeldern von einflussreichen Persönlichkeiten wie dem ägyptischen Geschäftsmann Wael Hana angenommen haben, der Menendez' Einfluss genutzt haben soll, um sich ein Monopol für die Halal-Zertifizierung zu sichern.
Das berichtet das Organized Crime and Corruption Project (OCCRP), welches jüngst für Schlagzeilen sorgte, als es in den Verdacht geriet, als verlängerter Arm der US-Außenpolitik zu agieren.
Telepolis hatte in einem früheren Artikel die Verbindungen des Projekts zur US-Entwicklungshilfe USAID und weiteren Geldgebern aufgezeigt.
Die Administration des neuen US-Präsidenten Donald Trump hat kürzlich einen weiteren Gesetzentwurf ins Spiel gebracht, der sich gegen die Terrorfinanzierung aus dem Ausland richten soll, von Kritikern aber mit eben jenem autoritären Gefahrenpotenzial in Osteuropa gleichgesetzt wird.
Ähnliche Gesetzesvorhaben in der EU und Israel
Während die Verurteilung des Senators Menendez als historische Durchsetzung des FARA bezeichnet wird, konnte die einflussreiche israelische Lobby-Organisation AIPAC bisher eine Klassifikation nach dem FARA vermeiden. Auch darüber hat Telepolis bereits berichtet.
Die israelische Regierung hat ihrerseits im Zuge des neu entbrannten Nahost-Konflikts nicht nur ausländische Medien wie das gegenüber islamistischen Bewegungen wie die Muslimbrüder freundliche Al-Jazeera verboten, sondern bereits 2016 das sogenannte "NGO-Gesetz" verabschiedet.
Das sieht unter anderem vor, dass "israelische Non-Profit-Organisationen ihre ausländischen Geldgeber öffentlich machen und im Umgang mit Regierungsvertretern angeben müssen", wie die Jüdische Allgemeine berichtete.
Das Gesetz wurde zwar international scharf kritisiert – der ansonsten Israel besonders nahestehende Grünen-Politiker Volker Beck sprach gar davon, dass es "Putinschen Geist atme" –, aus der internationalen Empörung folgten allerdings keine internationalen Sanktionen.
Telepolis hatte darüber hinaus auch mehrfach zur Sprache gebracht, dass die Europäische Union mit der "EU-Richtlinie zur Transparenz der Interessenvertretung für Drittländer" – die aus dem 2022 von Kommissionschefin Ursula von der Leyen angekündigten "Paket zur Verteidigung der Demokratie" hervorging – ein Gesetz plant, welches ebenfalls darauf abzielt, dem Einfluss ausländischer Akteure Einhalt zu gebieten.
"Fremde Akteure" bei der Bundestagswahl in Deutschland
Im ursprünglichen Gesetzesentwurf zur "ausländischen Einmischung in alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union" von 2022 heißt es:
Die Öffentlichkeit hat ein klares Interesse daran zu wissen, welche Lobbyisten Zugang zu den Entscheidungsprozessen der Regierung haben, um Einfluss auszuüben, einschließlich ihrer Finanzierungsquellen im In- und Ausland.
EU-Gesetzesentwurf zur ausländischen Einmischung
Transparency International warnte im Juni 2024 davor, dass die Richtlinie "Ländern wie bspw. Ungarn, in denen die Justiz und die Medien nicht frei sind, ermöglichen (könnte), noch härter gegen NGOs vorzugehen, die regierungskritisch sind".
Telepolis hatte bereits im vergangenen Jahr ebenfalls frühzeitig darüber berichtet, dass nach Auffassung der Bundesregierung die anstehende Bundestagswahl unter dem Zeichen jener ausländischen Einflussnahme steht.
In diesem Zusammenhang von Relevanz ist die jüngst von Correctiv veröffentlichte "Aufdeckung", wonach Russland mit gefälschten Websites derlei Einfluss massenweise geltend machen wolle.
Ob die deutsche Regierung eine Parallele zu der – wahlweise – georgischen, israelischen oder US-amerikanischen Gesetzgebung sieht, suchte Telepolis in einer Presseanfrage in Erfahrung zu bringen.
Dazu formulierte das Auswärtige Amt folgende Antwort:
(Der) Vorschlag für eine Richtlinie zur Transparenz von Interessenvertretung für Drittländer (…) wird aktuell noch im Rat und Europäischen Parlament beraten. Daher ist eine abschließende Bewertung nicht möglich. Bereits der vorgelegte Entwurf unterscheidet sich aber deutlich vom georgischen Gesetz.
So wird im Vorschlag der EU-Kommission auf auftragsbezogene Dienstleistungen für ein Drittland abgestellt, institutionell geförderte Akteure wie z.B. NGOs sollen gerade nicht darunter fallen.
Im georgischen Gesetz wird dagegen ausschließlich auf die Finanzierung aus dem Ausland als Kriterium abgestellt. Zudem geht es der EU-Kommission um Transparenz und nicht um Sanktionen oder eine Einschränkung der Arbeit der Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern.
