Gasmangellage konkret

Seite 2: Zur Größenordnung der Gasversorgungslücke

Eine eigene, grob orientierende Abschätzung kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gasversorgungslücke aktuell in einer Größenordnung um 35 Milliarden Kubikmeter bewegen dürfte (siehe Tabelle). Mithin mehr als die Hälfte bisheriger jährlicher russischer Gaslieferungen für Deutschland und bezogen auf den gesamten Gasverbrauch rund ein Drittel (siehe Tabelle).

Kurzfristig für möglich gehaltene Schritte – orientiert an Aussagen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft aus 2021 – könnten davon um 20 Milliarden Kubikmeter einsparen. Dann bliebe aber immer noch eine erhebliche Versorgungslücke, die natürlich noch größer wird, wenn es nicht gelingt, aktuell notwendige Einsparungen zu erreichen.

Gasversorgungslücke durch fehlendes russisches Erdgas*
Erdgasverbrauch, Lückenschluss, Versorgungslücke Mrd. kWh Mrd. m3 Bemerkungen
Gesamtverbrauch Erdgas in Deutschland 2022 1012,2 103,6 Annahme: Gesamtverbrauch 2022 wie 2021 (AGEB Jahresbericht 2021– vorläufig,
S. 20), Umrechnung kWh in Kubikmeter mit AGEB-Umrechner.
Russischer Erdgasanteil am Gesamtverbrauch bis Kriegsbeginn (55 Prozent) 57 Habeck laut Handelsblatt (Olk, HB v. 27.04.2022).
Russischer Gasanteil mit 57 Mrd. Kubikmetern entspricht Liefermenge von Gazprom für Deutschland im Jahre 2019 (siehe Exportstatistik)
Russischer Erdgasanteil am Gesamtverbrauch in Deutschland reduziert auf 35 Prozent nach Kriegsbeginn. 36,3 Reduktion gemäß Angaben von Habeck laut Handelsblatt (Olk, HB v. 27.04.2022). Sicherstellung durch Gaseinkäufe aus anderen Bezugsquellen, vor allem zum Auffüllen der Gasspeicher zur Versorgung in den Wintermonaten.

Annahme: durch die Reduktion des russischen Gasanteils am Gesamt- verbrauch von 55 Prozent auf 35 Prozent kann zwar der Gasbezug aus Russland um 20 Prozent verringert werden, aber es bleibt eine Gasversorgungslücke von 36,3 Mrd.
Kubikmetern im Wesentlichen bestehen, weil über das Auffüllen der Gasspeicher hinaus keine weiteren, relevanten Gasmengen aus anderen Bezugsquellen
zu beschaffen sind.
Einsparmöglichkeiten Kurzfristig (ca. 19 Prozent) 19,7 Annahme: BDEW Einsparpotenzial auf der Nachfrageseite für den gesamten Erdgaskonsum in Deutschland 2021 (Grimm et al, 2022).
Einsparmöglichkeiten differieren in den einzelnen Verbrauchssektoren.
Gasversorgungslücke zum Winter hin, soweit Einsparmöglichkeiten erreicht. 16,6 Annahme: von der 36,3 Mrd. Kubikmeter Gasversorgungslücke werden ca. 19 Prozent kurzfristige Einsparmöglichkeiten bis zum Winter erschlossen. Eine verkleinerte Gasversorgungslücke von 16,6 Mrd. Kubikmeter bleibt bestehen.
Es gilt: je geringer Einsparungen, desto mehr bewegt sich die Gasversorgungs- lücke auf 36,3 Mrd. Kubikmeter zu.

Schließen Versorgungslücke von 36,3 Mrd. Kubikmetern ab 2023 weitgehend durch Inbetriebnahme von vier regierungsseitig angekündigten LNG-Terminals ab Jahreswende 22/23 herum möglich.
Engpass bleiben aber LNG-Lieferungen ab Anfang 2023.
*grob orientierende, mit Unsicherheiten behaftete Schätzung

Dass diese Abschätzung nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, zeigt die rasche Inangriffnahme für den Bau von vorerst vier schwimmenden Flüssiggasterminals an der deutschen Küste. Sie werden von der Bundesregierung angemietet, sollen zu Beginn des kommenden Jahres in Betrieb gehen mit einer Gesamtkapazität von 25 Milliarden Kubikmetern Erdgas (EWI, 2022).

Zugleich plant die Bundesregierung, ein weiteres Flüssiggasterminal zum Beginn des Jahres 2023/2024 in Betrieb zu nehmen (FAZ, 2022). Insgesamt offenbart sich so ganz offiziell eine Versorgungslücke von 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas mit bislang billigem russischem Erdgas, die ab dem kommenden Jahr und in den folgenden Jahren nach und nach geschlossen werden soll.

Genau diese Größenordnung wird für 2023 in einer aktuellen Studie des Oxford Energy Instituts bestätigt (OEI, 2022). Es bleibt abzuwarten, wie rasch der Ausbau erneuerbarer Energien und der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft gelingt, damit weniger Erdgas benötigt und die große Gasversorgungslücke kleiner wird.