Friedensbewegung und Nuklearstrategie
Seite 2: Risiko neuer Atomwaffen für "Enthauptungsschlag"
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Dieses Risiko geht die Nato mit der Stationierung der zum Enthauptungsschlag fähigen B61-12 wissentlich ein. Schlimmer noch: Neben der Bestückung der für den Atomkrieg im Bundesetat geplanten US-Tarnkappenbomber F-35 steht aktuell auch die Stationierung der Hyperschallwaffen der USA in Deutschland an. Über die "Dark Eagle" genannten Hyperschallraketen schrieb die Irish Times vor einem Jahr:
Die Vereinigten Staaten haben erstmalig seit dem Kalten Krieg eine nukleare Einheit in Deutschland reaktiviert, die mit Hyperschall-Langstreckenraketen vom Typ "Dark Eagle" bewaffnet werden. Wenn diese Raketen fertig entwickelt und einsetzbar sind, können sie eine Geschwindigkeit von 4.000 Meilen pro Stunde erreichen und Russland wie ein Blitz in nur 21 Minuten und 30 Sekunden treffen.
Die aktuell gefährlichste militärstrategische Entwicklung könnte sich in unseren Tagen nicht im Jemen, nicht in Syrien und nicht in der Ukraine ereignen, sondern in der Nato und dabei konkret zugespitzt in Deutschland.
Die Friedensbewegung der 1980er-Jahre hatte sich genau dieser Gefahr entgegengestellt. Auf der ersten Großdemonstration mit weit über dreihunderttausend Demonstrierenden sagte die US-amerikanische Friedensaktivistin Randall Forsberg1:
Die neuen amerikanischen Raketen … stellen einen extrem gefährlichen Versuch dar, … einen Präventivkrieg führen zu können … die Pershing II erreicht die UdSSR in zehn Minuten. Ihr Atomsprengkopf gräbt sich in die Erde hinein, … Aus diesem Grund ist die Pershing II besonders geeignet, die unterirdischen Raketenkontrollzentren der Sowjets außer Gefecht zu setzen.
Die Folge davon ist, dass in einem Krisenfall die sowjetischen Generäle unter großem Druck stehen könnten, sich für einen Präventivschlag gegen die Pershing-Raketen entscheiden zu müssen, bevor diese ihre eigenen Kommandozentralen zerstören wurden. Deswegen ist die Stationierung der Pershing II auf europäischem Boden ein weiterer Schritt in Richtung auf die Auslösung des "atomaren Stolperdrahtes" …
2022 verfolgen die USA laut der gerade neu veröffentlichten Nuclear Posture Review (NPR) die Option, ihre militärischen Nuklearpotentiale auch als Erste einzusetzen:
Während seiner Präsidentschaftskampagne sprach sich Joe Biden wiederholt für eine No-First-Use- (Keinen nuklearen Erstschlag) und für eine Einzweckpolitik für US-Atomwaffen aus. Doch der NPR lehnt beides unter den gegenwärtigen Bedingungen ausdrücklich ab…, … stellt auch fest, dass "die Vereinigten Staaten mit den betroffenen Verbündeten zusammenarbeiten werden, um sicherzustellen, dass der Übergang zu modernen DCA [dual-capable aircraft, zweifach einsatzbare Flugobjekte] und der B61-12-Bombe effizient und mit minimaler Unterbrechung der Einsatzbereitschaft erfolgt".
An dieser brisanten Stelle steht die Welt zu Beginn der 20er-Jahre dieses Jahrhunderts: Die von den Militärs generierten existenziellen Bedrohungen für die Zivilisation und die ökologische Katastrophe so weitgehend, wie nur irgend möglich abzuwenden, das ist die primäre Aufgabe unserer Zeit. Sie ist größer als die Kriegsgefahr, gegen die die Friedensbewegung einst aufstand, und sie lässt sich nur gegen die Kräfte der Zerstörung durchsetzen, wenn die Kräfte für die Zukunft zusammenwirken.
Dorothee Sölle sagte auf der Demonstration am 10.10.1981:
Vielleicht müssen wir das Neinsagen üben, … Wir haben eine ganz einseitige Auffassung, einseitig gegen die Massenvernichtungsmittel, die man so wenig Waffen nennen kann wie das Gas, das Hitler in Auschwitz verwenden ließ, eine "Waffe" war.
Dieses Nein entspringt einem Ja zum Leben.
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