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Fremdes Leben im Sonnensystem

Mars-Oberfläche. Bild: Alamy

Könnte es trotz Säurewolken, infernalischer Hitze, tödlicher Strahlung und extremer Kälte doch Leben in unserer kosmischen Nachbarschaft geben?

Am nordöstlichen Saum des gewaltigen Vatnajökull-Gletschers ragt das Kverkfjöll-Gebirge auf: Eine Kette aktiver Vulkane, die sich von der monotonen Landschaft Islands abheben. Tief unter diesen Bergen brodelt heißes Magma in unterirdischen Kammern. Hitze aus diesem Hexenkessel lässt das Gletschereis darüber tauen, was eine spektakuläre Eishöhle von 2,8 Kilometern Länge hat entstehen lassen. Das Schmelzwasser sammelt sich in Seen, die gefrieren würden, hielte sie nicht die geothermale Energie der unterirdischen Magmakammern flüssig.

Diese heißen Säureseen mögen zunächst kaum als lebensfreundlich erscheinen, doch gleichwohl haben bestimmte Bakterien dort ihren Lebensraum. Ian Crawford, Professor für Planetare Wissenschaft und Astrobiologie am Birkbeck College der University of London, erforscht diese robusten Organismen. "Ich nehme Proben aus den kochenden Säurenseen. Wir wollen herausfinden, wie sich das Leben angepasst hat, um dort leben zu können." Diese Bakterien sind nur ein Beispiel für Extremophile - Organismen, die unter Bedingungen, die man noch bis vor kurzem für absolut lebensfeindlich hielt, nicht nur mit Ach und Krach überleben, sondern vielmehr blühen und gedeihen. Halophile sind extrem salzresistent, Xerophile überleben an den trockensten Orten unseres Planeten, Alkaliphile gedeihen an stark basischen Orten.

Thermalquellen von Yellowstone. In manchen Quellen des Yellowstone-Parks findet sich so viel Schwefelsäure, dass kein Leben existieren kann - außer bestimmten Bakterien, die sich dort sehr wohl fühlen. Bild: Jim Peaco, National Park Service / Wikicommons, Public Domain

Die Erkenntnis, dass Leben an scheinbar desolaten Orten auf der Erde existieren kann, gab Wissenschaftlern die Hoffnung, ähnliche Lebensformen unter extremen Bedingungen an anderen Orten im Sonnensystem zu finden. Die Forschungen von Ian Crawford in Island helfen, potenziell lebensfreundliche Umgebungen auf dem Mars zu identifizieren. "Kochendes Säurewasser verändert umgebendes Gestein", erklärt er. Eine Interaktion zwischen Vulkanen und Eis fand in der früheren Marsgeschichte sehr häufig statt. Die Mars-Rover tragen Instrumente, um entsprechende Veränderungen am Gestein zu entdecken. So finden sie Stellen auf der Marsoberfläche, die vielleicht einst hydrothermale Becken beherbergten. "Mars erlaubt heute wohl kein Leben, früher aber vielleicht schon." Selbst der Nachweis von Marsleben, das bereits vor langer Zeit ausgestorben ist, wäre ein großer wissenschaftlicher Durchbruch.

Der Mars ist der Planet, der uns derzeit wohl am meisten fasziniert. Dank einer Serie von Rovern, Landern und Orbitern wissen wir über diesen Planeten mehr als über seine Nachbarn. Ja, genaugenommen wissen wir über bestimmte Teile des Mars sogar mehr, als wir über bestimmte Regionen unserer eigenen Erde wissen: Wir haben eine bessere Karte der Marsoberfläche als des irdischen Ozeanbodens! Während der zehn Jahre, in denen die Mars-Express-Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA bereits den Mars umkreis, wurden 95% der Oberfläche abfotografiert.

Insgesamt vier Mars-Rover - fahrende Roboter, die von der Erde aus ferngesteuert werden - wurden erfolgreich gelandet. Die Rover Sojourner und Spirit sind mittlerweile außer Betrieb, doch Opportunity und Curiosity sind aktiv. Curiosity hat unlängst das dritte Jahr erfolgreicher Marserkundung gefeiert. Diese Rover haben unser Wissen über den Planeten revolutioniert. Wir verdanken ihnen nicht nur phantastische Bilder, wie etwa spektakuläre Marssonnenuntergänge. Die Rover haben auch die Oberfläche nach Indizien einstiger Lebensfreundlichkeit des Mars abgesucht. Und was sie gefunden haben, hat Wissenschaftler elektrisiert.

