Führungswechsel bei Roskosmos: Russlands Raumfahrt in der Krise

Juri Borissow (hinten mitte) wurde als Roskosmos-Leiter abgesetzt
(Bild: ID1974/Shutterstock.com)
Roskosmos in der Krise. Juri Borissow nach nur zweieinhalb Jahren als Chef der russischen Raumfahrtbehörde abgesetzt. Hoffnungen auf neue Impulse gedämpft.
Nach nur zweieinhalb Jahren an der Spitze der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos wurde Juri Borissow vergangene Woche von Präsident Wladimir Putin von seinem Posten entbunden. Wie der Kreml mitteilte, übernimmt der erst 39-jährige bisherige stellvertretende Verkehrsminister Dmitri Bakanow die Nachfolge.
Der ausgebildete Ökonom Bakanow arbeitete in der Vergangenheit für das Satellitenkommunikationsunternehmen Gonets, ist jedoch für die NASA weitgehend ein unbeschriebenes Blatt. Die US-Weltraumbehörde arbeitet im Rahmen des Betriebs der Internationalen Raumstation weiterhin mit Russland zusammen.
Zu seinem Vorgänger Borissow hatte die NASA ein vergleichsweise gutes Verhältnis aufgebaut. Dieser brachte nach der Entlassung seines streitbaren Vorgängers Dmitri Rogosin im Jahr 2022 deutlich mehr Stabilität in die Beziehungen zwischen NASA und Roskosmos.
Hintergründe der plötzlichen Entlassung unklar
Der Grund für Borissows scheinbar plötzliche Entlassung ist unklar. Es gab keine offensichtliche öffentliche Kontroverse und er befand sich mit zweieinhalb Jahren noch recht früh in seiner Amtszeit. Der Kreml ließ verlautbaren, dass es mit Borissow keine Probleme gegeben habe und es sich um eine "turnusmäßige Rotation" in dem Amt handle.
Nach Informationen des russischen Medienportals RBC könnte die Entlassung mit Unklarheiten über die Kosten und Umsetzung des Nationalen Raumfahrtzentrums in Moskau zusammenhängen.
In russischen Nachrichtenberichten und Telegram-Kanälen kursieren verschiedene Theorien. Eine häufig genannte Vermutung ist, dass Borissow nach einem fehlgeschlagenen Test der strategisch wichtigen ballistischen Mittelstreckenrakete Oreschnik entlassen wurde. Diese kam erstmals im November 2024 im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz. Eine andere Theorie hat mit Korruption um Borissows verstorbenen Sohn zu tun, wie das Portal Ars Technica berichtet.
Russlands Raumfahrtprogramm in der Krise
Möglicherweise wurde Borissow jedoch auch schlicht wegen des allgemein schlechten Zustands von Roskosmos entlassen. Die Behörde ist mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, darunter Korruption, mangelnde Investitionen, niedrige Löhne und schlechte Mitarbeitermoral, Abwanderung von Fachkräften durch den Krieg gegen die Ukraine, veraltete Technologie und schrumpfende kommerzielle Märkte.
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte in Zusammenhang mit Borissows Entlassung, dass die russische Raumfahrt "mehr Dynamik" benötige.
Russland fehlt das Geld, um seine Raumfahrtprogramme ausreichend zu finanzieren. Die technischen Anstrengungen konzentrieren sich auf Rüstung.
Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergangenen westlichen Sanktionen haben den Niedergang der russischen Raumfahrt zuletzt weiter verschärft. Diese setzte in den turbulenten Jahren nach dem Ende der Sowjetunion vor allem auf westliche Partnerschaften wie beispielsweise beim Aufbau der Internationalen Raumstation (ISS) und Sondenmissionen. Diese Form der Kollaboration liegt jetzt – bis auf wenige Ausnahmen, wie die genannte ISS – in Trümmern,
Die Zahl der Starts ging unter Borissows Leitung weiter zurück. 2023 startete Russland noch 19 Raketen, drei weniger als 2022. Gegenüber dem Vorkriegsjahr 2021 war dies ein Rückgang um 25 Prozent, verglichen mit den frühen 2000er Jahren hat sich die Zahl der Starts fast halbiert.
Borissow selbst räumte ein, dass Roskosmos den staatlichen Startplan für 2023 nicht erfüllt hat. Ein Ende der Krise der zivilen Raumfahrt in Russland ist indes bislang nicht absehbar.