Gastransit durch Ukraine: Kiew will Abkommen mit Russland nicht verlängern

LNG-Tanker müssen Europa bald versorgen.

Pipeline-Gas verliert für Europa an Bedeutung. Dagegen werden LNG-Lieferungen wichtiger - auch aus Russland.

Das Nachsehen im Transitstreit könnten einige EU-Länder haben. Hoffnung liegt auf LNG-Terminals in Deutschland. Warum Europa nicht vom russischen Erdgas loskommt.

In den vergangenen Monaten ist der Bundesregierung immer wieder vorgeworfen worden, sie baue in Nord- und Ostsee Überkapazitäten für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) auf. Die kommenden Jahre könnten allerdings zeigen, dass ihr Aufbau gerechtfertigt sein könnte. Denn Ende nächsten Jahres könnte der Gasfluss über die Ukraine gestoppt werden.

Der Grund dafür ist das Transitabkommen zwischen der Ukraine und Russland, das Ende 2024 ausläuft. In einem Interview mit der Financial Times sagte der ukrainische Energieminister, German Galuschtschenko, kürzlich, er sehe nur geringe Chancen, dass das Abkommen verlängert werde.

"Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie es bilateral sein könnte", sagte Galuschtschenko, als er gefragt wurde, ob die Ukraine nach der Invasion im letzten Jahr bereit sei, ein Abkommen mit Moskau neu auszuhandeln. "Ich kann Ihnen sagen, dass wir unser System auf eine Kürzung der Lieferungen vorbereiten", fügte er hinzu.

Laut Financial Times ist es das erste Eingeständnis Kiews, dass der Transitvertrag wahrscheinlich Ende nächsten Jahres auslaufen werde. Galuschtschenko habe zwar angedeutet, dass europäische Politiker den Vertrag neu verhandeln wollten, doch Analysten hielten das aber für unwahrscheinlich.

Einige EU-Länder werden hart getroffen

Damit würde ein Großteil der Energieversorgung Österreichs und der Slowakei wegbrechen. Knapp die Hälfte der Gasimporte Österreichs liefen im Mai durch die Pipeline in der Ukraine. In der Slowakei entfielen sogar knapp 95 Prozent auf diese Gasleitung.

In der Vergangenheit hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit der "europäischen Solidarität" argumentiert, um den Aufbau der LNG-Importterminals zu rechtfertigen. Ein Projektszenario seines Ministeriums ging davon aus, dass Tschechien, die Slowakei, die Ukraine und Moldawien sowie Österreich ihren Gasbedarf künftig über deutsche Terminals decken können.

Erdgas könnte in Europa knapp bleiben

Sollte die Gaspipeline über die Ukraine wegfallen, bliebe als einzige Leitung aus Russland noch die TurkStream übrig, welche die Länder im Südosten Europas mit Erdgas versorgt. Stärker denn je wäre der Kontinent auf LNG-Lieferungen angewiesen.

Doch die globalen Gasmärkte sind angespannt. Selbst ein kleiner Lieferausfall könne, heißt es bei der Financial Times, die Preise in Europa in die Höhe treiben. Wenn 2025 die ersten Großprojekte in den USA und in Katar in Betrieb gehen, könnte sich die Lage etwas entspannen.

Welche konkreten Auswirkungen dies auf die Energiesicherheit in Europa hätte, ist noch ungewiss. Im November hatte Deutschland mit Katar einen Vertrag geschlossen. Über 15 Jahre hinweg sollen jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen LNG geliefert werden.

Umgerechnet sind das knapp eine Milliarde Kubikmeter Erdgas, die aus Katar geliefert werden. Zum Vergleich: Die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 hatte eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Wäre Nord Stream 2 auch in Betrieb gegangen, so hätte sich die Kapazität verdoppelt.

LNG-Importe aus Russland

Der stellvertretende russische Außenminister Michail Galuzin glaubt laut Bericht, dass die Entscheidung der Ukraine, das Abkommen nicht zu verlängern, der Europäischen Union einen Schlag versetzen würde. Zudem würde sich die Ukraine damit nur selbst schaden, weil sie freiwillig auf die Transiteinnahmen verzichten würde.

Während die Transporte per Leitung abnehmen, spielen russische LNG-Exporte inzwischen eine erhebliche Rolle für Europa. In den ersten Monaten lieferte Russland mehr LNG nach Europa als Katar und stieg zum zweitgrößten Lieferanten auf. Frankreich und Spanien waren dabei die größten Abnehmer, sagte Helen Thompson, Professorin für politische Ökonomie in Cambridge, im Interview mit Der Standard.

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