Die Landung von ExoMars. Um sicher auf dem Roten Planeten zu landen, muss der Rover 2018 eine Reihe von Manövern durchführen. Bild: Adrian Mann / Space
  1. Eintritt Das Landmodul tritt in einer Höhe von 120 km in die Marsatmosphäre ein. Die Geschwindigkeit beträgt zu diesem Zeitpunkt immer noch 21.000 km/h.
  2. Hitzeschutz Beim Abbremsen von Mach 35 auf Mach 2 schützen die Vorder- und Hinterhitzeschilde den ExoMars-Rover im Inneren vor den 1.500 Grad Celsius Hitze, die die Reibung mit der umgebenden Atmosphäre erzeugt.
  3. Ballastabwurf Sobald ExoMars die untere Marsatmosphäre erreicht hat, werden Vorder- und Hinterhitzeschild abgeworfen.
  4. Gleitflug nach unten Bei Mach 2 öffnet ExoMars den Fallschirm, um sanfter nach unten zu gleiten und auf unter Schall abzubremsen.
  5. Annäherung Drei Tage, bevor der Mars erreicht wird, löst sich das Landemodul von ExoMars. Die restliche Entfernung wird im Sparmodus zurückgelegt. Wenige Stunden vor der Ankunft erfolgt das Aufwecken.
  6. Messung der Oberfläche Der Computer von ExoMars bestimmt den genauen Punkt in der Landeprozedur mithilfe des Radars, das die Höhe über der Oberfläche misst.
  7. Bremsdüsen Im richtigen Moment über der Oberfläche startet ExoMars seine Bremsdüsen. So wird die Geschwindigkeit reduziert, während sich der Boden nähert.
  8. Landeplatz Den Landeplatz muss man noch unter vier möglichen Orten wählen: Mawrth Vallis, Oxia Planum, Hypanis Vallis und Oxia Palus. Sie finden sich allesamt in Regionen, in denen Leben theoretisch existieren könnte.
  9. Aufsetzen Acht Minuten nach dem Eintritt in die Atmosphäre haben die ExoMars-Bremsdüsen die Sonde auf weniger als 15 km/h abgebremst. Das erlaubt eine kontrollierte Landung auf der Marsoberfläche.

Mars war einst wärmer und feuchter, und besaß eine wesentlich dichtere Atmosphäre. Früher war bis zu ein Drittel seiner Oberfläche mit Wasser bedeckt. Als der Curiosity-Rover im Gale-Krater (der Mount Sharp am Mars-Äquator umgibt) landete und die Umgebung erkundete, fand er Hinweise, dass dies einst ein großer Süßwassersee gewesen war. Als er Schlammstein anbohrte, entdeckte er Mineralien, die zusammen mit Wasser den Krater einst zu einer recht lebensfreundlichen Umgebung gemacht hatten.

Die Vorstellung, dass Mars vor Milliarden von Jahren Leben beherbergte, ist also keineswegs absurd. Heute dürfte es hingegen kein Leben auf dem Mars geben. Der einst feuchte Planet ist nun eine trockene, staubige Wüste mit einer extrem dünnen Atmosphäre, die Leben kaum vor den Gefahren aus dem All schützen könnte.

Der klimatische Niedergang begann wohl vor rund 3,8 Milliarden Jahren. "Leben auf der Oberfläche wäre innerhalb weniger Millionen Jahre ausgestorben, abgetötet von der kosmischen Strahlung, die die Sonne und Supernovae erzeugen", erklärt Dr. Lewis Dartnell, Astrobiologe an der University of Leicester. Dartnell hat Extremophile in den Antarktischen Trockentälern - einer der marsähnlichsten Regionen auf der Erde - gesammelt und mit Strahlung beschossen, um herausfinden, wie gut sie damit zurechtkommen. Nicht gut, fand er heraus.

