Für Deutsche ist überall in England "Freiburg"
Seite 2: "Get the Abo"
Lachhafterweise erstreckten sich die Unkenntnisse des Englischen in Österreich bis in die höchsten Ebenen der Politik. "Get the Abo" verkündete ein Plakat, das ein Abonnement für die Oper anpries. Für jeden Besucher aus Australien klang es dagegen wie die Aufforderung, einen australischen Ureinwohner mit dem Messer oder Gewehr kalt zu machen. Aber, weiter auf dem Australientrip, verkündeten Posterwände in Wien, völlig sinnentleert: "There are no Kangaroos in Austria."
Übrigens finde ich die britischen Englisch-Lehrbücher durchaus spaßig gemacht. Aber für wen sind sie gemacht? Sicher nicht für Schulkinder in Deutschland oder Österreich, denn "spaßig" verstehen dort weder die Lehrer noch die Schüler. Sie wollen auch absolut nicht wissen, wie irgendwelche Dinge in England ablaufen, oder wie das Leben so in England eben ist. Sie wissen, dass Mobbing und Messerstechereien in England ebenso zum Alltag gehören wie in Deutschland und Österreich. Was sie aber real benötigen im Unterricht, ist, zu lernen, wie man beim Nachbarn abschreibt, wie man bei Tests betrügt, und wie man die Versetzung oder den Nachzipf am Ende des Sommers schafft, ohne irgendeine Leistung zu erbringen.
Als ich ein Interview mit Jörg Haider hörte, das der australische Staatssender ABC aufgenommen hatte, wurde mir zweierlei klar. Erstens, dass "cheating", also "Betrügen", in der Schule, in der Politik, im Bett zu den Kardinalqualifikationen eines Österreichers gehören. Man lässt ein Nazi-Sprüchlein ab, wie einen kleinen Furz, dann wird man von den Menschen seiner Umwelt darauf aufmerksam gemacht, dass das ein Fehler war, dann sagt man "sorry", und alles ist wieder gut. Das ist kein Zitat, sondern eine verkürzt zusammengefasste Version dieser Maxime. Dass Nazi-Wiederbetätigung in Österreich als Straftat gilt, die mit Gefängnis geahndet wird, war ihm, dem Mann, der demnächst Bundeskanzler werden wollte, entweder unbekannt oder entfallen.
Der zweite Punkt war dieser. Obwohl Haiders Englisch grottenschlecht war, war er doch der einzige Politiker Österreichs, der sich auf Englisch halbwegs passabel ausdrücken konnte. Haider war so etwas wie der Klassenkomiker in der österreichischen Politik - und der damalige Kanzler Franz Vranitzky war der Klassenlehrer der ihm regelmäßige Einträge mit roter Tinte ins Klassenbuch schrieb. Haider war ein Polit-Kabarettist im österreichischen Parlament, lange bevor der Berufskabarettist in der Politik heimisch wurde.
Allerdings mimte Haider den Nazi für die Alteingesessenen, und den James Dean für die Jugend. "Der Falter", die Wiener Stadtzeitung, nannte ihn den "Feschist". Einen Bungee-Jumper im Armani Anzug, dem es in der Politik nur um sich selber ging. Natürlich konnte er besser Englisch als Vranitzky, aber der Kanzler frischte seine Sprachkenntnisse genauso regelmäßig auf wie er alle drei Wochen zum Frisör ging. Das hatte Haider nicht nötig, denn außer dem greisen Außenminister Alois Mock hatte sonst kaum jemand Fremdsprachen in petto. Mock sprach fließend Französisch, ein Dino aus vergangener Zeit.
Da nutzte es gar nichts, wenn Radio Liberty, ein amerikanischer Staatssender, in Wien dem altgvattrischen Sender ORF ein Ei in den Korb legte, unter dem nicht minder altgvattrischen Namen Radio Blaue Donau. Blue Danube Radio galt den Wienern nicht selten als "Feindsender", er schürte eher Ressentiments gegen das Englische als Sympathien - und schließlich gründete der ORF seinen eignen Jugendsender, FM 4, ausgesprochen FM Fear. Dort lernt die Wiener Jugend seit bald 20 Jahren in erster Linie schwarzamerikanisches Revolutionsvokabular, Mofo und Ho, etc.
An der Wiener Uni wird unterdessen ein eigenes Österreichisch-Englisch unterrichtet, das sich seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert zu haben scheint. Selbst Muttersprachler aus England und Amerika werden dort gelegentlich nicht zum Studium zugelassen.
Natürlich gibt es so etwas wie ein "korrektes Englisch" - und gerade den Amerikanern möchte man gerne die Kompetenz dafür absprechen. Gibt es bei einer Präsentation wirklich ein Vorher und ein Nachher? Die Pree-sentation, die heutzutage überall auf Youtube zu hören ist, verlangt geradezu nach einer Post-sentation. Die langlebigen alten Menschen scheinen in Amerika ihre letzten Jahrzehnte auf der Couch herumzulungern, sie praktizieren die Lounge-Evity. Ihr Alter ist also, wie man im Deutschen sagt, total versofat.
"Misused English words and expressions in EU publications"
Um etliche Größeneinheiten schriller kommt da allerdings die Sprachenverwirrung aus Brüssel daher, die der britische Autor Jeremy Gardner in seinem Buch "Misused English words and expressions in EU publications" (2016) aufgespießt hat. Gardner hat jene nüchterne Kompetenz, die (nicht ohne trockenen Humor) den falschen oder fehlerhaften Gebrauch der englischen Sprache in der EU fixiert - aber daraus nicht auf die Minderwertigkeit der Benutzer schließt. Eher auf die miese Qualität des Englischunterrichts.
Ich fragte den Autor, ob es seit der Ausgabe von 2016 eine weitere Folge gegeben habe? Nein - und eine weiter stünde derzeit auch nicht in Aussicht. Das dürfte wohl die erste Folge des Brexit sein, dass es keine Kontrolle mehr über die richtige Verwendung des Englischen auf einer hohen Präzisionsebene geben wird. Vielleicht werden wichtige Verträge je nach individuellem Sprachverständnis einer Politschranze verfasst, gerade dann, wenn z.B. Deutsch zur dominanten innereuropäischen Sprache aufstiege, wie das der satirische Floh im EU Pelz, Martin Sonneborn, zu suggerieren scheint. Ich halte es nicht einmal für ausgeschlossen, nachdem sich überall in der EU die Begeisterung für die einstige Größe Hitler-Deutschlands wieder regt.
In England scheint man unterdessen einen Intelligenztransfer vorzunehmen, immer mehr politisch vive und schnellredende Engländer zieht es nach Amerika, und trotz aller Spelling Bees (Buchstabierwettbewerbe) und anderer Zaubertricks (▶Hip-Hop Schnellquasseler), scheinen die Amerikaner da doch kaum mithalten zu können. Möglich, dass die Briten sich aus Europa zurückziehen und dann wieder auf ihre dumpfbackigen Weggefährten von ehedem hernieder regnen - aus Nordamerika.
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