Gaskrise: Propaganda, Daten, Fakten
Wo kommt das Gas her? Wie viel ist in den Speichern? Wie entwickeln sich die Preise? Wer verbraucht es?
Viel Aufregung gibt es derzeit um russischen Gaslieferungen, die Propaganda-Turbine und die Befüllung der Gasspeicher für den kommenden Winter. Schickt Moskau soviel Gas wie möglich? Muss noch eine andere Turbine repariert werden? Was ist mit der in Kanada gewarteten Siemens-Turbine? Warum lagert sie noch in Deutschland und vor allem: Wer darf sich mit ihr ablichten lassen?
Nach dem geklärt war, dass für die Siemens-Turbine die EU-Sanktionen nun doch nicht gelten, die Außenministerin sich in Ottawa artig für die Herausgabe bedankte und diese auf ihrem Weg nach Russland Station in Deutschland gemacht hat, wird nun noch ein wenig gekappelt, ob Siemens sie nicht herausgibt oder Russland sie nicht anfordert.
Schwer zu sagen, wer mit welchen Behauptungen recht hat. Klar ist, dass beiden Seiten pokern. Propaganda und Fakten sind schwer auseinander zu halten. Außerdem macht es sich ja auch irgendwie ganz gut, das einfache Volk mit Bibber-Appellen gegen den äußeren Feind aufzubringen, während man über den Verbrauch der Industrie für oftmals überflüssige oder ersetzbare Produkte (Stichwort Verpackungsflut aus Plastik) vornehm schweigt.
Doch wie sieht es eigentlich mit den Gasspeichern und ihren Füllständen aus, um die sich letztlich alles dreht? Aufschluss geben die Daten des Verbandes Gas Infrastructure Europe.
Gasspeicher in Deutschland zu 70,4 Prozent gefüllt
Demnach werden die Speicher seit Monaten EU-weit befüllt, und zwar gleichbleibend mit etwa 50 Prozent der täglichen Befüllkapazität. Die Entnahme ist dagegen ebenso gleichbleibend verschwindend gering. Das heißt, alles geförderte oder importierte Gas wird entweder sofort verbraucht oder gehortet.
Derzeit, Stand 3.8., sind die Gasspeicher im Durchschnitt zu knapp 70,1 Prozent gefüllt, vor fünf Monaten waren es etwas weniger als 30 Prozent, vor zwei Monaten nicht ganz 50 Prozent. In Deutschland sind die Speicher Anfang August zu 70,4 Prozent voll.
Fassen können sie hierzulande 243 Terawattstunden, was in etwa 27 Prozent des deutschen Gasjahresverbrauchs 2021 wäre. Dieser betrug allein im Januar 2021, dem Monat mit dem höchsten Verbrauch, 140 Terawattstunden. Aber zum Glück muss der Verbrauch ja nicht aus den Speichern allein gedeckt werden.
Auch nicht, wenn aus Russland weniger Gas kommen sollte. Dieses fließt übrigens nicht nur durch die in den Medien viel zitierte Nord-Stream-Pipeline, sondern auch durch zwei ältere Leitungen über Polen und die Ukraine.
2021 kamen nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft über die Hälfte der Erdgas-Importe aus der Russischen Föderation, etwa 30 Prozent aus Norwegen und der Rest aus den EU-Ländern, vermutlich hauptsächlich den Niederlanden. 5,2 Prozent des Bedarfs wurde aus einheimischer Förderung gedeckt. Die russischen Importe gingen allerdings schon ab Herbst zurück und wurden zunächst durch niederländische ersetzt, wo im Osten des Landes die Förderung erhöht wurde.
Der russische Anteil
Der russische Anteil ist in den letzten Jahren offensichtlich stark gestiegen. Mitte des letzten Jahrzehnts hatte er eher bei 35 bis 40 Prozent gelegen, wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schreibt.
Der Preis des importierten Erdgases hat nach den Daten des Bundesamtes für Statistik, die bis zum Mai 2022 vorliegen, bereits im vergangenen Jahr angezogen. Erst leicht und dann ab August 2021 stärker. Von März bis Mai 2022 ist er dann wieder etwas gefallen, liegt aber immer noch bei knapp dem Dreifachen des im August 2021 erreichten Wertes.
Die größten Verbraucher
Und zuletzt noch ein Blick darauf, wer eigentlich Erdgas verbraucht. Nach Informationen der Gaswirtschaft war 2021 der größte Abnehmer die Industrie mit 36,5 Prozent, gefolgt von den Haushalten, die 30,5 Prozent verbrauchten. An das Gewerbe verkauften die Gashändler 12,7 Prozent ihres Produkts, verstromt wurden 12,5 Prozent und für Fernwärme (und -kälte) wurden schließlich noch 6,7 Prozent des in Deutschland abgesetzten Gases verwandt.