Übrigens ist keiner der vier Mars-Rover mit Instrumenten bestückt, die Leben direkt entdecken könnten. Sie fahnden nur nach Hinweisen, dass der Planet Umgebungen bot (oder: bietet), die Leben erlauben würden. Die Rover suchen also die richtige Mischung aus Wasser und chemischen Verbindungen, nicht aber nach Leben selbst. Allerdings gab es zwei Mars-Missionen, die Instrumente zur direkten Suche nach Leben mitführten: die Lander Viking 1 und Viking 2. Die beiden NASA-Sonden setzten 1976 auf der Mars-Oberfläche auf. Sie konnten sich nicht wie Rover bewegen, aber ihre Roboterarme sammelten Proben des Mars-Bodens. Diese Samples wurden auf Spuren von Leben untersucht, aber keine von beiden Sonden fand auch nur das geringste Anzeichen.

Doch bereits 2018 könnte der erste Rover starten, der die richtige Ausstattung hat, um direkt nach Marsleben zu fahnden. Die ExoMars-Mission der ESA wird etwas mitführen, was kein bisheriger Rover hatte: einen massiven Bohrer. "Der Bohrer von ExoMars wird zwei Meter lang sein - der von Curiosity ist nur so lang wie mein kleiner Finger," erklärt Dartnell, der an der Mission beteiligt ist. Durch das Hineinbohren in die Marsoberfläche lässt sich ein Bereich untersuchen, in dem sich eventuell altes Leben vor der Weltraumstrahlung versteckt haben könnte.

ExoMars wird auch eine Panoramakamera mitbringen - PanCam -, die nach Gesteinsveränderungen sucht, die den isländischen entsprechen. So kann man nach Indizien suchen, dass lebende Organismen - einst oder heute - die Oberfläche von Marsgestein verändert haben. Die Antwort, ob es jemals Leben auf Mars gab (oder es vielleicht sogar noch existiert), könnten also künftige Missionen liefern.

Leben auf der Venus?

Doch Mars ist nicht der einzige Ort im Sonnensystem, der außerirdische Lebensformen beherbergen könnte. Vielleicht existiert Leben ja hoch in den Wolken unseres nächsten Nachbarn Venus.

Die Venus besitzt 95% der Erdgröße und ist fast eineinhalb Mal näher an der Sonne. Bei Lebensfreundlichkeit würde man eigentlich kaum an die Venus denken. Obwohl sie nicht der sonnennächste Planet ist, ist sie der heißeste Planet. Das liegt an der erstickenden Kohlendioxidatmosphäre und dicken Wolken aus Schwefelsäure, die die Hitze der Sonne wie in einem gigantischen Treibhaus einfangen. Die Durchschnittstemperatur beträgt ungefähr 465 Grad Celsius, was fast dem Dreifachen der Durchschnittstemperatur auf Merkur entspricht.

Trotz dieser harschen Bedingungen ist es nicht ausgeschlossen, dass es Leben auf der Venus gibt. "Hoch in der Wolkendecke ähneln die Bedingungen durchaus denen der Erde. Es ist dort zwar sehr sauer, aber wir wissen von irdischen Extremophilen, dass Leben auch unter diesen Bedingungen existieren kann, " gibt Dartnell zu bedenken.

Die Oberfläche der Venus mit ihrem monströsen Druck und der infernalischen Hitze können wir ignorieren. Doch die Wolken könnten säureliebende Organismen beherbergen. Bild: NASA

Man hat weit oben in der Erdatmosphäre Bakterien nachgewiesen, in Höhen, wo Menschen nur noch in Flugzeugen überleben, die unter Druck stehen. Trotz der weitaus dünneren Luft, der signifikant niedrigeren Temperatur und dem geringeren Schutz gegen UV-Strahlung gibt es dort sogar zahlreiche Bakterien. Ähnliches wäre also durchaus denkbar im Fall der Venus. Doch im Gegensatz zur Erde müsste Venusleben stets weit von der Oberfläche entfernt bleiben - sinkt es herab, würde es zermalmt, gekocht, vernichtet.

Wo aber könnte solches Leben entstanden sein? Die atmosphärischen Bakterien der Erde haben ihren Ursprung viel weiter unten und eroberten sich später neue Lebensräume hoch oben. Die Bedingungen auf der Venusoberfläche sind heute derart rau, dass dort kein Leben entstehen könnte, aber das muss nicht immer so gewesen sein. Ein ausufernder Treibhauseffekt - der vielleicht erst vor ein paar Milliarden Jahren einsetzte - verwandelte die Venus erst nachträglich in den Hexenkessel, der sie heute ist. Falls Leben auf der Venus entstand, als die Bedingungen noch erdähnlich waren, könnte sich dieses Leben heute vielleicht an der einzigen Stelle verschanzen, wo noch eine Existenz möglich ist: hoch oben in den Wolken.

