G20-Finanzminister wollen "globales Steuerdumping" beenden

Seite 2: IWF für eine höhere Besteuerung für Reiche

Es war einigermaßen erstaunlich, dass sich kürzlich aus dem IWF David Amaglobeli, Vitor Gaspar und Paolo Mauro schon für eine höhere Besteuerung für Reiche eingesetzte hatten. Ihr Beitrag trägt den Titel: "Jedem eine faire Chance geben."

Sie argumentierten, dass die Covid-Pandemie den "Teufelskreis der Ungleichheit" verschärft und die schwächsten Gruppen am härtesten getroffen habe. Das waren wahrlich neue Töne aus der Finanzinstitution, die sich plötzlich auch um das Wohl von Frauen sorgt. Denn Frauen seien von der Pandemie "besonders betroffen", da sie in den von COVID-19 betroffenen Sektoren wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel tendenziell überrepräsentiert sind. Das gelte vor allem in ärmeren Ländern.

Um den Teufelskreis zu durchbrechen und jedem eine faire Chance auf Wohlstand zu geben, stellten sie fest, dass "Regierungen den Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen - wie Gesundheitsversorgung (einschließlich Impfungen) und Bildung - verbessern und die Umverteilungspolitik stärken" sollten. Hohe Sozialausgaben seien aber nur dann wirksam bei der Armutsbekämpfung, "wenn sie eine angemessene Unterstützung bieten und die ärmsten Schichten der Gesellschaft abdecken", wird erklärt.

Da für die Verbesserung beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen natürlich auch zusätzliche Ressourcen benötigt werden, müssen die Einnahmen der Staaten erhöht werden. Dazu hatten die drei IWF-Experten verschiedene Vorschläge gemacht.

Die Ausgaben könnten je nach den Gegebenheiten eines Landes durch die Stärkung der allgemeinen Steuerkapazität aufgebracht werden. Viele Länder könnten Vermögens- und Erbschaftssteuern erhöhen oder einführen oder auch die Steuerprogression anheben, um hohe Einkommen stärker zu besteuern. Einige Regierungen hätten auch Spielraum, um die Spitzensteuersätze anzuheben, während andere die Beseitigung von Schlupflöchern bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen konzentrieren könnten. Darüber hinaus könnten auch temporär eine Abgabe für Haushalte mit hohen Einkommen eingeführt und die Unternehmensbesteuerung reformiert werden.

Das alles sind neue Töne aus einem IWF, der mit seinen Austeritätsprogrammen zum Beispiel in Griechenland zur massiven Verarmung breiter Schichten genauso beigetragen hatte wie zur Ausblutung des Gesundheit- oder Bildungssystems. Aber nun wird argumentiert, dass über die vorgeschlagene Politik eher "gesellschaftlicher Zusammenhalt" geschaffen werden könne.

Unterschwellig wird damit andererseits davor gewarnt, dass es zum Zerfall von Gesellschaften und damit zu massiven Unruhen kommen dürfte, wenn der Teufelskreis nicht durchbrochen wird.

Allerdings war bis Mittwoch noch nicht klar, ob es sich dabei nur um eine Minderheitsmeinung im IWF handelt oder ob sich tatsächlich langsam gesunder Menschenverstand auch im IWF breitmacht angesichts der Tatsache, dass Portugal nach der Finanzkrise etliche der nun offenbar angestrebten Ziele genau darüber erreicht hat, dass man in Lissabon die IWF-Programme nicht umgesetzt und die Austeritätspolitik beendet hatte.

So unterstützt nun auch die IWF-Chefin Kristalina Georgieva die drei Experten und spricht sich für eine "faire Chance" bei "Impfungen", dem "Wiederaufbau" und der "Zukunft" aus. Sie übernimmt in ihren einleitenden Worten zur Frühjahrskonferenz weitgehend die Positionen der drei Experten und spricht vom Schutz "gefährdeter Haushalte und lebensfähiger Unternehmen". Die müssten unterstützt werden, solange die Krise andauert.

Dazu müsste es "gezielte fiskalische Maßnahmen" und die "Beibehaltung günstiger Finanzierungsbedingungen" geben. Die Staaten sollten ihre Investitionen aufstocken, um "grüne Projekte und digitale Infrastruktur" zu stärken. Aber auch "die Gesundheit und Bildung der Menschen" müsse sichergestellt werden, erklärt die IWF-Chefin.

Da die Länder dazu ausreichende öffentliche Einnahmen benötigten, werde in vielen Fällen eine "progressivere Besteuerung" und eine "Mindestbesteuerung von Unternehmen" benötigt. Im aktuellen Fiscal Monitor des IWF werden die Positionen noch klarer ausgeführt.

Darin wird ausdrücklich von der höheren Besteuerung von "höheren Einkommen und Vermögen" und von einer Art temporären "Covid-Steuer" gesprochen. Von der Einführung einer Vermögenssteuer ist der IWF allerdings nicht überzeugt:

"Bevor sie sich neuen Instrumenten zuwenden, sollten die Länder die Schließung von Schlupflöchern, eine progressivere Einkommensbesteuerung und einen stärkeren Rückgriff auf Eigentums- und Erbschaftssteuern in Erwägung ziehen, die nach wie vor zu wenig genutzt werden."

In Bezug auf eine Covid-Steuer erinnert der IWF-Bericht daran, dass unter anderem in Deutschland zur Wiedervereinigung eine Steuer eingeführt wurde. Allerdings wurden über den Solidaritätszuschlag praktisch alle Einkommen besteuert, nicht nur die hohen, weshalb das eigentlich kein gutes Beispiel ist. Und sonderlich temporär war der auch nicht, denn es gibt ihn noch immer.