Für die EU-Minister ist wieder alles gut
US-Außenministerin Rice konnte auch in Brüssel weiter mit Worten spielen, britische Lordrichter haben nun für Großbritannien eindeutig gegen Folter Stellung bezogen
Die europäischen Regierungen gingen nun auch während der Nato-Tagung sehr zaghaft mit ihrem großen Bruder in Form der US-Außenministerin Rice um, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten im amerikanischen "globalen Krieg gegen den Terror" geht, weil sie teilweise zumindest selbst mit verwickelt sind und keine größeren Konflikte mit der Supermacht riskieren wollen. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer entschied, Rice habe die "Luft gereinigt", das Thema sei beendet. Wenn schon nicht die Regierungen, so haben nun wenigstens britische Richter ein klares Signal gesetzt, dass Folter keinen Platz in einem Rechtsstaat haben kann.
Auf verbaler Ebene hat Rice allerdings während ihrer Europa-Reise einige Zugeständnisse gemacht, aber nicht wirklich für Vertrauen gesorgt, zumal jedes Zugeständnis nur noch einmal deutlich macht, dass die Bush-Regierung für den Kampf gegen den Terrorismus eine Art Ausnahmezustand reklamiert hat. Was Rice im Einzelnen mit den EU-Ministern besprochen hat, ist nicht bekannt, aber nun scheinen alle zufrieden zu sein und möchten gerne das unangenehme Thema hinter sich lassen. In Brüssel versicherte:www.state.gov/secretary/rm/2005/57805.htm Rice erneut, dass die USA sich an die Gesetze halten und keine Folter erlauben. Aber das sind natürlich weiterhin Formulierungen, die der Interpretation bewusst offen stehen.
Auf einzelne "renditions" ging sie aber ebenso wenig ein wie auf die Frage, ob die USA für die CIA-Flüge mit Gefangenen die Genehmigung der europäischen Länder eingeholt habe. Und die CIA-Gefängnisse blieben ebenso wie die in ihnen Inhaftierten außen vor. Das betrifft auch das von den USA betriebene Gefangenenlager im Camp Bondsteel im Kosovo. Nach Marek Nowicki, dem UN-Ombudsmann im Kosovo, würde das US-Militär hier Menschen unter Missachtung von rechtsstaatlichen Prinzipien festhalten. Das Gefängnis sei, so sagte er der Berliner Zeitung, "keiner externen zivilen oder juristischen Kontrolle" unterworfen. Sowohl im Kosovo als auch in Afghanistan, wo es neben Bagram weitere Gefängnisse wie das gibt, in dem el-Masri gefangen gehalten wurde, operieren US-Truppen zusammen mit europäischen Verbänden.
Selbst in Abu Ghraib, in dem die US-Regierung die Gefangenen den Genfer Konventionen unterstellte, wurden einige vor dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes versteckt. Zu den anderen Lagern hat es keinen Zutritt, obgleich die US-Regierung immer wieder beteuert, dass selbst Terroristen nach den Prinzipien der Genfer Konventionen behandelt würden, obgleich die von der US-Regierung eigenwillig geschaffene Klasse von Verdächtigen keinen Anspruch darauf haben und, in klarer Verletzung der Menschenrechte, wie Outlaws behandelt werden könnten.
Die USA haben den "Krieg" gegen den Terror ausgerufen und die Genfer Konventionen wurden auch auf nichtstaatliche bewaffnete Organisationen erweitert. Man wird sich auch erinnern, dass die US-Regierung auch in Guantanamo lange erst einmal dem Roten Kreuz keinen Zugang ermöglichte und dass lange bekannt ist, dass Gefangene etwa in Abu Ghraib vor dem Roten Kreuz versteckt wurden und eine unbekannte Zahl von Menschen weiterhin an unbekannten Orten gefangen gehalten werden. Dass auch die bekannt gewordenen Fälle von Folter und Misshandlungen nicht wirklich geahndet und nur ein paar Bauernopfer an unterster Stelle gemacht wurden, während die Verantwortlichen in CIA und Pentagon unbescholten im Amt blieben oder Rechtsverdreher zugunsten von Folter wie der ehemalige Rechtsberater des Weißen Hauses Gonzales ausgerechnet noch zum Justizminister ernannt wurden, zeugt nicht gerade davon, dass in den USA und Europa internationale Abkommen nicht unterschiedlich verstanden werden, wie der deutsche Außenminister erklärte. Er bezog sich zwar auf die Äußerungen von Rice, dass die USA weder im In-, noch im Ausland bei ihren Vertretern Folter, einschließlich grausame und unmenschliche Behandlungen, erlaube. Meint Steinmeier, das werde nun in Zukunft so sein und dass die Vergangenheit vergessen gehöre, oder gibt er der US-Regierung gleich eine Absolution, mit der man sich selbst auch gleich rein wäscht? War denn die Entführung des deutschen Staatsbürgers el-Masri aus Mazedonien nach Afghanistan und dessen Monate lange Inhaftierung rechtens und keine Verletzung der deutschen Souveränität?