Mikrobenleben könnte sich theoretisch auf unseren beiden Nachbarplaneten verstecken. Aber jedenfalls kennen wir nur einen Planeten, auf dem es nur so wimmelt vor Leben: unseren eigenen. Die Extremophilen illustrieren die große Bandbreite von Umgebungen, in denen Leben gedeiht. Fast alles Leben, vom kleinsten Bakterium hin zum größten Blauwal, hat aber eines gemeinsam: Es ist angewiesen auf flüssiges Wasser. Insofern ist die Erde der ideale Ort. Sie ist nicht zu nahe an der Sonne wie die Venus, wo es zu heiß ist und das Wasser verdampft. Sie kreist auch nicht so weit weg wie der Mars, wo es zwar viel Wasser gibt, das aber in gigantischen Eisschichten gefangen ist.

Unser Planet befindet sich innerhalb der habitablen Zone - der Bereich möglicher Umlaufbahnen, in denen die Temperaturen flüssiges Wasser erlauben. Zwar stimmen nicht alle Astrobiologen dem zu, aber das Mantra der Alienjäger lautet typischerweise: "Folge dem Wasser". Deswegen interessieren sie sich besonders für die Exoplaneten, die erdähnlich sind und ihr Zentralgestirn in der habitablen Zone umkreisen.

Bislang wurden fast 2.000 bestätigte Exoplaneten gefunden, wovon aber lediglich eine Handvoll Felsplaneten in der habitablen Zone ihres jeweiligen Sterns sind. Teleskope, die im nächsten Jahrzehnt ins All gebracht werden sollen, werden Instrumente besitzen, um die Atmosphären dieser erdartigen Planten auf Anzeichen von Leben zu prüfen. Natürlich geht auch die Suche in unserem eigenen Sonnensystem weiter, und zwar jenseits von Mars und Venus. Denn Wasser könnte es auch weit außerhalb der habitablen Zone geben.

Jenseits von Mars und Venus

Vielleicht glauben Sie irrtümlicherweise, dass die Erde - deren Oberfläche zu 70% mit Wasser bedeckt ist - das wasserreichste Objekt im Sonnensystem sei. Irrtum. Dieser Titel geht an Europa, einen der 67 Jupitermonde. Europa ist zwar kleiner als unser Mond, besitzt aber rund zweimal so viel Wasser wie alle Ozeane, Seen und Flüsse der Erde zusammen. Dieses Wasser ist flüssig, obwohl Europa 750 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist - das ist dreimal weiter als die Außengrenze der habitablen Zone. Nicht die Sonne hält das Wasser von Europa warm, sondern der Jupiter. Europa umkreist den Gasriesen in gerade einmal dreieinhalb Tagen und wird dabei von der immensen Jupitergravitation brutal durchgerüttelt. Die Schwerkraft überträgt dabei soviel Energie in den Kern des Mondes, dass ein großer Ozean mit Flüssigwasser existieren kann. Die kolossalen Gezeitenkräfte haben auch zur Folge, dass der unterirdische Ozean um Hunderte von Metern steigt und fällt. Er ist durch einen gigantischen Eispanzer vom Vakuum des Weltraums abgeschottet. Auf dem Panzer zeigen sich gigantische Sprünge, die Lineae, die das darunter herumschwappende Wasser aufbricht.

Leben in diesem unterirdischen Ozean wäre von dem wenigen Licht abgeschottet, das überhaupt das äußere Sonnensystem erreicht. Doch wir kennen auf der Erde auch Leben, das tief in den Ozeanen ohne jedes Sonnenlicht gedeiht. Es zieht seine benötigte Energie stattdessen aus Mineralströmen, die aus Spalten in der Erdkruste empor sprudeln. Jupiters Gezeitenkräfte könnten vergleichbare hydrothermale Schlote auf dem Ozeanboden Europas entstehen lassen. Vielleicht gibt es sogar Sauerstoff: Kosmische Strahlung, die auf die Eisoberfläche trifft, könnte Wasser in Sauer- und Wasserstoff aufspalten, und der Sauerstoff könnte theoretisch durch die Sprünge in den Ozean darunter gelangen.

