Fußball oder Politikum? Gender-Debatte: Ultra-Fans geben Biologieunterricht

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DFB verurteilt Bayer Leverkusen wegen eines transphoben Transparents zu einer Geldstrafe. Ein Skandal? Wo sind die Grenzen der Beleidigungskultur in Stadien?

Der Zwinker-Smiley kann öfter von Leuten kommen, die Arschlöcher sein wollen, schrieb der Spiegel einmal über den "König der Smartphone-vermittelten Arroganz".

An einem kalten Samstag, Ende November 2023, war der Zwinker-Smiley auf einem Transparent im Weserstadion zu Gast und hatte eine Botschaft, um ein paar Busladungen von angereisten Ultrafans zu erwärmen, mit dem Witz, der gut zu längeren Anreisen mit Trinkpausen passt. Jedenfalls wurde die Botschaft würdevoll ins Fotoalbum der Ultras Leverkusen aufgenommen. Sie lautet:

"Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur zwei Geschlechter."

Das andere Spiel

Über die Reaktion der Bremer Ultras ist öffentlich nichts bekannt. Die kennen nur Insider und die Stadionbesucher der Bundesliga-Begegnung im November, aus der Bayer Leverkusen mit einem souveränen Auswärts-Dreinull-Erfolg hervorging.

Es gibt außer dem Spiel auf dem Rasen noch eine weitere Ebene. Dort, wo der Zwinker-Smiley Biologie-Unterricht gab. "Leverkusen- und Bremen-Fans liefern sich seit Jahren ein provokantes Banner-Battle", weiß die Bild-Zeitung.

(Nachtrag: Mehr über diesen Austausch, dem Spruchband-Duell zwischen den Leverkusener- und Bremer-Fan-Gruppen, gibt es hier. Dort erfährt man auch, dass der Zwinker-Smiley für den "Zitronenmann" steht, "einem Spielzeug, das in der Leverkusener Ultraszene Berühmtheit erlangte und erstmals im März 2004 im Bus der Ultras Leverkusen auf Auswärtstour nach Rostock mitging").

"Es gibt nur zwei Geschlechter" war also Provo der Bayer-Brudis für die Bremer-Brudis. Dieses Spiel könnte man so umschreiben: Wer schafft innerhalb beweglicher, informeller Grenzen der Beleidigungskultur, die traditionell in diskriminierenden Grenzzonen ackert und rumpelt, die böseren, frecheren Bosheiten?

DFB verhängt Strafe

Dann mischte sich der DFB ein. Anfang der Woche erging das Urteil: Geldstrafe für Bayer Leverkusen wegen diskriminierenden unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger. Der Verein haftet für seine Anhänger, wie in der Rechts- und Verfahrensordnung festgelegt (siehe § 9).

Die Geldstrafe beträgt 18.000 Euro. Das ist die Minimalstrafe und eine Summe, die einem Zwinker-Smiley nur recht sein kann. Bayers Umsätze sind auf "hohem Niveau sehr stabil", befinden die Bayern.

Skandal!

Trotz des Portokassen-Formats ist die Strafe ein großer Aufreger für das Online-Portal Nius, gegründet vom ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Dort schreibt man von einem "Skandal-Urteil in der Fußball-Bundesliga".

Der Grund für die Erhöhung des Pulsschlages: Das Urteil gründe sich auf Ideologie und die anderen Medien. Die werden als brave, unkritische Schäfchen gezeichnet

Die Aussage "Es gibt nur zwei Geschlechter" gilt Ideologen als transfeindlich. Anhänger der Queerbewegung argumentieren, es gebe mehrere und fluide Geschlechtsidentitäten, die zwischen "männlich" und "weiblich" changieren. In dieser Weltsicht ist eine binäre Geschlechtssystem, in der zwischen "männlich" und "weiblich" unterschieden wird, diskriminierend. In einigen Medien wird die Strafe unkritisch eingeordnet und nahezu begrüßt.

Nius

Aufdrehen am Mischpult

Nius-Autorin Judith Sevinç Basad legte nach. In ihrem Beitrag stellt sie die Behauptung auf, dass der DFB wie mittlerweile auch die größten Sportverbände der Welt von einem ideologischen Aktivismus vor sich hergetrieben würden.

Sevinç Basad bringt in ihrem Text dann alles vor, was in beinahe jeder Debatte dazu so an Paradebeispielen aufgeboten wird, wenn es mit dem Recht queerer Personen auf Respekt nach Meinung von Kritikern zu weit geht. Es sind Beispiele, die stets darauf verweisen, wie es damit übertrieben wird und zu welchen schlimmen Eskalationen das führt.

Etwa, dass biologische Männer bei sportlichen Wettbewerben als Frauen starten und unschlagbar immer ganz oben auf dem Siegestreppchen stehen oder dass jegliche Kritik an Forderungen von Trans-Aktivisten härtest geshitstormt und niedergetreten wird (Beispiel J.K. Rowling).

Das laufe dann darauf hinaus, so die Spitze des Artikels, dass Vereine oder Organisationen, die auf ihr öffentliches Bild achten, wie eben auch der DFB, von Minderheiten und deren kämpferischen Vertretern in engste Zwänge gesteckt werden. Als ob es da keine Gestaltungsfreiheiten mehr gäbe.

Was auf der Hand liegt

Es liege doch "auf der Hand, dass sich die Leverkusen-Fans über diesen ideologischen Aktivismus, der sich gerade in den Verbänden breitmacht, witzig machen, mit dem Spruchband den Finger in die Wunde legen wollten".

Wenn es um eine Wunde geht, die Fußballfans, die ins Stadion kommen, ernsthaft interessiert und wogegen sie mit wesentlich mehr Wucht angehen, dann sind es die neuen Investorenregelungen. Das ist das ganz große Spiel.

Das andere Spiel, Pfeile gegen eine bestimmte Art der politischen Korrektheit abzuschießen, dafür sitzen die Adressaten wohl auf der anderen Seite der Tribüne, im selben Stadion. Sich darüber mit der großen Überschrift von der "Tyrannei der LGBTQ-Bewegung" aufzuregen, ist guter Stoff für Comedians und einige Medien, die daraus ganze Programme basteln.

Das ist so fad wie die Belehrung mit den zwei Geschlechtern. Auftritt Zwinker-Smiley.