Gasversorgung in Europa: Prall gefüllte Speicher am Ende des Winters
Frühere Prognosen sind widerlegt: Europas Gasspeicher sind voller als erhofft. Die Gaspreise sinken deutlich. Warum es eine Herausforderung bleibt, gut auf den nächsten Winter vorbereitet zu sein.
Die Heizsaison neigt sich dem Ende zu und ein erstes Fazit lässt sich bereits ziehen: Am Ende des Winters werden in den Speichern voraussichtlich noch rekordverdächtige Mengen an Erdgas befinden.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Freitag entsprechende Zahlen veröffentlicht, sie berief sich dabei auf Daten von Gas Infrastructure Europe (GIE). Aber auch eine Analyse der EU-Kommission kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, hatte Politico bereits am Mittwoch berichtet.
Nach Reuters-Angaben lagen die Gasvorräte in der Europäischen Union und in Großbritannien bei 731 Terawattstunden (TWh). Und damit ist noch wesentlich mehr Erdgas vorhanden, als man im letzten Jahr zu träumen wagte. Die Vorräte liegen mit 260 TWh über dem saisonalen 10-Jahres-Durchschnitt.
Diesen Erfolg führte ein hochrangiger EU-Beamter auf eine Kombination aus Planung und Glück zurück, heißt es bei Politico.
Der milde Winter hatte einen Anteil am Rückgang des Gasverbrauchs. Aber auch die strikte Coronapolitik in China hatte dazu beigetragen, dass mehr Erdgas auf den Weltmärkten verfügbar war.
"Aber auch die Verringerung der Nachfrage, die Speicherpolitik und die Infrastrukturmaßnahmen haben erheblich dazu beigetragen", betonte der EU-Beamte demnach.
Innerhalb der EU-Bürokratie sorgen die guten Zahlen für einen Freudentaumel. Energiekommissar Kadri Simson erklärte am Dienstag, dass Europa die erste Schlacht "im Energiekrieg" mit Russland gewonnen habe.
Die Schattenseite der guten Zahlen sind die wirtschaftlichen Kosten, zu denen man die prall gefüllten Speicher erkauft hat. Dazu gehören etwa die horrenden Preise, die man für Flüssiggas (LNG) gezahlt und mit denen man die Weltmärkte leergekauft hatte. Für Europa bedeutete diese Politik volle Speicher, in anderen Ländern führte sie zu Engpässen bei der Energieversorgung.
In Europa nährten die hohen Gaspreise die Angst vor einer Deindustrialisierung. In energieintensiven Branchen wurden zahlreiche Anlagen stillgelegt, wodurch auch große Mengen Gas eingespart wurden. Betroffen waren etwa Düngemittel-, Stahl-, Chemie-, Keramik-, Glas- und Zementhersteller.
Als Reaktion auf diese Entwicklung fielen die Gaspreise am Freitag das erste Mal seit August 2021 auf unter 50 Euro je Megawattstunde (MWh). Dass sie künftig wieder das Rekordhoch von 350 Euro je MWh erreichen könnten, glaubt man inzwischen auch in der Industrie nicht mehr.
Sinkende Preise könnten allerdings wieder dazu führen, dass die energieintensiven Branchen ihre Anlagen hochfahren, was den Gasverbrauch erhöhen würde.
Das ist aber seitens der Europäischen Union nicht unbedingt gewünscht. In Brüssel hat man bereits die Füllstände der Speicher im kommenden Winter im Blick. Das Ziel, dass die Speicher dann wieder zu 90 Prozent gefüllt sind, lässt sich wahrscheinlich nur mit einer weiteren Reduzierung des Gasverbrauchs erreichen.
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