"Alles hängt letztlich davon ab, wie dick der Eispanzer ist, und derzeit wissen wir das schlichtweg nicht, " wendet allerdings Dartnell ein. Die große Menge an flüssigem Wasser macht die Wissenschaftler neugierig, und viele haben eine Mission gefordert, die auf dem Eis landen soll. Zwar gibt es derzeit nicht einmal derlei Planungen, aber JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer, Start: 2022) soll immerhin nahe an Europa vorbeifliegen. Bislang hat dies nur Galileo (Start: 1989) getan.

Das mysteriöse Innenleben eines Eismonds. Bild: Science photo library
  1. Felskern Der Kern dürfte felsig sein und hauptsächlich aus Silikaten bestehen.
  2. Salzmeer Unter der Eisschicht von Enceladus soll sich ein Ozean verbergen. Er ist verantwortlich für die thermalen Ausbrüche in der Südpolarregion.
  3. Mantel Ein wassereisreicher Mantel umgibt den Kern des Monds.
  4. Tigerstreifen Diese Ritzen, aus denen Geysire spritzen, werden wohl in der turbulenten Vergangenheit des Monds entstanden sein.
  5. Geysire Flüssiges Wasser unter Druck steigt durch die spröden Eisschichten auf. Schließlich erreicht es die Oberfläche in Form von heißem Dampf und Wassertröpfchen.

Bislang stand Europa stets unangefochten im Mittelpunkt der Diskussion, wenn es um habitable Monde im Sonnensystem geht. Doch seit Kurzem wandte sich das Interesse einem noch kleineren, noch ferneren Mond zu: dem Saturnmond Enceladus. 2005 erwischte die Sonde Cassini den Mond, wie er an seinem Südpol eine Wasserfahne ins All spie. Das Wasser scheint aus vier gigantischen Rissen zu stammen, die sich über die Mondoberfläche ziehen und die man die Tigerstreifen nennt. Sie heißen Baghdad, Kairo, Alexandria und Damaskus. Seitdem wurden mehr als Hundert solcher Fontänen beobachtet. Zusammen speien sie 200 Kilogramm Wasser pro Sekunde aus.

Daten von Cassini weisen darauf hin, dass die Jets aus einem Wasserozean unter der Eiskruste des Monds stammen. "Das Wasser würde reichen, um den Lake Superior in den USA zu füllen," erklärt Luciano Iess von der Universität La Sapienza in Rom. Könnte sich in diesem Ozean Leben verbergen? Dartnell bleibt skeptisch: "Ich denke, eher findet man Leben auf Europa als auf Enceladus. Aber die Suche ist bei Enceladus nicht so schwierig." Da Enceladus Wasser ins Weltall speit, kommt man leichter heran als an das Europawasser unter dem Eispanzer. Sonden könnten durch die Wasserfahnen von Enceladus fliegen, Proben sammeln und diese sogar zur Erde zurückbringen. Dagegen wäre die Probenentnahme auf Europa sehr schwierig.

Eine Sonde auf einem Objekt im äußeren Sonnensystem zu landen, ist nicht trivial. Bislang geschah dies erst einmal: Im Januar 2005 ging Huygens auf die Titanoberfläche nieder. Titan, der größte Saturnmond und der zweitgrößte Mond im Sonnensystem, ist größer als der Merkur und besitzt als einziger Mond eine dichte Atmosphäre. Wie bei der Venus erschwert die Atmosphäre Oberflächenbeobachtungen sehr. Daher sollte Huygens nachsehen, was sich unter den Wolken verbirgt. Die so gewonnenen Erkenntnisse interessierten auch die Astrobiologen.

Wie auf der Erde gibt es auch auf Titan Seen, Flüsse und Meere. Man findet Inseln, Küstenlinien und Archipele. Doch dieses System basiert nicht auf Wasser, sondern auf Flüssigmethan, das auch als Regen wie bei uns das Wasser niedergeht. Kohlenwasserstoffe, die als Bausteine des Lebens dienen, hat man auch entdeckt. Doch kann sich Leben unter so fremdartigen Bedingungen entwickeln?

Wir wissen nicht, ob Flüssigmethan genauso effizient als Lösungsmittel für Strukturen wie DNA fungieren kann.