Antwort des Auswärtigen Amtes zur Anfrage von Telepolis
Zu dem von Telepolis angestellten Vergleich zur israelischen Gesetzgebung äußerte sich das Auswärtige Amt nicht.
Im oben zitierten Gesetzesentwurf hält die Kommission derweil fest, dass sich die Besorgnis gegenüber einer ausländischen Einflussnahme nicht allein auf klar identifizierbare staatliche Akteure bezieht:
(Die Kommission) ist besorgt über integrierte Lobbying-Strategien, die Industrieinteressen (!) und außenpolitische Ziele miteinander verknüpfen, insbesondere wenn sie den Interessen eines autoritären Staates dienen; fordert die EU-Institutionen daher auf, das Transparenzregister zu reformieren, u.a. durch die Einführung strengerer Transparenzvorschriften, die Erfassung ausländischer Mittel für EU-bezogene Lobbying-Aktivitäten und die Gewährleistung eines Eintrags, aus dem die Finanzierung durch ausländische Regierungen ersichtlich wird; fordert eine wirksame Zusammenarbeit zwischen allen EU-Organen in dieser Frage; ist der Auffassung, dass das australische System der Transparenz ausländischer Einflussnahme ein nachahmenswertes Beispiel darstellt.
EU-Gesetzesentwurf zur ausländischen Einmischung
Australien als Vorbild der EU – USA als Vorbild Australiens
Der letzte Satz dieser Stellungnahme verdient eine genauere Untersuchung. Denn der australische Foreign Influence Transparency Scheme Act (FITSA) ist explizit nach dem umstrittenen FARA-Register der USA modelliert.
Die Juristen Chris Draffen und Yee-Fui Ng haben sich 2020 in einem Paper der University of New South Wales eingehender mit dieser Wahlverwandtschaft auseinandergesetzt.
Zunächst halten die Autoren fest, dass Fremde-Akteure-Gesetze in Russland, Kirgisistan, der Ukraine und Israel sowie die darin vorgesehene Kennzeichnung zivilgesellschaftlicher Gruppen und NGOs letztlich dazu geführt hätten, dass "abweichende Meinungen durch aufwendige Offenlegungspflichten und die stigmatisierende Bezeichnung "ausländischer Agent" gezielt verfolgt wurden".
Dann folgt ein Passus, in dem die Autoren – gleich dem EU-Gesetzestext – auch mittelbar mit staatlichen Interessen assoziierte Entitäten in den Geltungsbereich des FITSA einbeziehen:
(D)er Fokus ausländischer Registrierungssysteme sollte (...) auch auf Einzelpersonen und Unternehmen ausgeweitet werden, die mit ausländischen Regierungen oder ausländischen politischen Parteien verbunden (!) sind, da sie effektiv als Agenten ausländischer Regierungen handeln können.
Chris Draffen und Yee-Fui Ng
Schwierige Abgrenzung
Die Definition wird im Folgenden so weit gefasst, dass die Abgrenzung zu einer Gesetzgebung, die sich auch auf privatwirtschaftliche Organisationen – darunter auch potenziell jene zivilgesellschaftlichen NGOs – erstrecken könnte, zunehmend schwerfällt:
Ein Unternehmen gilt beispielsweise als FGRE (foreign government related entity), wenn eine ausländische Regierung oder eine ausländische politische Organisation (!) mehr als 15 % der Stimmrechte an dem Unternehmen hält, mindestens 20 % der Direktoren ernennen kann, oder die vollständige oder wesentliche Kontrolle über das Unternehmen ausüben kann" (...)
Eine FGRE (foreign gov related entity) liegt auch dann vor, wenn die Direktoren "gewohnt (!) oder verpflichtet sind (ob formell oder informell), gemäß den Anweisungen, Instruktionen oder Wünschen des ausländischen Auftraggebers zu handeln".
Chris Draffen und Yee-Fui Ng
Es scheint damit ebenso schwer vorstellbar, dass eine klare Trennlinie zwischen staatlich geförderten und staatlich gut beleumundeten Unternehmen gezogen werden kann.
Das International Center for Non-Profit Law (ICNL) hat sich dennoch an einer solchen Abgrenzung versucht und eine Übersicht der zahlreichen Gesetzgebungen zusammengestellt, sie zur Kategorie der Fremde-Akteure-Gesetze fallen können.
Ironischerweise demonstriert die FARA-kritische ICNL, die sich international nicht nur für eine demokratische Zivilgesellschaft, sondern auch eine liberale Migrations- sowie aktive Nachhaltigkeitspolitik einsetzt, durch Geldgeber wie die MacArthur Stiftung, die Ford Stiftung oder die Bill and Melinda Gates Stiftung selbst, dass eine klare Abgrenzung von NGOs zu politischen Interessen nicht immer leicht fallen kann.