Nach Informationen der Berliner Zeitung hat womöglich der Bundesnachrichtendienst erst die CIA auf die Spur von el-Masri gebracht. Er wurde in Deutschland aber nur beobachtet, ein Ermittlungsverfahren wurde nicht eingeleitet. Wie immer dies im Fall von el-Masri verlaufen sein mag, so dürfte vermutlich Rice in einer Hinsicht die Wahrheit sagen, nämlich dass die Aktionen und die Flüge in Übereinstimmung mit den europäischen Geheimdiensten und Regierungen geschehen sind, auch wenn keine Einzelheiten mitgeteilt wurden. Es wird interessant werden, ob die deutsche Regierung tatsächlich die Aufklärung über den Fall fördern oder weiterhin auf Blockade setzen wird.
Was aber ist nun mit den Lagern der CIA? Wer wird gefangen gehalten? Wann werden die Gefangenen frei gelassen oder vor Gericht gestellt, schließlich dürfte selbst der Informationswert nach mehreren Jahren kaum mehr relevant sein? Wie gelangten sie in Haft? Wie wurden sie verhört und unter welchen Bedingungen gefangen gehalten? Wurde bei ihrer Ergreifung tatsächlich die Souveränität der jeweiligen Staaten nicht verletzt? Und wurden tatsächlich keine der widerrechtlich Entführten über EU-Länder transportiert? Und warum darf das Rote Kreuz die Gefangenen nicht besuchen? Gerade eben noch erklärte noch der Rechtsberater des US-Außenministeriums, John Bellinger, dass die USA auch jetzt keineswegs die Genfer Konventionen beachten. Auf die Frage, ob dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes stets Zugang zu allen Gefangenen gewährt wurde, musste er mit "Nein" antworten, auch wenn er zuvor anpries, dass alle Gefangenen in Guantanamo besucht werden durften.
Klärung in Großbritannien
Die britische Regierung wollte nicht nur dem großen Vorbild nacheifern, sondern es noch besser machen, indem man nicht Lager wie Guantanamo oder Bagram im Ausland einrichtet, um dort Verdächtige beliebig lange und außerhalb jeder Rechtsordnung festzuhalten. Blair wollte es lieber rechtskonform machen und hat daher die Gesetze geändert. So sollten nach dem Anti-Terrorism Crime and Security Act 2001 Ausländer schon aufgrund des Vorliegens von "vernünftigen Gründen für den Verdacht", dass die Betroffenen in Verbindung mit Terrorgruppen stehen, unbegrenzt in Großbritannien festgehalten werden können. Das betraf vor allem acht Gefanfene, die seit Dezember 2001 in zwei Hochsicherheitsgefängnissen und einer ebenso gesicherten psychiatrischen Klinik inhaftiert waren. Festgehalten wurden sie auch aufgrund von Informationen, die von Gefangenen in Guantanamo oder im US-Stützpunkt Bagram stammen und womöglich unter Folter gemacht wurden.
Der ehemalige britische Innenminister David Blunkett erklärte, dies wäre durchaus rechts, da man auf diese Informationen nicht verzichten brauche, wenn die Folter nicht von Briten angewendet worden sei. Die Häftlinge haben immerhin, im Gegensatz zu den amerikanischen Gefangenen in Guantanami und vor allem im Gegensetz zu den in heimlichen CIA-Gefängnissen Verschwundenen, klagen können. Aber letztes Jahr wurde die Klage von der Berufungskammer des High Court zurückgewiesen. Die sagte, was lauten Widerspruch von Menschenrechtsorganisationen hervorgerufen und zu einem erneuten Einspruch geführt hat, dass der britische Innenminister sich nicht darum zu kümmern brauche, wie die Informationen entstanden sind, wenn nur keine Staatsangehörigen oder direkt vom Innenministerium beauftragten Organisationen diese durch Folter erzwungen haben (Ein schwarzer Tag für die Menschenrechte in Großbritannien).
Die sieben "Law Lords" entschieden, ein Ausschuss des Oberhauses, gestern in wünschenswerter Eindeutigkeit, dass Beweismittel, die unter Folter zustande kamen, von britischen Gerichten nicht anerkannt werden dürfen. In dem konkreten Fall müssten die Anklagepunkte gegen die acht Verdächtigen noch einmal überprüft werden. Lord Bingham of Cornhill, der vorsitzende Richter, erklärte, dass das englische Recht seit 500 Jahren "Folter und ihre Ergebnisse" mit Abscheu betrachtet hätten. Beweise, die unter Folter, auch wenn sie von Dritten ausgeübt wurde, erzwungen wurden, würden die Maßstäbe von Menschlichkeit und Anstand verletzen und seien mit dem britischen Recht nicht vereinbar. Auch einige der Methoden, die offensichtlich in Guantanamo angewendet wurden, fallen nach Lord Bingham unter das Folterverbot.
Schon Ende 2004 hatten die Lordrichter schon die im Antiterror-Gesetz vorgesehene Möglichkeit ausgehebelt, verdächtige Ausländer unbegrenzt und ohne Anklage einsperren zu können. Nach Artikel 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention), so die Richter, dürfen nur Menschen in Haft genommen werden, wenn sie rechtmäßig durch ein Gericht verurteilt wurden. Nach seiner Festnahme muss er "unverzüglich" einem Richter vorgeführt werden und hat Anspruch auf einen Prozess in angemessener Frist (Britische Antiterrorgesetzgebung verstößt gegen die Menschenrechte).