Dr. Lewis Dartnell

Titan hat auch flüssiges Wasser - nur nicht an der Oberfläche. Im Juli 2012 fanden Wissenschaftler in den Cassini-Daten Hinweise, dass der Mond einen Ozean unter der Oberfläche besitzt, der aus flüssigem Wasser und Ammoniak besteht. Er ist wohl extrem salzig, vielleicht so salzig wie das Tote Meer. Doch wiederum haben Extremophile bewiesen, dass sich Leben auch an hohe Salzmengen anpassen kann, zumal wenn das Wasser einst weniger salzig war. "Titan könnte theoretisch nicht nur eine Biosphäre haben, sondern zwei", meint Dartnell. Wäre dem so, könnten sich die beiden Ökosysteme völlig unabhängig voneinander entwickelt haben.

Zieht man weitere Stoffe als Lösungsmittel für Leben statt Wasser ins Kalkül, ist Triton, der größte Neptunmond, ein weiterer Kandidat. Die Temperatur dort beträgt nur noch -235 Grad Celsius, sodass nicht einmal mehr Methan flüssig bleibt. Doch unter der Eiskruste existiert wahrscheinlich ein Ozean. Eisvulkane an der Oberfläche speien flüssigen Stickstoff und Methan aus. Kohlenwasserstoffe gibt es auch. Trotzdem dürfte Triton kaum Leben zulassen. "Triton ist ein Außenseiterkandidat. Niemand weiß, ob Flüssigstickstoff Leben ermöglichen kann, " gibt Dartnell zu bedenken.

Die Crybot-Sonde soll kilometerdicke Eispanzer durchbrechen und erforschen, was darunter verborgen ist. Bild: NASA

Was Triton besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass er als einziger größerer Mond des Sonnensystems rückläufig umläuft - also umgekehrt zur Eigendrehung seines Planeten. Es ist schwer vorstellbar, dass sich ein großer Mond rückläufig kreisend gebildet hat. Deswegen nimmt man an, dass Triton erst nachträglich von der Neptunschwerkraft eingefangen wurde. Entstanden ist der Mond wohl im Kuipergürtel - einer Region mit eisigen Objekten, zu denen auch der Zwergplanet Pluto gehört. In dieser Region befindet sich mindestens zwanzig Mal mehr Material als im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Jenseits des Kuipergürtels befindet sich die sogenannte Scattered Disk - Heimat kurzperiodischer Kometen wie des berühmten Halleyschen Kometen. Sowohl Kometen als auch Asteroiden tragen komplexe organische Moleküle, die das Bausteine des Lebens fungieren könnten. Missionen wie Rosetta von ESA - die nach einer zehnjährigen Reise über 400 Millionen Kilometer den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko erreichte - sollen mehr über die Verbindung zwischen Kometen und Leben herausfinden.

In der Frühzeit des Sonnensystems waren die Planeten und Monde einer Vielzahl von Kometen- und Asteroideneinschlägen ausgesetzt. Diese Periode heißt "Großes Bombardement". Merkur und Mond zeigen noch heute Narben davon. Vielleicht kamen so diejenigen chemischen Verbindungen auf die noch junge Erde, aus denen sich später das Leben entwickelte. Wäre dem so, dann könnten auch andere Orte im Sonnensystem damals entsprechend geimpft worden sein. Diese Frage, nämlich ob sich diese Samen auch andernorts zu Leben entwickelten, war eine treibende Kraft hinter der bisherigen Weltraumforschung im Sonnensystem.

Allerdings wissen wir immer noch nicht, was eigentlich ein lebensfreundliches Habitat ausmacht. Nach wie vor ist die Erde der einzige Ort, der erwiesenermaßen Leben erlaubt. Und wir wissen nicht einmal, wie das Leben auf unserem Planeten überhaupt begann. Wüsste man, wie unbelebte chemische Verbindungen - die vielleicht von Kometen stammen - zu etwas wurden, was wir Leben nennen, wäre dies ein großer Schritt. So könnten wir besser vorhersagen, ob dies auch auf anderen Welten - in unserem Sonnensystem oder anderswo - geschehen sein könnte.

Fremdes Leben im Sonnensystem (6 Bilder) [1]

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Thermalquellen von Yellowstone. In manchen Quellen des Yellowstone-Parks findet sich so viel Schwefelsäure, dass kein Leben existieren kann - außer bestimmten Bakterien, die sich dort sehr wohl fühlen. Bild: Jim Peaco, National Park Service / Wikicommons, Public Domain

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